Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 07.05.2020; Aktenzeichen 747 Js 27134/18 7 KLs) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 7. Mai 2020 im Schuldspruch dahin geändert, dass in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen entfällt.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes und sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellen Missbrauch einer Schutzbefohlenen in vier Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat es zwei Monate der Strafe als vollstreckt erklärt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Entscheidungsformel Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
Rz. 2
1. In den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe kann, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 StGB in der bis zum 31. März 2004 geltenden Fassung vom 13. November 1998) keinen Bestand haben, weil insoweit das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Zu Gunsten des Angeklagten kann nicht ausgeschlossen werden, dass er beide Taten vor dem 1. April 1999 begangen hat. Angesichts der Strafandrohung des § 174 Abs. 1 StGB aF, die von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von fünf Jahren reichte, betrug die Verjährungsfrist fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Da die Erstreckung der Ruhensvorschrift des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB auf Taten nach § 174 StGB erst mit Wirkung ab dem 1. April 2004 eingetreten ist, sind diese sexuellen Missbrauchshandlungen verjährt.
Rz. 3
Der Eintritt der Verjährung begründet hinsichtlich des betreffenden Tatvorwurfs ein von Amts wegen zu beachtendes Verfolgungshindernis. Dies führt in den Fällen II.1 und II.2 zum Wegfall des jeweils tateinheitlich mit sexuellen Missbrauch eines Kindes erfüllten Tatbestands des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 531/12, NJW 2014, 1025 Rn. 7). Insoweit hat der Senat den Schuldspruch geändert.
Rz. 4
2. Dies führt indes nicht zur Aufhebung der betroffenen Einzelstrafen, da auch verjährte Taten mit dem ihnen noch zukommenden Gewicht strafschärfend berücksichtigt werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2016 – 1 StR 619/15). Der Senat kann ausschließen, dass der Wegfall der tateinheitlichen Delikte im Schuldspruch bei der Strafzumessung der Einzelstrafen in Kenntnis der Verjährung zu einer milderen Bestrafung geführt hätte.
Rz. 5
3. Im Hinblick auf den geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels und den der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Cirener, Berger, Mosbacher, Köhler, von Häfen
Fundstellen
Haufe-Index 14290527 |
NStZ-RR 2021, 365 |