Leitsatz (amtlich)
Ein die Anwendung von § 1587 c Nr. 1 BGB rechtfertigender Härtegrund ist nicht schon dann anzunehmen, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht angewiesen ist, weil seine Altersversorgung auf andere Weise hinreichend gesichert ist.
Normenkette
BGB § 1587c Nr. 1
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Aktenzeichen 11 UF 204/95) |
AG Bad Neuenahr-Ahrweiler (Aktenzeichen 6 F 164/89) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Antragsgegners wird das Urteil des 11. Zivilsenats – 3. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Koblenz vom 1. Februar 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Antragsgegners gegen das Verbundurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 15. Dezember 1994 betreffend Nr. 3 der Entscheidungsformel (Versorgungsausgleich) zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 2.194,20 DM
Gründe
I.
Die 1940 geborene Antragstellerin und der 1937 geborene Antragsgegner haben am 31. August 1967 geheiratet. Sie haben zwei inzwischen erwachsene Töchter. Durch notariellen Vertrag vom 19. Dezember 1978 haben sie Gütertrennung vereinbart. Seit Herbst 1989 leben sie getrennt. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist dem Antragsgegner am 3. Oktober 1989 zugestellt worden.
Laut Auskünften der weiteren Beteiligten vom 31. Oktober 1990 bzw. 15. Februar 1991 hat der Antragsgegner Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung lediglich in der Zeit vor der Eheschließung erworben, und zwar in Höhe von 302,20 DM monatlich, die Antragstellerin Rentenanwartschaften ebenfalls in der gesetzlichen Rentenversicherung von insgesamt 814,40 DM monatlich, davon in der Ehezeit (1. August 1967 bis 30. September 1989, § 1587 Abs. 2 BGB) unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten 365,70 DM monatlich.
Die Antragstellerin ist seit Anfang 1979 nicht mehr berufstätig. Der Antragsgegner ist – zusammen mit seinem Bruder- Mitgesellschafter und Mitgeschäftsführer einer Gesellschaft, die ein metallverarbeitendes Unternehmen betreibt und 1993 ca. 50 Arbeitnehmer beschäftigte.
Der Antragsgegner hat in der Ehezeit eine Kapital-Lebensversicherung abgeschlossen, von der nur bekannt ist, daß der Rückkaufswert zum Ende der Ehezeit 24.926 DM zuzüglich 23.116 DM an Gewinnanteilen betrug. Nach der Ehezeit hat der Antragsgegner weitere Lebensversicherungen in unbekannter Höhe abgeschlossen.
Die Antragstellerin hat während der Ehezeit in erheblichem Umfang Grundbesitz erworben, der angeschafft wurde mit Mitteln aus dem Einkommen des Antragsgegners. Am Ende der Ehezeit war sie Eigentümerin von einem Mehrfamilienhaus, drei Hallen und zwei Einfamilienhäusern, von denen sie eines noch heute bewohnt. Der Grundbesitz war allerdings belastet, sein Marktwert und die Höhe der Belastungen sind zwischen den Parteien streitig. Die Antragstellerin gibt den Gesamtwert ihres Grundbesitzes mit 1.300.000 DM an und die Höhe der Belastungen mit 1.100.000 DM. Demgegenüber behauptet der Antragsgegner, der Grundbesitz sei 3.050.000 DM wert und die Belastungen beliefen sich auf allenfalls 500.000 DM.
1994 hat die Antragstellerin den größten Teil ihres Grundbesitzes verkauft. Den Kaufpreis gibt sie mit 2.425.000 DM an, nach Darstellung des Antragsgegners war er um ca. 240.000 DM höher. Der Käufer des Grundbesitzes ist nach Auskünften des Vereins Kreditreform in den Jahren 1991 und 1992 in einer Vielzahl von Fällen zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert worden, in einigen Fällen sind Haftanordnungen gegen ihn ergangen. Wie der Kaufvertrag letztlich abgewickelt worden ist, ist nicht aufgeklärt.
Der Antragsgegner hat 1990 ein repräsentatives Einfamilienhaus erworben, das er bewohnt.
Durch Verbundurteil vom 15. Dezember 1994 hat das Familiengericht u.a. die Ehe geschieden, den Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin als nachehelichen Unterhalt 3.000 DM monatlich zu zahlen und ausgesprochen, daß ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde. Mit seiner Berufung hat der Antragsgegner lediglich die Entscheidung zum Unterhalt und zum Versorgungsausgleich angefochten.
Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner zugelassenen weiteren Beschwerde will der Antragsgegner erreichen, daß zu seinen Gunsten der Versorgungsausgleich durchgeführt wird.
II.
Die weitere Beschwerde führt bezüglich der Entscheidung über den Versorgungsausgleich zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Das Oberlandesgericht führt aus, bei uneingeschränkter Durchführung des Versorgungsausgleichs seien im Wege des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB von dem Versicherungskonto der Antragstellerin auf das Versicherungskonto des Antragsgegners monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 182,85 DM zu übertragen. Nach Durchführung des Versorgungsausgleichs hätte die Antragstellerin dann Rentenanwartschaften in Höhe von 631,55 DM, der Antragsgegner in Höhe von 485,05 DM. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs sei aber als grob unbillig im Sinne von § 1587 c Nr. 1 BGB anzusehen. Der Antragsgegner lebe in hervorragenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Im Verhältnis dazu sei die Übertragung von Rentenanwartschaften in der in Frage kommenden Höhe ohne jede praktische Bedeutung. Er sei auf diese Rentenanwartschaften in keiner Weise angewiesen. Unter diesen Umständen sei die Übertragung der Rentenanwartschaften grob unbillig. Dem stehe nicht entgegen, daß auch die Antragstellerin wegen ihres erheblichen Grundvermögens nicht darauf angewiesen sei, die von ihr während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften in voller Höhe zu behalten.
