Verfahrensgang
LG Krefeld (Urteil vom 13.11.2019; Aktenzeichen 7 Js 489/19 22 KLs 28/19) |
Tenor
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 13. November 2019 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.
I.
Rz. 2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Rz. 3
Der Beschuldigte litt zum Zeitpunkt der Tat an einer schizophrenen Psychose. Er riss im Bereich einer Tankstelle die Fahrertür eines Pkw auf, hielt dem Fahrer ein scharfes Küchenmesser an den Hals und forderte ihn auf auszusteigen. Nachdem der Geschädigte dem nachgekommen war, setzte der Beschuldigte sich selbst in das Fahrzeug und fuhr damit Richtung W.. Dort wollte er eine bekannte polnische Sängerin aufsuchen und verletzen. Kurz vor Erreichen der Stadt gab er sein Vorhaben auf und kehrte nach Deutschland zurück, wo er den Pkw „Wochen später” in erheblich beschädigtem Zustand auf einer Polizeiwache abgab.
Rz. 4
Die Strafkammer hat – ohne dies näher zu begründen – angenommen, dass die Erkrankung des Beschuldigten bei Tatbegehung die Aufhebung seiner Steuerungsfähigkeit zur Folge hatte.
Rz. 5
In Deutschland ist der Beschuldigte nicht vorbestraft. 2015 war er in den Niederlanden wegen Raubes eines Pkw zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Dass diese Tat psychotisch motiviert war, konnte nicht festgestellt werden.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 6
Die Anordnung der Maßregel hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 7
1. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf – neben der höhergradigen Wahrscheinlichkeit der künftigen Begehung erheblicher rechtswidriger Taten – nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht (st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 6. August 2019 – 3 StR 46/19, StV 2020, 371, 372 mwN). Das Tatgericht hat in diesem Zusammenhang im Einzelnen darzulegen, wie sich die festgestellte, einem Merkmal der §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden Zustand zurückzuführen sind (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 26. Juli 2016 – 3 StR 211/16, juris Rn. 5; vom 5. September 2019 – 4 StR 206/19, juris Rn. 7 mwN). Es ist insbesondere gehalten zu untersuchen, ob in der Person des Beschuldigten oder in seinen Taten letztlich nicht nur Eigenschaften und Verhaltensweisen hervortreten, die sich im Rahmen dessen halten, was bei schuldfähigen Menschen eine übliche Ursache für strafbares Verhalten und somit normalpsychologisch zu erklären ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2016 – 4 StR 196/15, NStZ-RR 2015, 275, 276; vom 5. September 2019 – 4 StR 206/19, juris Rn. 7).
Rz. 8
2. Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Das Landgericht hat zwar für sich genommen rechtsfehlerfrei dargelegt, dass der Beschuldigte an einem unter die Eingangsmerkmale des § 20 StGB fallenden krankhaften Zustand von einiger Dauer leidet. Es hat aber nicht in nachvollziehbarer Weise belegt, dass zwischen diesem Zustand und der Begehung der abgeurteilten Tat ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Hierzu im Einzelnen:
Rz. 9
Gemäß den Urteilsausführungen hatte der Beschuldigte aufgrund seiner Psychose die Wahnvorstellung entwickelt, die polnische Sängerin verfolgen zu müssen. Nach seiner Einlassung wolle er schon seit zehn Jahren erreichen, dass sie das Verhältnis zu ihren Fans ändere und sich zum christlichen Glauben bekenne. Bereits am Silvesterabend 2018 habe er ein Konzert besucht, um sie von der Bühne zu werfen; doch dann habe sie ihm leidgetan. Auch jetzt habe er zu ihr nach W. fahren wollen, sei aber umgekehrt, weil er erkannt habe, dass sie unzurechnungsfähig sei und es keinen Sinn habe, sie zu verletzen.
Rz. 10
Auf der Grundlage dieser Einlassung ist das Landgericht ohne nähere Begründung in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen zu der Überzeugung gelangt, dass die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei der Begehung der Tat aufgehoben war, weil das Ansichbringen des Fahrzeugs der „Läuterung” der Sängerin gedient habe. Mit diesen äußerst knapp gehaltenen Ausführungen hat die Strafkammer nicht in nachprüfbarer Weise dargelegt, inwieweit die zweifelsohne wahnbedingte Motivation sich auf die konkrete Tat, mit der der Beschuldigte gewaltsam ein Fahrzeug an sich brachte, auswirkte. Es erschließt sich insbesondere nicht, weshalb dabei gerade die Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen sein soll. Dies gilt umso mehr, als der Beschuldigte bereits im Jahr 2015 einen Pkw mit Schlägen gegen den Fahrer erbeutet hatte, ohne dass damals Feststellungen dazu getroffen wurden, dass dies wahnbedingt geschah.
Rz. 11
Die Sache bedarf deshalb im Umfang der Aufhebung der neuen Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen zu dem äußeren Tatgeschehen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
Unterschriften
Schäfer, Spaniol, Paul, Berg, Erbguth
Fundstellen
Haufe-Index 14095464 |
NStZ-RR 2020, 337 |
NStZ-RR 2021, 193 |