Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergewaltigung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 27. August 1999
- im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte im Fall II 5 der Urteilsgründe der Bedrohung schuldig ist,
- im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen Vergewaltigung in vier Fällen und wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Einziehungsanordnung getroffen.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlußformel ersichtlichen Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben, soweit das Landgericht ihn in den Fällen II 1 bis 4 der Urteilsgründe jeweils der Vergewaltigung und im Fall II 5 der Bedrohung für schuldig befunden hat. Dagegen beanstandet die Revision mit Erfolg, daß das Landgericht den Angeklagten im Fall II 5 darüber hinaus auch wegen – tateinheitlich begangener – versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt hat.
Nach den insoweit getroffenen Feststellungen zog der Angeklagte im Rahmen eines Streites um das Besuchsrecht bei der gemeinsamen Tochter ein Bajonett aus der Scheide, „drückte die Spitze der ca. 20 cm langen Klinge fest gegen den Bauch der Zeugin Sandra Sch. und äußerte dabei, daß … er die Zeugin … umbringen werde” (UA 12/13); diese Handlung wiederholte er zweimal. Sandra Sch. spürte deutlich die Spitze der Bajonettklinge, verletzt wurde sie jedoch nicht. Nachdem ihr eine Freundin zur Hilfe gekommen war und den Angeklagten mit einem Messer verletzt hatte, gelang es ihr schließlich, diesen zu beruhigen.
Aus diesem objektiven Geschehen allein kann nicht auf einen bedingten Körperverletzungsvorsatz des Angeklagten, den dieser in Abrede gestellt hat (UA 17), geschlossen werden (vgl. auch BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 3). Die Tatsache, daß es trotz mehrmaligen Ansetzens der äußerst spitzen Bajonettklinge an den Körper Sandra Sch. s zu keiner Verletzung kam, spricht vielmehr eher dafür, daß der Angeklagte seine frühere Freundin nur bedrohen, nicht aber verletzen wollte. Der Senat schließt aus, daß in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen zur inneren Tatseite getroffen werden können; er ändert den Schuldspruch daher entsprechend ab.
2. a) Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der für den Fall II 5 verhängten Einzelstrafe.
b) Die für die vier Vergewaltigungstaten ausgesprochenen Einzelstrafen haben ebenfalls keinen Bestand. Das Landgericht hat diese Strafen jeweils dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB entnommen. Die Begründung, mit der die Strafkammer eine Ausnahme von der Regelwirkung dieser Vorschrift abgelehnt hat (UA 24/25), hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zwar gesehen, daß für die Prüfung der Frage, ob trotz Vorliegens eines Regelbeispiels ein besonders schwerer Fall verneint werden kann, eine Gesamtwürdigung aller für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommenden Umstände vorzunehmen ist. Es hat dann aber im Rahmen seiner Gesamtbetrachtung einen wesentlichen strafmildernden Gesichtspunkt nicht erwähnt, nämlich die mehrjährige intime Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten. Daher ist zu besorgen, daß der Tatrichter diesen wesentlichen Umstand (vgl. BGH NStZ 1982, 26; StV 1997, 634; 1998, 76), der im übrigen auch im Rahmen der konkreten Strafzumessung für die Einzelstrafen unerwähnt geblieben ist, bei der Strafrahmenwahl nicht berücksichtigt hat.
Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß das Landgericht bei fehlerfreier Gesamtwürdigung besonders schwere Fälle bereits ohne Heranziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB verneint und sich dies auf die Strafhöhe ausgewirkt hätte, zumal in den Fällen II 1 und 2 der Urteilsgründe die Gewaltanwendung den unteren Bereich nicht überstieg.
3. Der Senat hebt den Strafausspruch insgesamt auf; die rechtsfehlerfrei getroffenen Anordnungen der Unterbringung nach § 64 StGB und der Einziehung bleiben bestehen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß bei einer Verurteilung wegen Vergewaltigung die straferschwerende Erwägung, „daß der Angeklagte seine eigenen Interessen massiv über die Belange der Zeugin gestellt” hat (UA 25), mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB unzulässig ist (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Vergewaltigung 1, Sexualdelikte 4; BGH, Beschluß vom 30. Mai 2000 – 4 StR 80/00).
Unterschriften
Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 540714 |
StV 2001, 453 |