Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch der ausscheidenden Mitgliedern der LPG auf Rückgabe von eingebrachten Flächen. Herausgabe eines Grundstücks
Leitsatz (amtlich)
- Der Anspruch auf Rückgabe von eingebrachten Flächen gemäß § 45 Satz 1 LwAnpG steht nur ausscheidenden Mitgliedern der LPG an dem von ihnen eingebrachten Boden zu.
- In Rechtsstreitigkeiten aus dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz ist ebenso wie in anderen echten Streitverfahren des Landwirtschaftsrechts ein Gegenantrag im Sinne und unter den Voraussetzungen einer zivilprozessualen Widerklage bis zum Erlaß des Hauptsachebeschlusses zulässig.
Normenkette
LwAnpG § 45 S. 1, § 44 Abs. 1 Nr. 1, § 68; ZPO § 33; LwVG §§ 9, 15 Abs. 1; FGG § 12
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird das Urteil des Kreisgerichts - Landwirtschaftsgericht - Altenburg vom 28. Oktober 1992 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landwirtschaftsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Antragsteller verlangen als Erben in ungeteilter Erbengemeinschaft hinter dem am 13. August 1966 verstorbenen Karl R. und der am 18. Januar 1978 verstorbenen Helene R. (Erblasser) von der Antragsgegnerin die Herausgabe des von den Erblassern eingebrachten Grundstücks, das ihnen in ungeteilter Erbengemeinschaft gehörte. Die Antragsgegnerin verweigert die Herausgabe unter Berufung auf ein von ihr beanspruchtes Notwegerecht und Besitzrecht an dem auf dem Grundstück angelegten und befestigten Weg.
Das Landwirtschaftsgericht hat dem Antrag stattgegeben und festgestellt, daß der Antragsgegnerin ein Wege- und Überfahrtsrecht nicht zustehe. Die nach der mündlichen Verhandlung erhobene Widerklage, die Benutzung des Grundstücks zum Zwecke des Begehens und Befahrens zu dulden, hat es unter Hinweis auf § 296 a ZPO als unzulässig abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der die Antragsgegnerin ihre ursprünglichen Anträge weiterverfolgt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist vom Senat zuzulassen, weil das Landwirtschaftsgericht ihre Zulassungwürdigkeit in Verkennung der richtigen Verfahrensart (Senatsbeschl. v. 4. Dezember 1992, BLw 19/92, NJW 1993, 857) nicht geprüft hat (vgl. Senatsbeschl. v. 21. April 1993, BLw 59/92, AgrarR 1993, 190) und der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
1.
Die angefochtene Entscheidung ist unabhängig von der zu Recht als fehlerhaft gerügten Wahl des ZPO-Verfahrens in der Sache schon deswegen aufzuheben, weil das Landwirtschaftsgericht die Voraussetzungen des von ihm zuerkannten Anspruchs nach §§ 45 Satz 1, 68 LwAnpG nicht festgestellt hat, wie die Rechtsbeschwerde ebenfalls zutreffend rügt.
Der Anspruch auf Rückgabe von eingebrachten Flächen gemäß § 45 Satz 1 LwAnpG steht nur ausscheidenden Mitgliedern der LPG an dem von ihnen eingebrachten Boden zu. Ist das Mitglied schon vor dem 16. März 1990 aus der LPG - durch Tod (Senatsbeschl. v. 4. Dezember 1992, BLw 37/92, NJW 1993, 860) - ausgeschieden, steht den Erben aus der Mitgliedschaft des Erblassers nur der Anspruch nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG zu. Insoweit besteht kein Unterschied zu dem Anspruch auf Rückgabe von Gebäuden nach § 47 LwAnpG (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 4. Dezember 1992, BLw 37/92, aaO). Daraus folgt, daß die Antragsteller die von ihnen begehrte Rückgabe des Grundstücks nach §§ 45 Satz 1, 68 LwAnpG nur dann beanspruchen können, wenn sie Mitglieder der Antragsgegnerin bzw. deren Rechtsvorgängerin waren und das von dem Erblasser eingebrachte Grundstück erneut in die LPG eingebracht haben. Hierzu fehlt es jedoch an den notwendigen Feststellungen. Soweit das Landwirtschaftsgericht allein aufgrund des von den Antragstellern in Bezug genommenen Schreibens an die Antragsgegnerin vom 9. Februar 1991 auf das Bestehen einer Mitgliedschaft geschlossen hat, fehlt hierfür jeder tatsächliche Anhaltspunkt. Mit dem Schreiben wird lediglich die Rückgabe der vom Erblasser eingebrachten Gärtnerei verlangt. Waren die Antragsteller aber nicht Mitglieder der Antragsgegnerin, können sie das Grundstück von dieser nur als Eigentümer nach § 985 BGB herausverlangen. Ein solcher Anspruch müßte aber im Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden.
