Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweissicherungsverfahren. Verfahrenskosten. Gesonderte Kostenentscheidung. Kostenerstattung. Erstattungsfähigkeit. Verwertung des Beweisergebnisses
Leitsatz (amtlich)
a) Die im selbstständigen Beweisverfahren entstandenen Gerichtskosten stellen gerichtliche Kosten des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens dar.
b) Über diese Kosten kann ggf. gem. § 96 ZPO gesondert entschieden werden.
c) Die Erstattungsfähigkeit der gerichtlichen Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens auf Grund des Kostenausspruchs im Urteil hängt nicht davon ab, ob das Beweisergebnis verwertet worden ist.
Normenkette
ZPO §§ 91, 96, 494a
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 16.10.2003; Aktenzeichen 2/13 T 183/03) |
AG Bad Homburg |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. v. 16.10.2003 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gegenstandswert: 607,16 EUR.
Gründe
I.
Die Beklagte wendet sich dagegen, dass im Kostenfestsetzungsverfahren Auslagen für ein Gutachten des Sachverständigen M. (1.040,72 EUR) in den Kostenausgleich eingestellt und sie insoweit zu der im Kostenausspruch des Urteils des AG angegebenen Quote belastet worden ist.
Die Beklagte war von der Klägerin mit der Reparatur eines Abwasserkanals auf deren Grundstück beauftragt. Die ursprünglich u.a. angebotene Position "Pumpensumpf-Schacht neu erstellen" wurde einvernehmlich aus dem Auftrag herausgenommen. Nach Abschluss der Arbeiten drang Wasser in den Keller ein. Die Klägerin führte deshalb ein selbstständiges Beweisverfahren gegen die Beklagte durch. Ein in jenem Verfahren u.a. vom Sachverständigen M. erstattetes Gutachten gelangte zu dem Ergebnis, das Speichervolumen des Pumpensumpfes sei zu klein.
Die Klage auf Zahlung eines Kostenvorschusses und Feststellung diesbezüglich weiter gehender Zahlungspflicht war erfolglos, weil nach Ansicht des AG die Herstellung eines größeren Pumpensumpfes von der Beklagten vertraglich nicht geschuldet gewesen sei. Die Widerklage der Beklagten, mit der sie u.a. die Feststellung begehrt hat, dass die Klägerin die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens zumindest hinsichtlich der Kosten des Sachverständigen M. zu tragen habe, hat das AG für unzulässig gehalten. Das Urteil, das der Klägerin 52,5 % und der Beklagten 47,5 % der Kosten auferlegt, ist rechtskräftig.
Im Kostenfestsetzungsbeschluss hat das AG die der Klägerin von der Beklagten zu erstattenden Kosten auf 1.781,52 EUR festgesetzt. Mit der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat die Beklagte gerügt, die von der Klägerin geltend gemachten Kosten seien um die Auslagen für das vom Sachverständigen M. erstattete Gutachten zu kürzen. Es handele sich insoweit nicht um notwendige Kosten des Rechtsstreits, nachdem diese Beweiserhebung für die Entscheidung unerheblich gewesen sei.
Das LG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
II.
1. Das LG ist der Ansicht, die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens seien bei der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen gewesen. Nach überwiegender Auffassung komme es nicht darauf an, ob die Beweiserhebung im Hauptprozess verwertet worden sei. Maßgeblich sei vielmehr, ob die Klägerin aus objektiver Sicht zu der Zeit, da sie ein selbstständiges Beweisverfahren eingeleitet habe, dieses für notwendig habe halten dürfen. Nach Ansicht der Klägerin noch im Hauptsacheverfahren sei die Neuherstellung des Pumpensumpfes Gegenstand des Werkvertrages und die Werkleistung folglich mangelhaft gewesen. Auf die Sicherung der Beweise im selbstständigen Beweisverfahren habe sie nicht deshalb verzichten müssen, weil die Möglichkeit bestanden habe, dass das Gericht der Hauptsache den Vertrag abweichend auslegen und ohne Verwertung der Beweiserhebung entscheiden könnte.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
Die im selbstständigen Beweisverfahren entstandenen gerichtlichen Kosten, also die Gebühren, aber auch die Auslagen wie diejenigen für einen gerichtlich bestellten Sachverständigen, stellen gerichtliche Kosten des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens dar. Voraussetzung hierfür ist, dass Parteien und der Streitgegenstand des Beweisverfahrens wie des Hauptprozesses identisch sind (vgl. BGH, Beschl. v. 18.12.2002 - VIII ZB 97/02, MDR 2003, 596 = BGHReport 2003, 643 = NZBau 2003, 276).
Das LG geht in Übereinstimmung mit den Parteien davon aus, dass es sich bei dem vor dem AG B. geführten Rechtsstreit der Parteien um den Hauptprozess gehandelt hat. Daher hat die im Urteil des AG getroffene Kostenentscheidung die gerichtlichen Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens mit umfasst (vgl. BGH, Urt. v. 11.5.1989 - VII ZR 39/88, MDR 1989, 985 = BauR 1989, 601). Von der Möglichkeit, bei der Kostenentscheidung in entsprechender Anwendung des § 96 ZPO gesondert über die Kosten des Beweisverfahrens zu befinden, hat das AG keinen Gebrauch gemacht. Eine Korrektur der Kostengrundentscheidung im Wege der Kostenfestsetzung scheidet aus.
Die entstandenen gerichtlichen Kosten sind hiernach gemäß der im Kostenausspruch des Urteils angegebenen Quote von den Parteien anteilig zu tragen, ohne dass es darauf ankäme, ob das Beweisergebnis, soweit es sich im Gutachten des Sachverständigen M. niedergeschlagen hat, verwertet worden ist.
Die Einbeziehung der gerichtlichen Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens in den im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens der Hauptsache vorzunehmenden Kostenausgleich kann nicht mit der Begründung verneint werden, mangels Verwertung des Beweisergebnisses seien die Kosten nicht notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO (vgl. BGH, Beschl. v. 22.5.2003 - VII ZB 30/02, MDR 2003, 1130 = BGHReport 2003, 1034 = BauR 2003, 1255 = ZfBR 2003, 566 = NZBau 2003, 500). Denn gerichtliche Kosten sind stets auch als notwendig zu erachten, wenn sie mit dem Kostenrecht übereinstimmen (vgl. Belz in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 91 Rz. 21; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 91 Rz. 14).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1205651 |
BGHR 2004, 1529 |
BauR 2004, 1487 |
IBR 2004, 609 |
JurBüro 2005, 40 |
ZfIR 2005, 264 |
DAR 2004, 583 |
MDR 2004, 1372 |
Rpfleger 2004, 588 |
ZfBR 2004, 788 |
AGS 2004, 354 |
BauSV 2005, 63 |
BrBp 2004, 475 |
GuT 2004, 189 |
NJW-Spezial 2005, 72 |
NZBau 2005, 44 |
RENOpraxis 2005, 9 |
RVG-B 2005, 42 |
BauRB 2004, 332 |
Mitt. 2004, 572 |
ProzRB 2005, 129 |