Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit des § 49 Abs. 1 Landwirtschaftsanpassungs-Gesetz (LwAnpG) bei Fortführung des Familienbetriebes durch ein Mitglied der Erbengemeinschaft. Abfindung der Erben eines LPG-Mitglieds
Leitsatz (amtlich)
- § 49 Abs. 1 LwAnpG gilt nicht für den einem Erben gemäß § 51 a Abs. 2 Satz 1 LwAnpG zustehenden Abfindungsanspruch nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG.
- § 49 Abs. 1 LwAnpG findet auch dann Anwendung, wenn der mehreren Mitgliedern in ungeteilter Erbengemeinschaft gehörende frühere Familienbetrieb nur von einem Mitglied fortgeführt wird.
Normenkette
LwAnpG § 49 Abs. 1, § 51a Abs. 2, § 44 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin und Anschlußrechtsbeschwerde der Antragsteller wird das Urteil des Kreisgerichts - Landwirtschaftsgericht - Altenburg vom 21. Oktober 1992 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landwirtschaftsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind Erben in ungeteilter Erbengemeinschaft hinter dem am 13. August 1966 verstorbenen Karl R. und der am 18. Januar 1978 verstorbenen Helene R. Diese waren in ungeteilter Erbengemeinschaft Eigentümer eines von ihnen in die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin eingebrachten landwirtschaftlichen Betriebes. Laut Übernahmeprotokollen vom 10. Januar/26. November 1962 nebst Nachtrag vom 14. August 1964 haben sie jeweils zu 50 % Grundmittel als Inventarbeiträge in Höhe von insgesamt 97.755,50 Mark eingebracht. Karl R. hat darüber hinaus Umlaufmittel, Sämereien, Brennstoffe und Fertigerzeugnisse im Wert von insgesamt 41.406,19 Mark eingebracht. Er wurde von der Antragstellerin zu 1 beerbt. Erben der Helene R. sind die Antragsteller zu 2 und 3 sowie Marlies M., deren noch lebende Erben die Antragsteller zu 4 bis 7 sind.
Am 23. Oktober 1990 beschloß die Mitgliederversammlung der Antragsgegnerin, die noch nicht zurückgezahlten Inventarbeiträge im Verhältnis 2: 1 zu bewerten. Der Antragsteller zu 3 möchte den Betrieb im Einverständnis der übrigen Antragsteller als Wiedereinrichter fortführen. Die Antragsteller verlangen aus diesem Grund die Rückzahlung der Inventarbeiträge in Höhe von 97.755,50 DM nebst Zinsen.
Das Landwirtschaftsgericht hat nur dem Antrag der Antragsteller zu 1 und 4 bis 7 in Höhe von 32.000 DM nebst Zinsen entsprochen. Hiergegen richten sich die welchselseitig eingelegten Rechtsbeschwerden.
II.
Die beiderseitigen Rechtsbeschwerden sind vom Senat zuzulassen, weil das Landwirtschaftsgericht in fehlerhafter Anwendung des ZPO-Verfahrens (Senatsbeschl. v. 4. Dezember 1992, BLw 19/92, NJW 1993, 857) die Zulassungswürdigkeit nicht geprüft hat (vgl. Senatsbeschl. v. 21. April 1993, BLw 59/92, AgrarR 1993, 190) und der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Die Rechtsbeschwerden sind auch begründet.
1.
Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin hat unabhängig davon, daß das Landwirtschaftsgericht im falschen Verfahren entschieden hat, deswegen Erfolg, weil das Landwirtschaftsgericht § 49 Abs. 1 LwAnpG anwendet, ohne Feststellungen dazu getroffen zu haben, ob die Antragsteller selber auch Mitglieder der Antragsgegnerin waren und die Inventarbeiträge der Erblasser ihrerseits wieder eingebracht haben (vgl. Senatsbeschl. v. heutigen Tag, BLw 8/93, zur Veröffentlichung bestimmt). Denn die Mitgliedschaftstellung der Erblasser ist, wie die Antragsgegnerin mit Recht geltend macht, mit dem Tod der Erblasser beendet worden und nicht auf die Erben übergegangen (Senatsbeschl. v. 4. Dezember 1992, BLw 37/92, NJW 1993, 860). § 49 Abs. 1 LwAnpG gilt aber nur für ausscheidende Mitglieder. Steht der Anspruch auf Abfindung des eingebrachten Inventars den Antragstellern nur als Erben nach §§ 51 a Abs. 2, 41 Abs. 1 Nr. 1 zu, wäre er in fünf gleichen Jahresraten zu erfüllen (§ 51 a Abs. 2 LwAnpG). § 49 Abs. 1 LwAnpG fände keine Anwendung. Dies ergibt sich aus § 51 a Abs. 2 Satz 3 LwAnpG, wonach in diesem Fall lediglich § 49 Abs. 2 Satz 1 LwAnpG entsprechend anzuwenden ist. Soweit das Landwirtschaftsgericht allein aufgrund des von den Antragstellern in Bezug genommenen Schreibens an die Antragsgegnerin vom 9. Februar 1991 auf das Bestehen einer Mitgliedschaft geschlossen hat, fehlt hierfür jeder tatsächliche Anhaltspunkt. Mit dem Schreiben wird lediglich die Rückgabe der vom Erblasser eingebrachten Gärtnerei verlangt.
