Verfahrensgang
AnwGH Frankfurt (Entscheidung vom 14.12.2020; Aktenzeichen 1 AGH 5/20) |
Nachgehend
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 14. Dezember 2020 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der 1984 geborene Kläger ist seit 2016 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit am 14. Mai 2020 zugestelltem Bescheid vom 13. Mai 2020 gab die Beklagte dem Kläger gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15 BRAO auf, bis zum 15. Juli 2020 ein Gutachten über seinen Gesundheitszustand vorzulegen. Als Gutachter bestimmte sie Professor Dr. V., Facharzt für Psychiatrie, aus Ho. Die Anfechtungsklage des Klägers gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Rz. 2
Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 bis 5, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO) liegen sämtlich nicht vor.
Rz. 3
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 3; vom 8. Januar 2018 - AnwZ (Brfg) 10/17, juris Rn. 5; jeweils mwN). Daran fehlt es hier. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats.
Rz. 4
a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BRAO gibt die Rechtsanwaltskammer, wenn dies zur Entscheidung über den Widerrufsgrund des § 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO erforderlich ist, dem Betroffenen auf, innerhalb einer von ihr zu bestimmenden angemessenen Frist das Gutachten eines von ihr zu bestimmenden Arztes über seinen Gesundheitszustand vorzulegen. Nach der Rechtsprechung des Senats muss die Anordnung auf hinreichend konkreten Anhaltspunkten dafür beruhen, den Gesundheitszustand des Rechtsanwalts überprüfen zu lassen. Dies ist der Fall, wenn Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass der Betroffene von seinen Vorstellungen in krankhafter Weise derart beherrscht sein könnte, dass dies sich zugleich und in schwerwiegender Weise auf seine Fähigkeit auswirkt, die Belange seiner Mandanten noch sachgerecht und mit der gebotenen Sorgfalt wahrzunehmen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. November 2007 - AnwZ (B) 102/05, BRAK-Mitt. 2008, 75 Rn. 15; vom 6. Juli 2009 - AnwZ (B) 81/08, NJW-RR 2009, 1578, 1579; vom 28. März 2013 - AnwZ (Brfg) 70/12, juris Rn. 8 und vom 17. August 2015 - AnwZ (Brfg) 50/14, juris Rn. 19; vgl. ferner Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 15 Rn. 5; eingehend Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 15 BRAO Rn. 6 ff.).
Rz. 5
b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Mehrere Umstände deuten darauf hin, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sein könnte, seinen Beruf ordnungsgemäß auszuüben und die Belange seiner Mandanten noch sachgerecht und mit der gebotenen Sorgfalt wahrzunehmen. Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof aus sechs in seinem Urteil auszugsweise wiedergegebenen vom Kläger verfassten Schriftstücken geschlossen, dass dieser die tiefe und grundsätzliche Überzeugung aufweise, in der Bundesrepublik Deutschland erfolge aus rassistischen Gründen eine "Unterdrückung und systematische Diskriminierung aus ideologischen Gründen", die sich speziell in H. gegen ihn richte. Ein Sachbezug der diesbezüglichen Ausführungen zu rechtlichen Argumenten ist - auch wenn der Kläger einen solchen mit umfangreichem Vorbringen herzuleiten versucht - nicht erkennbar. Daraus ergibt sich die Gefahr, dass der Kläger als Verfahrensbevollmächtigter seinen Sachvortrag und sein Prozessverhalten nicht mehr - wie geboten - ausschließlich an den Interessen seiner Mandanten orientiert, sondern sachwidrig auch an seinem persönlichen Interesse an der Auseinandersetzung mit vornehmlich Gerichten und Justizbehörden.
Rz. 6
Das Verhalten des Klägers im vorliegenden Verfahren lässt des weiteren Anhaltspunkte dafür erkennen, dass der Kläger nicht in der Lage sein könnte, den jeweiligen Prozessstoff zu überblicken, die Folgen seines Handelns für seine Mandanten abzuschätzen und deren Belange hinreichend wahrzunehmen. Seine Schriftsätze sind vielfach nur schwer verständlich, zeugen von einer sprunghaften und unstrukturierten Gedankenführung und betreffen nicht selten Sachverhalte, die mit dem vorliegenden Verfahren in keinem erkennbaren Zusammenhang stehen.
