Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 28.06.2019; Aktenzeichen 901 Js 585/13 97 KLs 1/17)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 28. Juni 2019 dahin ergänzt, dass von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten zwei Monate Freiheitsstrafe als Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen bandenmäßig unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen unter Freispruch im Übrigen und unter Einbeziehung einer weiteren Entscheidung zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Auf die auf das Strafmaß beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat das Urteil im Strafausspruch aufgehoben. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.

Rz. 2

1. Die auf die allgemeine Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Rz. 3

2. Die in den Urteilsgründen getroffene Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ist um eine Kompensation für den angenommenen Konventionsverstoß (Art. 6 Abs. 1, Art. 13, 34 EMRK; Art. 2, 20 Abs. 3 GG) zu ergänzen.

Rz. 4

a) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das gegen den Angeklagten gerichtete Strafverfahren jedenfalls nach der Senatsentscheidung vom 26. Oktober 2016 bis zur erneuten Entscheidung des Landgerichts vom 28. Juni 2019 nicht ausreichend gefördert worden ist. Vor dem Hintergrund dieser zumindest zweijährigen Verzögerung des Verfahrens erweist sich zudem die Dauer des Revisionsverfahrens von neun Monaten als nicht mehr angemessen.

Rz. 5

b) Die bloße Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung trägt dem Gewicht des Konventionsverstoßes nicht in genügender Weise Rechnung. Der Angeklagte musste nach Aufhebung des Strafausspruchs aus dem letztinstanzlichen Urteil befürchten, dass es zu einer Verschärfung des Strafausspruchs kommt. Zudem lässt sich den Urteilsgründen entnehmen, dass im Zeitraum der Verfahrensverzögerung ein Haftbefehl gegen den Angeklagten ergangen ist, der nach seiner Auslieferung in die Bundesrepublik Deutschland teilweise vollstreckt worden ist. Diese belastenden Umstände hat das Landgericht bei seiner Annahme, es habe keine „unverhältnismäßige Belastung des Angeklagten durch die Verfahrensverzögerung” gegeben, nicht in den Blick genommen; im Übrigen ist die vom Landgericht in diesem Zusammenhang angestellte Erwägung, der Angeklagte sei nach seiner Haftentlassung am 21. Juni 2016 einer ausgiebigen Reisetätigkeit nachgegangen, für die Frage einer Belastung durch konventionswidrige Verfahrensverzögerungen nicht aussagekräftig. Der Senat, der über die Kompensation in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1a StPO selbst entscheiden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 3. November 2011 – 2 StR 302/11, NJW 2012, 146; BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 – 5 StR 578/19 je mwN), stellt deshalb fest, dass von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zwei Monate Freiheitsstrafe als Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.

Rz. 6

Da die Revision des Angeklagten nur einen geringen Teilerfolg hat, ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

 

Unterschriften

Franke, Krehl, Grube, Schmidt, RiBGH Wenske ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Franke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14025636

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