Normenkette
BGB § 138 Abs. 1, § 139
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 4. Januar 2021 aufgehoben.
Die Anträge der Antragsteller, den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts, bestehend aus, vom 25. August 2020 aufzuheben und festzustellen, dass das Schiedsgericht zur Entscheidung über die in der Schiedsklage vom 16. April 2019 angekündigten Anträge unzuständig ist, werden zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Wert des Beschwerdegegenstands: 6.000 €
Gründe
Rz. 1
I. An der mit Gesellschaftsvertrag vom 15. Juli 1997 (nachfolgend: Gesellschaftsvertrag) gegründeten Antragsgegnerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, waren ursprünglich K. S. und Dr. A. H. mit Geschäftsanteilen von jeweils 25.000 DM beteiligt. Der Geschäftsanteil Nr. 1 des K. S. ist später an seine Ehefrau und der Geschäftsanteil Nr. 2 des Dr. A. H. auf seine Kinder, die Antragsteller, als gemeinschaftliche Inhaber mit einem Anteil von je einem Drittel übertragen worden.
Rz. 2
§ 19 des Gesellschaftsvertrags enthält unter der Überschrift "Schiedsgericht" die folgende Regelung:
Alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen den Gesellschaftern untereinander oder zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft werden unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges durch ein Schiedsgericht entschieden. Dies gilt auch für Meinungsverschiedenheiten über die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages und einzelner seiner Bestimmungen und für Gestaltungsklagen [...] sowie für Meinungsverschiedenheiten über die Wirksamkeit und Auslegung dieser Schiedsgerichtsvereinbarung.
Rz. 3
In § 20 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags ist bestimmt:
Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrags oder Teile von Bestimmungen nichtig oder unwirksam sein oder werden, so wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen dadurch nicht berührt. Die betreffende Bestimmung ist durch eine solche zu ersetzen, durch die der erstrebte wirtschaftliche und rechtliche Zweck weitgehend erreicht wird.
Rz. 4
Aufgrund seit Jahren bestehender Differenzen zwischen den Gesellschafterfamilien betreibt die Antragsgegnerin den Ausschluss der drei Antragsteller. Sie hat eine Schiedsklage eingereicht und beantragt, die Antragsteller als gemeinschaftliche Inhaber des Geschäftsanteils Nr. 2 aus der Antragsgegnerin auszuschließen. Die Antragsteller haben die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt. Das Schiedsgericht hat sich mit Zwischenentscheid vom 25. August 2020 für zuständig erklärt, über den angekündigten Sachantrag zu entscheiden.
Rz. 5
Auf Antrag der Antragsteller hat das Oberlandesgericht den Zwischenentscheid aufgehoben und festgestellt, dass das Schiedsgericht zur Entscheidung über die in der Schiedsklage angekündigten Anträge unzuständig ist. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, deren Zurückweisung die Antragsteller beantragen.
Rz. 6
II. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die in § 19 des Gesellschaftsvertrags vereinbarte Schiedsklausel sei aufgrund der Einbeziehung von Beschlussmängelstreitigkeiten gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, weil sie den Mindestanforderungen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht genüge. Sie sei auch bei entsprechender Anwendung des § 139 BGB insgesamt nichtig. Der Wortlaut der Schiedsklausel, wonach "alle" Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis einer Entscheidung durch das Schiedsgericht zugeführt werden sollten, gebe Aufschluss darüber, dass vor allem eine einheitliche Regelung für sämtliche Streitigkeiten bezweckt gewesen sei. Aufgrund der Nichtigkeit der Schiedsklausel sei das Schiedsgericht für die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Ausschließungsklage nicht zuständig.
Rz. 7
III. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 574 Abs. 2, § 575 ZPO). Sie ist zudem begründet.