Diese Ausführungen des Oberlandesgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand.
2. Gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung grob unbillig wäre. Das ist nur ausnahmsweise der Fall. Im Gegensatz zu der Annahme des Oberlandesgerichts ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine grobe Unbilligkeit i.S. dieser Vorschrift nicht schon dann anzunehmen, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht angewiesen ist, weil seine Altersversorgung auf andere Weise hinreichend gesichert ist. Der Sinn des Versorgungsausgleichs erschöpft sich nicht darin, eine unbefriedigende Altersversorgung des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu verbessern. Die Inanspruchnahme desjenigen, der während der Ehezeit die werthöheren Versorgungsanwartschaften erworben hat, wird vielmehr durch die eheliche Lebensgemeinschaft gerechtfertigt, die (auch) eine Versorgungsgemeinschaft ist. Trennt sich das Versorgungsschicksal der beiden Ehegatten wegen des Scheiterns der Ehe, so bewirkt der Versorgungsausgleich, daß die in der Ehezeit erworbenen Anrechte gemäß dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherungen gleichmäßig aufgeteilt werden. Beide Ehegatten haben dann nach Durchführung des Versorgungsausgleichs – bezogen auf den ehezeitlichen Erwerb – gleich hohe Versorgungsanrechte (Senatsbeschlüsse vom 21. Dezember 1994 - XII ZB 149/92 - FamRZ 1995, 413 f.; vom 16. Dezember 1981 - IVb ZB 555/80 - FamRZ 1982, 258; vom 23. März 1988 - IVb ZB 51/87 - FamRZ 1988, 709 f.). Die gesetzliche Regelung macht die gleichmäßige Verteilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte grundsätzlich nicht davon abhängig, ob der Ausgleichsberechtigte zu seiner sozialen Absicherung auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs angewiesen ist. Ebensowenig ist es von entscheidender Bedeutung, ob die auszugleichenden Anrechte im Verhältnis zu dem Vermögen und den Einkommensverhältnissen des Ausgleichsberechtigten eine ins Gewicht fallende Größe darstellen.
Ein Härtegrund i.S. des § 1587 c Nr. 1 BGB kann nach der Rechtsprechung des Senats allerdings dann bestehen, wenn nicht nur – wie im vorliegenden Fall – der ausgleichsberechtigte Ehegatte über Vermögen verfügt, durch das seine Altersversorgung uneingeschränkt abgesichert ist, sondern außerdem der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (Senatsbeschlüsse vom 16. Dezember 1981 aaO; vom 25. September 1991 - XII ZB 68/90 - FamRZ 1992, 47 = BGHR BGB § 1587 c Nr. 1 grobe Unbilligkeit 11 m.N.; vom 12. November 1980 - IVb ZB 503/80 - FamRZ 1981, 130, 132). Die Feststellungen des Oberlandesgerichts und auch der wenig präzise Vortrag der darlegungspflichtigen Antragstellerin zu ihren Vermögensverhältnissen rechtfertigen aber nicht die Annahme, daß im vorliegenden Fall diese Voraussetzungen auf seiten der Verpflichteten – der Antragstellerin – erfüllt sind. Das Oberlandesgericht geht im Gegenteil – ohne hierzu allerdings genaue tatsächliche Feststellungen zu treffen – davon aus, daß auch die Altersversorgung der Antragstellerin schon durch ihr erhebliches Grundvermögen hinreichend gesichert ist.
Die angefochtene Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Der Senat ist auch nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden. Entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts kommt die Durchführung des Versorgungsausgleichs in Betracht. Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich kann aber nicht auf der Grundlage der bisher vorliegenden Auskünfte über die Versorgungsanrechte der Parteien vom 31. Oktober 1990 bzw. 15. Februar 1991 ergehen. Die Rechtslage hat sich zunächst geändert durch das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (RRG 1992 vom 18. Dezember 1989 - BGBl I 2261). Danach müssen in noch nicht abgeschlossenen Fällen des Versorgungsausgleichs, wenn das Ehezeitende vor dem 1. Januar 1992 liegt, neue Rentenauskünfte auf der Grundlage des jetzt geltenden Rentenrechts mit seinen abweichenden Bemessungsgrundlagen eingeholt werden (vgl. Senatsbeschluß vom 5. Oktober 1994 - XII ZB 129/92 - FamRZ 1995, 88, 90 m.N.). Außerdem sind die den vorliegenden Auskünften zugrundeliegenden Bestimmungen bezüglich der Bewertung der Kindererziehungszeiten durch das Rentenreformgesetz 1999 (BGBl 1997 I 2998 f.) geändert worden. Die Sache muß an das Oberlandesgericht zurückverwiesen werden, damit es die notwendigen Feststellungen nachholen kann.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Hahne, Gerber, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 539554 |
NJW-RR 1999, 801 |
NJWE-FER 1999, 202 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 1999, 338 |
MDR 1999, 680 |