2.
Auch die Abweisung der als Gegenantrag zu behandelnden Widerklage als unzulässig hat keinen Bestand.
Im streitigen Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann der Antragsgegner seinerseits einen Gegenantrag im Sinne und unter den Voraussetzungen einer Widerklage im zivilprozessualen Verfahren stellen (Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 13. Aufl., FGG, Vorbem. §§ 8 bis 18 Rdn. 4; Weitnauer, WEG, 7. Aufl., Anh. § 43 Rdn. 5). Die entsprechende Anwendung von § 33 ZPO trägt dem Umstand Rechnung, daß im Hinblick auf die Gleichwertigkeit der beiden Verfahren und die Gleichheit der Interessenlage der Verfahrensbeteiligten (BGHZ 71, 314, 317; 78, 57, 60; 106, 370, 373) dem Antragsgegner die gleichen Angriffs- und Verteidigungsmittel zur Verfügung stehen müssen wie der beklagten Partei im Zivilprozeß.
Anders als die Widerklage im Zivilprozeß (BGH, Beschl. v. 12. Mai 1992, XI ZR 251/91, NJW-RR 1992, 1085) kann der Gegenantrag jedoch auch nach einer mündlichen Verhandlung noch bis zum Erlaß des Hauptsachebeschlusses gestellt werden. Der im Zivilprozeß geltende Grundsatz, daß Entscheidungsgrundlage nur das sein kann, was Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, ist auf das - streitige - Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht übertragbar. Hier gilt vielmehr, daß über den Gegenstand einer mündlichen Verhandlung hinaus der gesamte, bis zum Erlaß des Hauptsachebeschlusses vorgetragene, Streitstoff einschließlich aller Anträge bei der Entscheidung zu berücksichtigen ist, § 296 a Satz 1 ZPO also keine Anwendung findet (BVerfG AgrarR 1983, 185 = RdL 1983, 163, 164; Barnstedt/Steffen, LwVG, 4. Aufl., § 15 Rdn. 15). Dem hat das Landwirtschaftsgericht keine Rechnung getragen, indem es den als Widerklage behandelten Gegenantrag abgewiesen hat, weil er erst nach der mündlichen Verhandlung gestellt wurde.
3.
Nach alledem ist das Urteil aufzuheben und die Sache zwecks weiterer Feststellungen zur Mitgliedschaft der Antragsteller zurückzuverweisen.
Auch hinsichtlich des Gegenantrags kommt eine Erledigung durch den Senat nicht in Betracht. Der mit ihm verfolgte Anspruch betrifft zwar keine Rechtsstreitigkeit aus dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz, so daß das Landwirtschaftsgericht die Sache wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit (vgl. BGH, Urt. v. 26. April 1991, V ZR 53/90, WM 1991, 1807) nach Anhörung der Beteiligten an das Prozeßgericht abzugeben hat (§ 12 Abs. 1 LwVG). Dies kann das Rechtsbeschwerdegericht jedoch nicht von Amts wegen, sondern nur nach Maßgabe von § 23 Abs. 2 LwVG berücksichtigen. Eine entsprechende Einrede ist aber nicht erhoben.
Unterschriften
Hagen
Vogt
Wenzel
Fundstellen