Leitsatz (amtlich)
Eine Versorgungsrente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, die ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich bereits bezieht, ist, wenn sonst kein höheres Anrecht aus der Zusatzversorgung besteht, in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen, und zwar unabhängig davon, ob im konkreten Fall endgültig feststeht, daß die Versorgungsrente ohne Unterbrechung bis zur Altersgrenze weitergezahlt werden wird (Bestätigung der bisherigen Senatsrechtsprechung, vgl. zuletzt Senatsbeschluß vom 18. Oktober 1995 – XII ZB 156/93 – FamRZ 1996, 157, 158).
Normenkette
BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder wird der Beschluß des 5. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. März 1995 dahin abgeändert, daß zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 99,88 DM, bezogen auf den 31. Oktober 1993, auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Versicherungsnummer: 51 070855 S 595) begründet werden.
Die zu begründenden Rentenanwartschaften sind in Entgeltpunkte umzurechnen.
Die Gerichtskosten beider Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: bis 1.200 DM.
Gründe
I.
Das Familiengericht hat durch Verbundurteil vom 11. Oktober 1994 die Ehe der Parteien geschieden und u.a. den Versorgungsausgleich geregelt. Beide Parteien waren bzw. sind im öffentlichen Dienst beschäftigt und haben während der Ehezeit (1. August 1987 bis 31. Oktober 1993, § 1587 Abs. 2 BGB) sowohl Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung als auch Versorgungsanwartschaften bei einer öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgungseinrichtung (der weiteren Beteiligten zu 2: der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, VBL) erworben. Schon im Zeitpunkt des Endes der Ehezeit bezog der Ehemann aufgrund eines Versicherungsfalles von der VBL eine dynamische Versorgungsrente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Das Familiengericht hat die von beiden Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Rentenanwartschaften ausgeglichen, indem es von dem Versicherungskonto des Ehemannes bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (weitere Beteiligte zu 1 – BfA) monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 59,56 DM (bezogen auf den 31. Oktober 1993) auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei derselben Versicherungsanstalt übertragen hat. Diese Regelung wird weder von den Parteien noch von den Beteiligten beanstandet.
Die von beiden Ehegatten bei der VBL erworbenen Versorgungsanwartschaften hat das Familiengericht im Wege des analogen Quasisplittings (§ 1 Abs. 3 VAHRG i.V.m. § 1587b Abs. 2 BGB) ausgeglichen, indem es zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes bei der VBL monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 9,73 DM (bezogen auf den 31. Oktober 1993) auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der BfA begründet hat. Dabei hat das Familiengericht unberücksichtigt gelassen, daß der Ehemann zum Ehezeitende von der VBL bereits eine Versorgungsrente wegen Erwerbsunfähigkeit bezog. Es hat lediglich sein Anrecht auf eine statische Versicherungsrente berücksichtigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Erwerbsunfähigkeitsrente sei noch nicht unverfallbar, da noch nicht sicher sei, ob der Ehemann diese Rente fortlaufend bis zum Bezug von Altersrente beziehen werde.
Auf die Beschwerde der VBL hin hat das Oberlandesgericht die Versorgungsausgleichsregelung hinsichtlich des durchgeführten analogen Quasisplittings rein rechnerisch geringfügig dahin abgeändert, daß zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes bei der VBL auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der BfA Rentenanwartschaften in Höhe von 8,84 DM (statt: 9,73 DM) begründet werden. Im übrigen hat das Oberlandesgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Es vertritt wie das Familiengericht die Ansicht, daß die von dem Ehemann bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente nicht unverfallbar sei und deshalb nicht berücksichtigt werden könne.
Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde der VBL, mit der sie erreichen will, daß die von ihr schon zum Ehezeitende gezahlte dynamische Versorgungsrente beim analogen Quasisplitting berücksichtigt wird.
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Wie das Beschwerdegericht nicht verkennt, ist nach der Rechtsprechung des Senats eine dynamische Versorgungsrente der VBL wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit, die ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich bereits bezieht, in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen, wenn sonst kein höheres Anrecht aus der Zusatzversorgung besteht, und zwar unabhängig davon, ob im konkreten Fall endgültig feststeht, ob die Rente ohne Unterbrechung bis zur Altersgrenze weitergezahlt werden wird (Senatsbeschlüsse vom 13. Juni 1990 – XII ZB 30/89 – FamRZ 1990, 1339, 1340 f. und vom 18. Oktober 1995 – XII ZB 156/93 – FamRZ 1996, 157, 158, beide m.w.N.). An dieser Rechtsprechung, die in der Literatur allgemein Zustimmung gefunden hat (vgl. z.B. RGRK-BGB/Wick, 12. Aufl. § 1587a Rdn. 275; Schwab/Hahne, Handbuch des Scheidungsrechts, 3. Aufl. Teil VI Rdn. 124; Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 2. Aufl., § 1587a Rdn. 206; Palandt/Diederichsen, BGB 56. Aufl., § 1587a Rdn. 82), ist festzuhalten.