Der angefochtene Beschluß ist daher aufzuheben.
Rechtsfehlerfrei ist dagegen die Auffassung des Landwirtschaftsgerichts, daß die Inventarbeiträge von Gesetzes wegen im Wert von 1: 1 abzufinden sind (Senatsbeschl. v. 21. April 1993, BLw 46/92, AgrarR 1993, 189 = WM 1993, 1386; v. 24. November 1993, BLw 8/93, zur Veröffentlichung bestimmt). Der abweichende Beschluß der Mitgliederversammlung der Antragsgegnerin ist daher nichtig (vgl. Senatsbeschl. v. 24. November 1993, BLw 63/93, zur Veröffentlichung bestimmt).
Zu Recht hat das Landwirtschaftsgericht auch die von der Antragsgegnerin behaupteten Rückzahlungen in Höhe von 41.406,19 DM für unerheblich angesehen, weil sie ausweislich der vorgelegten Unterlagen lediglich die von dem Erblasser Karl R. zusätzlich eingebrachten Umlaufmittel, Sämereien, Brennstoffe und Fertigerzeugnisse, nicht dagegen die Grundmittelbeiträge beider Erblasser betreffen. Erheblich und klärungsbedürftig sind dagegen die für eingebrachte Obstbäume behaupteten Zahlungen von 573,50 DM und 289,50 DM.
2.
Die Anschlußrechtsbeschwerde der Antragsteller hat ebenfalls Erfolg.
Geht man mit ihr davon aus, daß die Antragsteller sowohl Erben als auch Mitglieder der Antragsgegnerin waren - was allerdings noch der Klärung bedarf -, dann steht ihnen unter der Voraussetzung, daß sie das von den Erblassern eingebrachte Inventar selbst auch wieder eingebracht haben, der Abfindungsanspruch nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG aus eigenem Recht zu, mit der Folge, daß auch die Fälligkeitsregelung des § 49 Abs. 1 LwAnpG Anwendung findet. Fehlerhaft ist aber die von dem Landwirtschaftsgericht vertretene Auslegung, daß für einen Wiedereinrichter nur eine Abschlagszahlung auf den Anspruch nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG fällig wird. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung kann ein Wiedereinrichter nicht nur einen Abschlag auf den Anspruch nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG verlangen, sondern den vollen Wert der Inventarbeiträge als Abschlagszahlung auf die ihm nach § 44 Abs. 1 LwAnpG zustehende Gesamtabfindung (Senatsbeschl. v. 24. November 1993, BLw 53/92, zur Veröffentlichung bestimmt).
Dagegen ist es nicht zu beanstanden, wenn das Landwirtschaftsgericht § 49 Abs. 1 LwAnpG auch dann für anwendbar hält, wenn von den Mitgliedern, denen der eingebrachte Betrieb in ungeteilter Erbengemeinschaft gehört, nur eines den Betrieb als Wiedereinrichter fortführen will. Nach dem mit dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz verfolgten Zweck, vor allem die Wiedereinrichtung von leistungsstarken und wettbewerbsfähigen Familienwirtschaften zu fördern, ist es gerechtfertigt, das Wiedereinrichterprivileg auch dann greifen zu lassen, wenn nur einer von mehreren Mitgliedserben den früheren Familienbetrieb fortführt.
Nach alledem ist das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landwirtschaftsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird insbesondere zu klären haben, ob die Antragsteller auch Mitglieder der Antragsgegnerin waren, gegebenenfalls ob sie das von den Erblassern eingebrachte Inventar selbst auch wieder in die LPG eingebracht haben. Hierzu kommt es für den auf die Erblasserin Helene R. entfallenden Inventaranteil darauf an, ob deren Erben, nämlich die Antragstellerin zu 2, der Antragsteller zu 3 und Marlies M. sich entsprechend der testamentarischen Verfügung vom 4. Juni 1974 dahin geeinigt haben, daß der Grundmittelanteil der Erblasserin auf Marlies M. übergeht. Ist das der Fall, sind nur deren Erben, die Antragsteller zu 4 bis 7 - ihre Mitgliedschaft unterstellt - Wiedereinbringer des auf die Erblasserin entfallenden Inventarbeitrags und insoweit für einen Anspruch nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG aktivlegitimiert. Haben sich die Antragsteller zu 2 und 3 sowie Marlies M. hinsichtlich des Grundmittelanteils dagegen nicht auseinandergesetzt, sind - im Falle ihrer Mitgliedschaft - auch die Antragsteller zu 2 und 3 Wiedereinbringer und als solche aktivlegitimiert. Die testamentarische Verfügung, daß der Grundmittelanteil der Erblasserin Marlies M. zufallen sollte, stellt nämlich nur ein Vermächtnis (§ 380 ZGB) dar, das lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Nachlaß begründet und die Stellung der Antragsteller zu 2 und 3 als Erben und Wiedereinbringer nicht berührt.
Waren die Antragsteller dagegen nicht Mitglieder der Antragsgegnerin und kommt nur ein Anspruch nach §§ 51 a Abs. 2, 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG in Betracht, sind die Antragsteller zu 2 und 3 nur dann nicht mit aktivlegitimiert, wenn sie sich mit Marlies M. entsprechend der testamentarischen Verfügung auseinandergesetzt haben.
Unterschriften
Hagen
Vogt
Wenzel
Fundstellen