Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 28.02.2018) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 28. Februar 2018 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem schweren Raub verurteilt wird.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, eine Kompensationsentscheidung getroffen und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Rz. 3
Der Angeklagte drang in die Wohnung des Geschädigten B. ein, den er im Besitz einer größeren Geldsumme wähnte, und forderte ihn zur Herausgabe von Geld und Wertgegenständen auf. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, versetzte er dem Tatopfer – in einer ersten Phase des Tatgeschehens – Faustschläge ins Gesicht. Da er weder Geld erhalten noch finden konnte (2.300 EUR, die in einer Socke versteckt waren, fand er nicht) und er dem Geschädigten nicht glaubte, dass dieser kein Geld in der Wohnung hatte, entschloss er sich, die Gewalteinwirkung zu intensivieren und schlug seinem Opfer mit einer Zange mindestens einmal auf den Hinterkopf, was zu einer blutenden, aber nicht lebensgefährlichen Kopfverletzung führte. Dem Angeklagten war bewusst, dass dies erhebliche Schmerzen verursacht, der Geschädigte sollte aber nicht das Bewusstsein verlieren oder gar versterben, was dessen Mitwirkung bei der Suche nach Geldverstecken vereitelt hätte.
Rz. 4
Nach weiterer vergeblicher Suche erkannte der Angeklagte, dass sein Plan, Beute zu machen, gescheitert war. Ihm stand vor Augen, dass damit seine finanzielle Misere fortbestehen würde. Aus Wut hierüber schlug der Angeklagte nunmehr in einer zweiten Phase des Tatgeschehens mit jedenfalls bedingtem Tötungsvorsatz massiv mit der Zange auf das Tatopfer ein, wodurch dieses u.a. Impressionsbrüche beidseits des Hirnschädels, Brüche beider Augenhöhlendächer, einen Jochbeinbruch rechts, einen Abbruch des Oberkiefers von der knöchernen Schädelbasis sowie stark nach innen blutende Gesichtsschädelverletzungen im Bereich der Mundregion erlitt. Sodann fügte der Angeklagte dem rücklings auf seinem Bett zu liegen gekommenen Opfer entweder durch mehrfaches Springen oder durch gewaltsames Niederknien Rippenserienbrüche, Abbrüche von Lendenwirbeln, Brüche am Brustbein und am Schulterblatt sowie eine Lungenanspießungsverletzung zu. Dem Angeklagten war bewusst, dass die Intensität dieser Gewalteinwirkung über das für eine Tötung erforderliche Maß hinausging und dass sein Opfer unter massiven Schmerzen und Todesangst litt. Der Angeklagte verließ sodann die Wohnung des Geschädigten, ohne etwas mitzunehmen; das Opfer verstarb etwa eine halbe Stunde später an den Folgen der in der zweiten Tatphase zugefügten Verletzungen.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 5
Die Revision des Angeklagten führt zu einer Korrektur des Schuldspruchs, im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 6
1. Die Verfahrensrüge ist entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht ausgeführt und daher unzulässig.
Rz. 7
2. Auf die Sachrüge ist der Schuldspruch zu berichtigen. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte nicht wegen versuchten Raubes mit Todesfolge, sondern wegen versuchten schweren Raubes (§§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1b, §§ 22, 23 StGB) strafbar gemacht. Die dem Opfer in der zweiten Phase des Tatgeschehens zugefügten tödlichen Verletzungen waren nicht mehr durch die Raubtat verursacht.
Rz. 8
a) Wer beim Versuch eines Raubes mindestens leichtfertig den Tod eines Menschen verursacht, ist wegen versuchten Raubes mit Todesfolge (§§ 249, 251, 22, 23 Abs. 1 StGB) zu bestrafen. Dies gilt auch dann, wenn der Täter den Tod vorsätzlich herbeigeführt hat (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 1992 – GSSt 1/92, BGHSt 39, 100). Allerdings kann im Hinblick auf die deutlich erhöhte Strafdrohung in § 251 StGB von einer „wenigstens leichtfertigen” Todesverursachung „durch die Tat” nur dann ausgegangen werden, wenn nicht nur der Ursachenzusammenhang im Sinne der Bedingungstheorie gegeben ist, sondern sich im Tod des Opfers tatbestandsspezifische Risiken verwirklichen, die typischerweise mit dem Grundtatbestand einhergehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dieser besondere qualifikationsspezifische Zusammenhang unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Schutzzwecks der Norm auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht, was auch noch in der Beendigungsphase des Raubes in Betracht kommen kann.