Rz. 8
1. Die Rechtsbeschwerde nimmt die Beurteilung des Oberlandesgerichts hin, dass die Schiedsklausel in § 19 des Gesellschaftsvertrags hinsichtlich der Einbeziehung von Beschlussmängelstreitigkeiten unwirksam ist, weil sie den Mindestanforderungen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2009 - II ZR 255/08, BGHZ 180, 221 Rn. 20 - Schiedsfähigkeit II; Urteil vom 26. Juni 2018 - II ZR 205/16, NJW 2018, 3014 Rn. 15 bis 19) nicht genügt. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
Rz. 9
2. Mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die vom Oberlandesgericht angenommene Gesamtnichtigkeit der Schiedsklausel in § 19 des Gesellschaftsvertrags.
Rz. 10
a) Gemäß § 139 BGB führt die Nichtigkeit eines Teils der vertraglichen Regelungen nur dann zur Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Die Vorschrift ist nach ihrem Sinngehalt grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn die Parteien anstelle der nichtigen Regelung, hätten sie die Nichtigkeit gekannt, eine andere, auf das zulässige Maß beschränkte vereinbart hätten. Dies setzt voraus, dass sich der Vertragsinhalt in eindeutig abgrenzbarer Weise in den nichtigen Teil und den von der Nichtigkeit nicht berührten Rest aufteilen lässt. Konkrete, über allgemeine Billigkeitserwägungen hinausgehende Anhaltspunkte müssen darüber hinaus den Schluss rechtfertigen, dass die Aufspaltung dem entspricht, was die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit ihrer Vereinbarung geregelt hätten (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1989 - II ZR 227/88, BGHZ 107, 351, 355 f. [juris Rn. 16]; Urteil vom 17. Oktober 2008 - V ZR 14/08, NJW 2009, 1135 Rn. 14; Urteil vom 7. Dezember 2010 - KZR 71/08, GRUR 2011, 641 Rn. 51 = WRP 2011, 768 - Jette Joop; Urteil vom 8. Februar 2019 - V ZR 176/17, NJW 2019, 2016 Rn. 25).
Rz. 11
b) Von diesen Grundsätzen ist das Oberlandesgericht ausgegangen und hat ausgeführt, die Schiedsklausel in § 19 des Gesellschaftsvertrags sei auch bei entsprechender Anwendung des § 139 BGB nach der gebotenen objektiven Auslegung insgesamt nichtig. Soweit eine Schiedsklausel generell das Ziel einer nichtöffentlichen, zügigen, auf eine Instanz begrenzten und im Vergleich zum Rechtszug vor den staatlichen Gerichten regelmäßig kostengünstigeren Entscheidung oder einvernehmlichen Erledigung der Streitfragen verfolge, lasse sich daraus nicht ableiten, welche Bedeutung dies für die hiesige Regelung habe. Vielmehr gebe der Wortlaut, wonach "alle" Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis einer Entscheidung durch das Schiedsgericht zugeführt werden sollten, Aufschluss darüber, dass vor allem eine einheitliche Regelung für sämtliche Streitigkeiten bezweckt gewesen sei. Dafür spreche auch die damit einhergehende Erleichterung für die Parteien bei der Zuständigkeitsprüfung im Falle des Auftretens einer Streitigkeit. Die bei Annahme einer gespaltenen Zuständigkeit bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten bärgen zudem ein Kosten- und Zeitrisiko. Die in § 20 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags aufgenommene salvatorische Klausel führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil mit ihr lediglich die Wirksamkeit der weiteren Vertragsbestimmungen in ihrer Gesamtheit gewährleistet werden solle, nicht jedoch die eines Teils einer einzelnen Klausel.
