Entscheidungsstichwort (Thema)
sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 22. Mai 2000 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 40 Fällen, davon in 15 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Jugendlichen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten bleibt erfolglos, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Strafkammer hat hinsichtlich der ersten 15 Taten zum Nachteil der damals erst 15 Jahre alten Nebenklägerin zu Recht Tateinheit (§ 52 StGB) zwischen dem sexuellen Mißbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und dem sexuellen Mißbrauch von Jugendlichen (§ 182 Abs. 2 Nr. 1 StGB) angenommen; entgegen der Ansicht der Revision tritt § 182 StGB nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück (Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 182 Rdn. 11; Laufhütte in LK 11. Aufl. § 174 Rdn. 23; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 182 Rdn. 14; vgl. auch BGH NJW 1951, 530 zu § 182 StGB a.F.).
Die geschützten Rechtsgüter der beiden Vorschriften sind nicht identisch. Neben der gemeinsamen Schutzrichtung, die ungestörte sexuelle Entwicklung von jungen Personen zu ermöglichen, will § 174 StGB zusätzlich bestimmte schutzwürdige Beziehungen um ihrer sozialen Funktion willen von geschlechtlichen Einflüssen freihalten, während § 182 Abs. 2 StGB die Ausnutzung eines Reifemangels des Opfers betrifft. § 182 Abs. 2 StGB enthält gegenüber § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB weiteres tatbestandliches Unrecht, so daß die tateinheitliche Verurteilung eine das Unrecht klarstellende Funktion hat. Hier hat der Angeklagte seine Position als erziehender Stiefvater mißbraucht und darüber hinaus die krankheitsbedingte Unreife der Nebenklägerin ausgenutzt.
Dem steht nicht entgegen, daß nach der Rechtsprechung des Senats (BGHSt 42, 27) § 182 Abs. 2 Nr. 1 StGB hinter dem – hier nicht vorliegenden – sexuellen Mißbrauch von Kindern (§ 176 StGB) im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktritt. Grund für das Zurücktreten ist, daß der für § 182 Abs. 2 StGB erforderliche Reifemangel des Opfers bei den durch § 176 StGB geschützten Kindern unter 14 Jahren immer vorliegt.
Unterschriften
Schäfer, Wahl, Boetticher, Schluckebier, Kolz
Fundstellen
Haufe-Index 511570 |
NStZ 2001, 194 |