Rz. 9
Hiervon ausgehend ist der von § 251 StGB geforderte Gefahrzusammenhang etwa dann bejaht worden, wenn die mit dem Einsatz der Nötigungsmittel zur Wegnahme regelmäßig verbundene Konfrontation mit dem Opfer dazu führt, dass das Opfer sich zum Zweck der Tatverhinderung und/oder der Ergreifung des Täters zur Wehr setzt und der Täter darauf mit tödlicher Gewalt reagiert (BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 – 3 StR 319/98, Rn. 5), wenn der Täter nach der Wegnahmehandlung zur Sicherung der Beute oder seiner Flucht Gewalt anwendet und dadurch den Tod eines anderen verursacht (vgl. BGH, Urteile vom 15. Mai 1992 – 3 StR 535/91, BGHSt 38, 295, 297 ff.; vom 27. Mai 1998 – 3 StR 66/98, NJW 1998, 3361, 3362; vom 23. Dezember 1998 – 3 StR 319/98, NJW 1999, 1039 f.), wenn mit dem Nötigungsmittel ausgeführte Gewalteinwirkungen dazu dienten, das Tatopfer zum Schweigen zu bringen und dadurch eine Entdeckung der Tat zu verhindern (Senat, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 2 StR 130/17, NStZ 2017, 638 mit krit. Anmerkung Kudlich), wenn aus der Befürchtung entdeckt zu werden oder aufgrund anspannungsbedingter Fehleinschätzung ein nichtiger Anlass oder ein Missverständnis zu einem Gewaltausbruch des Täters gegenüber dem Opfer führt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 StR 72/15, NStZ 2016, 211, 214) oder wenn sich bei einer räuberischen Erpressung unter Verwendung einer Schusswaffe die Gefahr der Eskalation durch den – dann tödlichen – Gebrauch der Waffe verwirklicht, weil das Opfer die Forderungen des Täters nicht erfüllt (BGH, Beschluss vom 13. August 2002 – 3 StR 204/02, NStZ 2003, 34).
Rz. 10
b) Ob an dieser Rechtsprechung in jeder Hinsicht festzuhalten ist (zustimmend: Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 251 Rn. 4; Otto JZ 93, 559, 569; Otto/Petersen Jura 1999, 480, 482; Schroth NStZ 1999, 554; kritisch: LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 251 Rn. 7; MünchKomm-StGB/Sander, 3. Aufl., § 251 Rn. 11; SSW/Kudlich, StGB, 4. Aufl., § 251 Rn. 6; BeckOK-StGB/Wittig, 42. Ed. § 251 Rn. 5.1; Lackner/Kühl/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 251 Rn. 1; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 251 Rn. 5 mwN), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn auch nach ihr kann sich der von § 251 StGB geforderte besondere qualifikationsspezifische Zusammenhang nicht mehr realisieren, wenn bei der zum Tode führenden Gewaltanwendung der Raub bzw. die räuberische Erpressung bereits beendet war (vgl. nur BGH, Urteile vom 15. Mai 1992 – 3 StR 535/91, aaO; vom 14. Januar 2016 – 4 StR 72/15, aaO mwN). Dem steht es gleich, wenn der Raub bzw. die räuberische Erpressung lediglich versucht und zum Zeitpunkt der tödlichen Gewalteinwirkung die Erlangung einer Tatbeute aus Sicht des Täters bereits endgültig gescheitert war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – anders als in dem mit Beschluss vom 13. August 2002 (3 StR 204/02, aaO) entschiedenen Fall – der Täter mit der dann tödlich verlaufenden Gewalteinwirkung auf das Tatopfer erst beginnt, nachdem aus seiner Sicht die Erlangung der erstrebten Beute durch keine Handlungsalternative mehr verwirklicht werden kann, eine Fortsetzung der Tat als (versuchtes) Vermögensdelikt also nicht mehr in Betracht kommt. So verhält es sich nach den getroffenen Feststellungen hier: Als sich der Angeklagte zur Tötung seines Opfers entschloss, nahm er an, in der Wohnung des Opfers seien weder Geld noch Wertgegenstände zu finden, seine finanzielle Misere würde fortbestehen. Bei dieser Sachverhaltskonstellation waren die zugefügten tödlichen Verletzungen nicht mehr durch die Raubtat im Sinne des § 251 StGB verursacht.
Rz. 11
c) Zwischen dem versuchten schweren Raub und dem dann beginnenden Tötungsdelikt dürfte regelmäßig Tatmehrheit bestehen. Gleichwohl hat die Annahme des Landgerichts, zwischen dem Vermögens- und dem Tötungsdelikt bestehe Tateinheit, Bestand; sie beschwert den Angeklagten hier nicht.
Rz. 12
d) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.
Rz. 13
3. Im Übrigen hat die umfassende Nachprüfung des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat kann insbesondere ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung des Vermögensdelikts auf eine geringere als lebenslange Freiheitsstrafe erkannt oder eine besondere Schuldschwere (§ 57a StGB) verneint hätte, zumal es insoweit als straferschwerend (nur) berücksichtigt hat, dass der Angeklagte neben dem abgeurteilten Mord tateinheitlich einen „versuchten schweren Raub” verwirklicht hat.
Unterschriften
Franke, Krehl, Eschelbach, Meyberg, Grube
Fundstellen
Haufe-Index 13299196 |
NJW 2019, 3662 |
NStZ 2019, 6 |
NStZ 2019, 730 |
JA 2019, 950 |
JuS 2019, 1219 |
NStZ-RR 2019, 5 |
RÜ 2019, 645 |
StV 2020, 238 |