Verfahrensgang
LG Gera (Urteil vom 05.03.2002) |
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 5. März 2002 wird mit der Maßgabe verworfen, daß
- in den Fällen II 1 bis 217 der Urteilsgründe die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen entfällt;
- in der Urteilsformel das Wort „Freiheitsstrafe” durch das Wort „Gesamtfreiheitsstrafe” ersetzt wird und
- die Urteilsformel dahin ergänzt wird, daß der Angeklagte im übrigen freigesprochen wird und die Staatskasse insoweit die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Tatbestand
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 217 Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen sowie wegen Vergewaltigung in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der allgemein die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Das Rechtsmittel führt zu der aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Änderung und Ergänzung der Urteilsformel; im wesentlichen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlich begangenen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB hat keinen Bestand, da insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
Die Taten wurden zwischen Ende 1991 und Juni 1994 begangen. Die Verjährungsfrist für dieses Vergehen beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Die Verjährung wurde erstmals durch die erste Vernehmung des Beschuldigten am 6. Februar 2002 unterbrochen (§ 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB) und somit mehr als fünf Jahre nach dem spätesten Tattag. Allerdings verjährt die Verfolgung von Taten, die – wie hier – in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet begangen worden sind und die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind, frühestens mit Ablauf des 2. Oktober 2000 (Art. 315 a Abs. 2 EGStGB). Doch erfolgte im vorliegenden Fall die erste Unterbrechungshandlung nach dem Stichtag, so daß an diesem die Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Auf die vom Generalbundesanwalt erwogene Unterbrechung durch die richterliche Anhörung des Angeklagten im familiengerichtlichen Verfahren am 13. Dezember 2000 kommt es schon deshalb nicht an, weil auch diese nach dem 2. Oktober 2000 stattfand. Der Verjährung steht nicht entgegen, daß das Vergehen nach § 174 StGB tateinheitlich mit sexuellen Mißbrauch von Kindern zusammentrifft. Auch bei Tateinheit unterliegt jede Gesetzesverletzung einer eigenen Verjährung (vgl. u.a. BGHR StGB § 78 Abs. 1 Tat 1 m.w.Nachw.).
Die Einschränkung des Schuldspruchs hat keinen Einfluß auf den Strafausspruch. Das Landgericht hat nicht strafschärfend gewertet, daß der Angeklagte jeweils zwei Straftaten in Tateinheit begangen hat. Im übrigen kann der Senat im Hinblick auf die maßvollen Strafen ausschließen, daß der Tatrichter niedrigere Strafen verhängt hätte, wenn insoweit die Verjährung berücksichtigt worden wäre, zumal verjährte Taten, wenn auch mit geringerem Gewicht, straferschwerend berücksichtigt werden können (vgl. u.a. Senatsbeschluß vom 10. Oktober 2001 – 2 StR 405/01).
Der Senat hat in der Urteilsformel das Wort „Freiheitsstrafe” durch das Wort „Gesamtfreiheitsstrafe” ersetzt, weil es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler handelt; der Tatrichter ist selbst von einer Gesamtfreiheitsstrafe ausgegangen (UA S. 17).
2. Soweit die Anklage und die Nachtragsanklage dem Angeklagten weitere Taten vorwerfen, deretwegen er nicht verurteilt wurde und für die das Landgericht in den Urteilsgründen hinreichend zum Ausdruck gebracht hat, daß er insoweit freizusprechen sei, hat der Senat – entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts – den versehentlich unterbliebenen Freispruch nachgeholt (vgl. auch BGH, Beschluß vom 25. Oktober 2001 – 1 StR 429/01).
Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten – auch nur teilweise – von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Rissing-van Saan, Otten, Rothfuß, Fischer, Elf
Fundstellen