Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwerfung der Berufung. Rechtsbeschwerde. Zulässigkeitsvoraussetzungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung verwerfenden Beschluss.

 

Normenkette

ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 S. 4, § 519b Abs. 1 a.F.

 

Verfahrensgang

OLG Zweibrücken (Beschluss vom 06.03.2002)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 8. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 6. März 2002 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 19.349,89 EUR (37.845,10 DM).

 

Tatbestand

I.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 4. Januar 2002 zugestellte Urteil des Landgerichts am 29. Januar 2002 Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat, nachdem eine Berufungsbegründung bis dahin nicht eingegangen war, mit Beschluß vom 6. März 2002, der Beklagten zugestellt am 12. März 2002, die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verworfen.

Am 15. März 2002 hat die Beklagte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellt. Diesen Antrag hat das Berufungsgericht mit Beschluß vom 10. April 2002, der Beklagten zugestellt am 17. April 2002, zurückgewiesen.

Gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages hat die Beklagte am 23. April 2002 „sofortige Beschwerde” beim Bundesgerichtshof eingelegt (Az.: VIII ZR 38/02). Am gleichen Tag hat sie auch Rechtsbeschwerde gegen den die Berufung verwerfenden Beschluß vom 6. März 2002 eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist beantragt. Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde ist der Beklagten durch Verfügung vom 24. April 2002 antragsgemäß um zwei Monate verlängert worden. Die Beklagte hat die Rechtsbeschwerde am 15. August 2002 begründet und zugleich Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Begründungsfrist beantragt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Dem steht nicht entgegen, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 20.000 EUR nicht übersteigt. Die für Nichtzulassungsbeschwerden insoweit geltende Beschränkung (§ 26 Nr. 8 EGZPO) findet auf Rechtsbeschwerden keine Anwendung; dies gilt auch für die Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung verwerfenden Beschluß, obwohl gegen eine entsprechende Entscheidung durch Urteil die Nichtzulassungsbeschwerde erst bei Überschreiten der 20.000 EUR-Grenze gegeben wäre (Senatsbeschluß vom 4. September 2002 – VIII ZB 23/02, zur Veröffentlichung bestimmt).

Das Rechtsmittel ist jedoch unzulässig. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde versäumt hat und ob ihren dagegen gerichteten Wiedereinsetzungsanträgen stattzugeben wäre. Das Rechtsmittel ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).

1. Die Beklagte greift den angefochtenen Beschluß in erster Linie mit der Begründung an, daß die Fristversäumung, welche die Beklagte einräumt, unverschuldet gewesen sei. Dieses Vorbringen der Rechtsbeschwerde ist jedoch für den vom Berufungsgericht erlassenen Verwerfungsbeschluß nach § 519 b Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. (§ 26 Nr. 5 EGZPO) unerheblich und deshalb nicht geeignet, die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 ZPO darzutun.

Das Berufungsgericht hatte für seinen Beschluß, der allein die Verwerfung der Berufung ausspricht, nur zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 519 b Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. vorlagen. Dementsprechend kann ein solcher Verwerfungsbeschluß mit der Rechtsbeschwerde nur im Hinblick auf diese Voraussetzungen angefochten werden. Dagegen ist eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, die von der Beklagten erst nach dem angefochtenen Beschluß beantragt worden ist und über die das Berufungsgericht durch gesonderten, ebenfalls mit einer Rechtsbeschwerde angefochtenen Beschluß entschieden hat, im vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu prüfen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung zur sofortigen Beschwerde nach § 519 b Abs. 2 ZPO a.F. (zuletzt BGH, Beschluß vom 16. April 2002 – VI ZB 23/00, NJW 2002, 2397 m.Nachw.). Für die Rechtsbeschwerde gilt insoweit nichts anderes.

2. Das weitere Vorbringen der Beklagten, die angefochtene Entscheidung verletze die verfassungsrechtlichen Grundsätze eines fairen Verfahrens, weil das Berufungsgericht den Verwerfungsbeschluß ohne vorherige Anhörung der Beklagten erlassen habe, erfüllt ebenfalls nicht die Voraussetzungen für eine Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 ZPO. Eine Verletzung des grundrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör kann aus dem Vorbringen der Beklagten nicht hergeleitet werden, weil die Beklagte die Fristversäumung eingeräumt und sich nur auf mangelndes Verschulden berufen hat. Hierzu ist ihr aber rechtliches Gehör im Wiedereinsetzungsverfahren gewährt worden. Die Rüge der Beklagten ist damit überholt (BGH, Beschluß vom 3. November 1988 – LwZB 1/88, unveröffentlicht).

 

Unterschriften

Dr. Deppert, Dr. Beyer, Wiechers, Dr. Wolst, Dr. Frellesen

 

Fundstellen

Haufe-Index 884333

NJOZ 2003, 43

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