Rz. 12
c) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 13
aa) Zutreffend geht das Oberlandesgericht davon aus, dass der die Schiedsklausel enthaltende § 19 des Gesellschaftsvertrags der Antragsgegnerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, aufgrund seines körperschaftsrechtlichen Charakters objektiv auszulegen ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 1993 - II ZR 155/92, NJW 1994, 51, 52 [juris Rn. 13 bis 15]; BGHZ 180, 221 Rn. 28 - Schiedsfähigkeit II). Maßgeblich ist der schriftliche Vertrag nach seinem Wortlaut, Zusammenhang und Zweck; die Vorstellungen und der Wille der Gründungsgesellschafter, die im Gesellschaftsvertrag keinen Niederschlag gefunden haben, sind nicht zu berücksichtigen (zur Publikumspersonengesellschaft vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 15; Urteil vom 11. September 2018 - II ZR 307/16, NJW 2019, 157 Rn. 17). Die vom Oberlandesgericht vorgenommene Auslegung unterliegt der vollen Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2011 - II ZR 279/09, NZG 2011, 1420 Rn. 8).
Rz. 14
bb) Aus dem Umstand, dass die Vertragsschließenden "alle" Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis einer Entscheidung durch das Schiedsgericht zugeführt haben, kann nicht darauf geschlossen werden, sie hätten bei Kenntnis der Teilnichtigkeit der Schiedsvereinbarung eine umfassende Zuständigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit gegenüber einer gespaltenen Zuständigkeit bevorzugt.
Rz. 15
(1) Das Oberlandesgericht hat sich für die Auslegung der Schiedsklausel vor allem auf deren Wortlaut gestützt. Danach erstreckt sie sich auf "alle" Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis. Daraus hat das Oberlandesgericht anhand typisierender Erwägungen auf den Zweck der Schiedsklausel geschlossen, eine einheitliche Regelung für sämtliche Streitigkeiten vorzusehen und die mit einer gespaltenen Zuständigkeit einhergehenden Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden. Weitere Anhaltspunkte, die diesen Zweck stützen, hat das Oberlandesgericht nicht benannt.
Rz. 16
(2) Jedoch liefert der Wortlaut der Schiedsklausel, nach dem "alle" Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis erfasst werden, einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür, dass Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis - gleich aus welchen Motiven - umfassend der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen werden sollen. Das Oberlandesgericht hat bei seiner Auslegung übersehen, dass dieser Regelungszweck bei Annahme einer Gesamtnichtigkeit der Schiedsklausel vollständig leerliefe.
Rz. 17
cc) Danach ist die im Streit stehende Schiedsklausel nicht insgesamt nichtig. Die in einer "alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis" umfassenden Schiedsklausel zum Ausdruck kommende Intention, sämtliche Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis der staatlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen, führt mangels entgegenstehender konkreter Umstände im Falle der Teilnichtigkeit der Schiedsklausel zu ihrer Aufrechterhaltung im zulässigen Umfang (im Ergebnis so auch OLG München, Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 34 Sch 14/12, juris Rn. 103; Voit in Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl., § 1029 Rn. 10; Riegger/Wilske, ZGR 2010, 733, 746; Gentzsch/Hauser/Kapoor, SchiedsVZ 2019, 64, 67 bis 70).
Rz. 18
d) Die Schiedsklausel lässt sich darüber hinaus in eindeutig abgrenzbarer Weise in den nichtigen Teil und den von der Nichtigkeit nicht berührten Rest aufteilen. Der Begriff der Beschlussmängelstreitigkeiten ist in der Rechtsprechung hinreichend konturiert und hat auch Eingang in die Vertragspraxis gefunden (vgl. OLG München, Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 34 Sch 14/12, juris Rn. 7; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZB 3/14, NJW 2015, 3234 Rn. 8 und 15).
Rz. 19
3. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über eine Ausschließungsklage, wie sie im Streitfall zur Beurteilung steht, kann auf ein Schiedsgericht übertragen werden (vgl. Ulmer/Habersack in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., Anhang nach § 34 Rn. 31; MünchKomm.GmbHG/Strohn, 3. Aufl., § 34 Rn. 165 mwN; Kersting in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl., Anhang nach § 34 Rn. 16; Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., § 60 Rn. 87; vgl. auch BGH, Urteil vom 29. September 1983 - III ZR 213/82, WM 1983, 1207, 1208 [juris Rn. 19 bis 27]).
Rz. 20
IV. Danach ist der Beschluss des Oberlandesgerichts auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO); die Anträge der Antragsteller sind zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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