Das Beschwerdegericht will dieser Rechtsprechung nicht folgen und führt zur Begründung aus, es sei nicht gerechtfertigt, eine zum Ehezeitende bereits bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente der VBL beim Versorgungsausgleich grundsätzlich zu berücksichtigen, während eine zum Ehezeitende bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur berücksichtigt werden dürfe, wenn ein Wegfall dieser Rente nach den Umständen des Einzelfalls nicht mehr in Betracht komme. Eine einzelfallbezogene Betrachtung sei vielmehr auch bei einer dynamischen VBL-Rente wegen Erwerbsunfähigkeit geboten. Sie sei weder dem Grunde noch der Höhe nach in größerem Umfang gesichert als eine entsprechende Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Diese Argumentation überzeugt nicht. Es ist zwar richtig, daß eine am Ende der Ehezeit bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die das fiktiv errechnete Altersruhegeld übersteigt, nur dann im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen ist, wenn im konkreten Einzelfall mit ihrer Entziehung vor Erreichen der Altersgrenze nicht mehr zu rechnen ist (vgl. Senatsbeschluß vom 15. März 1989 – IVb ZB 49/86 – BGHR BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 2 Erwerbsunfähigkeitsrente 4 = FamRZ 1989, 721). Richtig ist auch, daß der Fortbestand einer bereits bezogenen VBL-Erwerbsunfähigkeitsrente bis zum Erreichen der Altersgrenze nicht stärker gesichert ist als der Fortbestand einer entsprechenden Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Das ergibt sich schon daraus, daß nach § 66 Abs. 1 Buchst. b der VBL-Satzung die Erwerbsunfähigkeitsrente der VBL automatisch erlischt, wenn die Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr gezahlt wird. Zu Unrecht meint das Beschwerdegericht aber, für beide Erwerbsunfähigkeitsrenten müsse ihre Unverfallbarkeit in gleicher Weise geprüft werden. Das Beschwerdegericht übersieht, daß die Art der Berücksichtigung einer Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Gesetz anders geregelt ist als die Art der Berücksichtigung einer Erwerbsunfähigkeitsrente aus der betrieblichen Altersversorgung, zu der auch die VBL-Erwerbsunfähigkeitsrente gehört. Für die gesetzliche Rentenversicherung bestimmt § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB, daß die auf die Ehezeit entfallende Rente oder Rentenanwartschaft grundsätzlich auf der Grundlage einer Vollrente wegen Alters zu berechnen ist. Daraus ergibt sich, daß eine aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Erreichen der Altersgrenze gezahlte Erwerbsunfähigkeitsrente nur berücksichtigt werden kann, wenn im konkreten Einzelfall feststeht, daß sie sich auf die Rente wegen Alters auswirken wird.
Bei der betrieblichen Altersversorgung sind dagegen nach § 1587a Abs. 2 Nr. 3 BGB Leistungen, Anwartschaften oder Aussichten auf Leistungen grundsätzlich auszugleichen. Lediglich Anwartschaften oder Aussichten auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (nicht: Leistungen der betrieblichen Altersversorgung), die zur Zeit der Entscheidung noch nicht unverfallbar sind, verweist § 1587a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich. Eine wegen Eintritts des Versicherungsfalls bereits bezogene Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ist aber eine Leistung (ein Vollrecht), nicht lediglich eine Anwartschaft oder eine Aussicht auf eine Leistung. Nach der insofern eindeutigen gesetzlichen Regelung stellt sich deshalb bei einer wegen Eintritts des Versicherungsfalls bereits bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente aus der betrieblichen Altersversorgung die Frage der Unverfallbarkeit nicht.
Ist die dynamische VBL-Erwerbsunfähigkeitsrente beim Versorgungsausgleich berücksichtigt worden und erlischt sie nach § 66 VBL-Satzung, bevor der Berechtigte die Altersgrenze erreicht hat, so kommt eine Korrektur des Versorgungsausgleichs nach § 10a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG in Betracht. Auf dieselbe Weise kann eine Korrektur erfolgen, wenn eine Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht berücksichtigt worden ist, weil bei der Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht feststand, ob sie bis zum Erreichen der Altersgrenze gezahlt werden würde, sich später aber herausstellt, daß das der Fall war. Insofern hat seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich die unterschiedliche Regelung, die von dem Beschwerdegericht als unbefriedigend empfunden wird, an praktischer Bedeutung verloren.
2. Hiernach war die Entscheidung des Beschwerdegerichts zum analogen Quasisplitting dahin abzuändern, daß – unter Berücksichtigung der vom Ehemann bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente der VBL – zu Lasten seiner Versorgungsanwartschaften bei der VBL Rentenanwartschaften in Höhe von 99,88 DM (statt: 8,84 DM) auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der BfA zu begründen sind. Wegen der Berechnung wird auf die zutreffenden und von keiner Seite in Zweifel gezogenen amtlichen Auskünfte der VBL vom 20. Juni 1994 und vom 21. Februar 1994 Bezug genommen.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Gerber, Sprick, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 609859 |
FuR 1998, 23 |
NJW-RR 1998, 145 |
ZBR 1998, 286 |
MDR 1998, 49 |