Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 28.05.2019; Aktenzeichen 803 Js 1170/18 35 KLs 49/18) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 28. Mai 2019
im Schuldspruch – auch soweit es die Mitangeklagte C. betrifft – dahin abgeändert, dass
aa) der Angeklagte wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in vier Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und
bb) die Mitangeklagte C. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in drei Fällen verurteilt ist;
- im Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs dahin abgeändert, dass vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt neun Monate der gegen ihn verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zu vollziehen sind.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „bandenmäßiger Einfuhr und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem weiteren Fall” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und einen Vorwegvollzug der Gesamtfreiheitsstrafe „von weiteren zwei Monaten” angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt – auch hinsichtlich der nichtrevidierenden Mitangeklagten – zu den aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderungen im Schuldspruch und zur Änderung des Ausspruchs über die Dauer des Vorwegvollzugs. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 2
Nach den Feststellungen des Landgerichts kam der Angeklagte im Tatkomplex II.2 mit der Mitangeklagten C. und dem ehemaligen Mitangeklagten L. überein, fortgesetzt Heroin aus den Niederlanden nach Deutschland einzuführen. Die Betäubungsmittel waren jeweils von Anfang an zu 70 % für den gewinnbringenden Verkauf durch den Angeklagten und die Mitangeklagte C. und zu 30 % für deren Eigenkonsum bestimmt. L. kam lediglich die Aufgabe als Fahrer bis zur niederländischen Grenze zu. Der Angeklagte organisierte die Betäubungsmittelübergaben in den Niederlanden und die Einfuhrfahrten. Die Mitangeklagte C. führte aufgrund dieser Abreden von Mitte 2018 bis Oktober 2018 in drei Fällen jeweils 100 g Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von 40 % nach Deutschland ein. In einem weiteren Fall bediente sich der Angeklagte des L. als Fahrer und führte am 3. Oktober 2018 weitere 100,84 g Heroin mit einer Wirkstoffmenge von 49,6 g Heroinhydrochlorid nach Deutschland ein.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
Die konkurrenzrechtliche Bewertung dieser Fälle hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Schuldsprüche sind daher wie aus der Beschlussformel ersichtlich zu ändern.
Rz. 4
1. a) Soweit die einzuführenden Heroinmengen zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt waren, verbindet der hierdurch erfüllte Tatbestand des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Sinne von § 30a Abs. 1 BtMG alle im Rahmen desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte vom Erwerb bis zur Veräußerung einschließlich der unerlaubten Einfuhr zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Juli 1994 – 3 StR 138/94, BGHR BtMG § 30a Konkurrenzen 1; Beschluss vom 7. Oktober 2003 – 1 StR 385/03). Hinsichtlich des auf die Handelsmengen entfallenden Anteils der Betäubungsmittel ist deshalb eine tateinheitliche Verurteilung wegen bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2012 – 4 StR 440/12, Rn. 4).
Rz. 5
b) Eigenständige Bedeutung erlangt die bandenmäßige Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringe Menge indes insoweit, als ein Teil der Betäubungsmittel für den Eigenkonsum der Angeklagten bestimmt war. Die Einfuhr erweist sich dann nicht als unselbständiger Teilakt des Handeltreibens, wenn – wie hier – die durch einen einheitlichen Vorgang erworbene Menge des Betäubungsmittels teils für den gewinnbringenden Weiterverkauf und teils für den Eigenkonsum bestimmt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2016 – 1 StR 38/16, Rn. 13 bzgl. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG; vgl. bereits BGH, Beschluss vom 1. März 2007 – 3 StR 55/07, NStZ 2007, 529 bzgl. § 29 BtMG; siehe auch BGH, Urteil vom 3. April 2008 – 3 StR 60/08, NStZ 2008, 471 bzgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1 und § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG). Mit Blick auf die gleichzeitige Einfuhr einer Eigenkonsummenge steht das bandenmäßige Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge insoweit in Tateinheit mit der bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitteln (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2016 – 1 StR 38/16, Rn. 12 und 14). Hinsichtlich der Eigenverbrauchsmenge tritt jedoch der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinter der bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitteln zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 1992 – 5 StR 628/91, NStZ 1992, 320, 322; Beschluss vom 25. November 2009 – 2 StR 344/09, NStZ-RR 2010, 119). Die Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat deshalb zu entfallen.
Rz. 6
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der umfassend geständige Angeklagte anders als geschehen verteidigt hätte. Auf den Strafausspruch hat sich die rechtliche Bewertung der Tat durch das Landgericht nicht ausgewirkt.
Rz. 7
2. Gemäß § 357 StPO ist die Berichtigung des Schuldspruchs auf die nicht revidierende Mitangeklagte C. zu erstrecken, soweit sie an drei der vier Taten beteiligt war. Auch bei ihr bleibt aus den dargelegten Gründen der Strafausspruch bestehen.
Rz. 8
3. Die Anordnung eines Vorwegvollzugs von „weiteren zwei Monaten” der Gesamtfreiheitsstrafe hat keinen Bestand. Bei der Bestimmung des teilweisen Vorwegvollzugs der Strafe nach § 67 Abs. 2 StGB hat die erlittene Untersuchungshaft außer Betracht zu bleiben, weil sie im Vollstreckungsverfahren auf den vor der Unterbringung zu vollziehenden Teil der Strafe anzurechnen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2018 – 1 StR 93/18, Rn. 4). Angesichts der vom Landgericht bestimmten voraussichtlich erforderlichen Behandlungsdauer von zwei Jahren ist deshalb gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 StGB mit Blick auf eine mögliche Strafrestaussetzung zum Halbstrafenzeitpunkt ein Vorwegvollzug von neun Monaten anzuordnen. Der Senat kann den Urteilstenor entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst abändern, da die Grundlagen der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs rechtsfehlerfrei festgestellt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2015 – 1 StR 494/15, Rn. 5). Der Senat sieht davon ab auszusprechen, dass der Vorwegvollzug entfällt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. März 2016 – 3 StR 37/16; Beschluss vom 10. Dezember 2008 – 5 StR 551/08, NStZ-RR 2009, 233). Den Urteilsgründen ist zwar zu entnehmen, dass sich der Angeklagte seit dem 8. Oktober 2018 in Untersuchungshaft befindet; es bleibt jedoch unklar, ob die Untersuchungshaft seither ununterbrochen vollzogen worden ist.
Rz. 9
4. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels des Angeklagten rechtfertigt es nicht, ihn von den Kosten des Revisionsverfahrens teilweise freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, RiBGH Cierniak ist erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible, Quentin, Rommel
Fundstellen
Haufe-Index 13851877 |
NStZ-RR 2020, 179 |