Entscheidungsstichwort (Thema)
Totschlag
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 15. Mai 1996 wird als unzulässig verworfen.
Damit erledigt sich auch sein Antrag vom 13. Oktober 1999, ihm gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
In seiner – der Verteidigung und auch dem Verurteilten selbst übersandten – Antragsschrift vom 9. März 2000 führt der Generalbundesanwalt zutreffend aus:
„I. Es ist von folgendem Gang des Verfahrens auszugehen:
1. Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 15. Mai 1996 wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt (Bd. IV Bl. 1402 d.A.). Ausweislich des Protokolls hat der Angeklagte nach Urteilsverkündung, der Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung und nach Rücksprache mit seinem Verteidiger auf Rechtsmittel verzichtet.
2. Der Angeklagte verbüßt z.Zt. Strafhaft in dieser Sache in der Justizvollzugsanstalt Straubing. Er beantragte am 13. Oktober 1999 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Straubing, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision zu gewähren.
Der Angeklagte stellte folgenden Antrag:
‚Wegen unverschuldeter Fristversäumnis wird dem Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgericht München I vom 15. Mai 1996 … und Begründung der Revisionsanträge … gewährt … .
Auf die Revision des Beschwerdeführers wird der Rechtsfolgenausspruch des Urteils des Landgerichts München I vom 15. Mai 1996 … mitsamt den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts München I zurückverwiesen….’
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages trägt der Angeklagte vor, er habe den Rechtsmittelverzicht nur erklärt, weil nach Auskunft seines Verteidigers der Vorsitzende Richter der Strafkammer wie auch der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft vor dem Rechtsmittelverzicht verbindlich zugesagt hätten, zum Halbstrafenzeitpunkt von der Möglichkeit des § 456a StPO Gebrauch zu machen (Bd. IV Bl. 1433, 1434, 1462 d.A.).
Er ist im übrigen der Auffassung, sein Wiedereinsetzungsantrag sei rechtzeitig gestellt (§ 45 Abs. 1 StPO), und macht Ausführungen zum Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses (Bd. IV Bl. 1462).
3. Zur Frage einer Absprache bzw. möglichen Täuschung des Angeklagten vor Abgabe des Rechtsmittelverzichts haben sich der Vorsitzende der Strafkammer und der damalige Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft dienstlich geäußert.
Der Vorsitzende Richter Dr. H. hat hierzu erklärt:
‚Nach Durchsicht der Unterlagen, Rücksprache mit Verteidiger und Staatsanwalt kann ich mit Sicherheit feststellen, daß dem Verurteilten keine verbindliche Zusage gemacht wurde. Der Fall ist mir erinnerlich. Es wurde über die Möglichkeit der Abschiebung gesprochen; es wurde aber nicht einmal Rücksprache mit der Vollstreckungsbehörde genommen oder konkrete Angaben zum Zeitpunkt einer möglichen Abschiebung gemacht.’
Staatsanwalt L. hat sich hierzu dienstlich wie folgt geäußert:
‚Aus meiner Erinnerung an den damaligen Gang der Hauptverhandlung kann ich sagen, daß dem Verurteilten seitens des Sitzungsvertreters keinerlei Zusagen hinsichtlich einer vorzeitigen Entlassung bzw. Abschiebung mit eventueller Reststrafenaussetzung gemacht wurden. Mangels Zuständigkeit für Erwachsenenvollstreckungsfragen werden meinerseits im Rahmen der Hauptverhandlung niemals Zusicherungen (oder auch nur Aussichten) hinsichtlich des „Obs” bzw. des Zeitpunkts einer möglichen Entlassung gegeben. So verhielt es sich auch in diesem Fall.’
II. Die Revision ist unzulässig.
1. Mit seinem Antrag auf Wiedereinsetzung macht der Angeklagte nicht geltend, er habe ohne eigenes Verschulden versäumt, die Frist von einer Woche nach Urteilsverkündung zur Einlegung der Revision einzuhalten, sondern er sei durch Versprechungen, deren Einhaltung nicht beabsichtigt gewesen sei, zur Abgabe eines Rechtsmittelverzichts veranlaßt worden (§ 300 StPO; vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 12). Seine Erklärung, auf Rechtsmittel zu verzichten, sei unwirksam, weil sie auf Täuschung beruhe.
2. Der Rechtsmittelverzicht des Angeklagten ist wirksam.
Ein Rechtsmittelverzicht ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr., vgl. u.a. BGHSt 5, 338, 341; BGH NStZ 1986, 278; BGH StV 1994, 64; BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 1, 4, 5, 8, 15). Ausnahmsweise kann jedoch der Rechtsmittelverzicht eines Angeklagten wegen unzulässiger Willensbeeinflussung unwirksam sein (vgl. Ruß in KK StPO, 4. Aufl., § 302 Rdn. 13; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl., § 302 Rdn. 24). Das wird z.B. angenommen, wenn der Vorsitzende unzuständigerweise eine Zusage abgegeben hat, die nicht eingehalten worden ist (BGH NJW 1995, 2568; BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 14), oder wenn auf Grund einer unzulässigerweise vor Erlaß des Urteils im Rahmen einer verfahrensbeendenden Absprache getroffenen Vereinbarung ein Rechtsmittelverzicht erklärt wird (BGH NStZ 2000, 96).
Entgegen der Auffassung von Schlüter in SK/StPO vor § 213 Rdn. 52 kann die Unwirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts nicht aus enttäuschten Erwartungen hergeleitet werden (BGH aaO; BGH StV 1994, 64; BGH NStZ-RR 1997, 173 f.).
Aufgrund der dienstlichen Erklärung von Vorsitzenden Richter Dr. H. und Staatsanwalt L. steht fest, daß eine Absprache nicht getroffen wurde und dem Angeklagten auch nicht vorgespiegelt wurde, im Falle eines Rechtsmittelverzichts werde zum Halbstrafenzeitpunkt von der weiteren Strafvollstreckung gemäß § 456a StPO abgesehen werden. Eine unzulässige Willensbeeinflussung des Angeklagten vor seiner Verzichtserklärung hat mithin nicht stattgefunden.
3. Die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts führt dazu, daß die Revision gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen ist (vgl. BGH NStZ 1984, 181).”
Unterschriften
Maul, Granderath, Wahl, Boetticher, Schluckebier
Fundstellen