Rz. 7
2. Die Voraussetzungen des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind ebenfalls nicht erfüllt.
Rz. 8
a) Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Senatsbeschlüsse vom 29. Juli 2016 - AnwZ (Brfg) 60/15, juris Rn. 16 und vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, NJW 2017, 1181 Rn. 21; jeweils mwN).
Rz. 9
b) Der Kläger hat solche Rechtsfragen vorliegend nicht aufgeworfen; abgesehen davon teilt der Senat nicht die verfassungs- und unionsrechtlichen Bedenken des Klägers hinsichtlich der Vorschrift des § 15 BRAO, die er in ständiger Rechtsprechung anwendet (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 28. März 2013 - AnwZ (Brfg) 70/12, juris Rn. 5 f.; vom 27. März 2014 - AnwZ (Brfg) 57/13, juris Rn. 15 und vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 3/14, juris Rn. 10). Sie dient dem Schutz des Rechtsverkehrs vor Anwälten, die ihrer Aufgabe aus gesundheitlichen Gründen auf Dauer nicht gewachsen sind.
Rz. 10
3. Des Weiteren zeigt der Kläger keine Abweichung der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs von der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Der Einwand des Klägers, das Urteil des Anwaltsgerichtshofs weiche von der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 22. November 2010 - AnwZ (B) 74/07), wonach die Vermutungswirkung des § 15 Abs. 3 Satz 1 BRAO nur dann eintrete, wenn die Anordnung mit bindender Wirkung feststehe, ab, ist nicht stichhaltig. Übersehen wird, dass die jeweiligen Prozessgegenstände verschieden sind. Während die genannte Entscheidung die Überprüfung des bereits erfolgten Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zum Gegenstand hat, betrifft die Ausgangsentscheidung des Anwaltsgerichtshofs lediglich die Aufgabe der Vorlage eines ärztlichen Gutachtens. Ein möglicher Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist gerade nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Frage einer etwaigen Bindungswirkung stellt sich mit Blick auf den auf die Vorfrage begrenzten Prozessgegenstand unbeschadet der Vorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 3 BRAO nicht. Das angefochtene Urteil beruht jedenfalls nicht auf der behaupteten Abweichung, weil der Anwaltsgerichtshof ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage trotz des inzwischen erfolgten Widerrufs der Zulassung des Klägers als Rechtsanwalt bejaht hat.
Rz. 11
4. Schließlich hat der Kläger keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Rz. 12
a) Ein solcher Verfahrensmangel liegt nicht darin, dass der Anwaltsgerichtshof den Anträgen des Klägers vom 5. und 8. November 2020 auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 9. November 2020 nicht stattgegeben hat.
Rz. 13
aa) Nach der Vorschrift des § 227 Abs. 1 ZPO, die gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO auch für das gerichtliche Verfahren in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen gilt, kann eine mündliche Verhandlung aus „erheblichen Gründen“ verlegt oder vertagt werden. Wegen der von Anwälten, die ihrer Aufgabe aus gesundheitlichen Gründen auf Dauer nicht gewachsen sind, ausgehenden, nicht hinnehmbaren Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden (vgl. Senat, Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 3/14, juris Rn. 10; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 15 BRAO Rn. 2) sind dabei an den Verhinderungsgrund und dessen Glaubhaftmachung hohe Anforderungen zu stellen.
Rz. 14
bb) Der Kläger hat keine erheblichen Gründe für eine Terminverlegung glaubhaft gemacht. Seine Terminverlegungsanträge vom 5. und 8. November 2020 waren vielmehr offensichtlich unbegründet.
Rz. 15
(1) Mit Verfügung vom 16. September 2020 hatte der Senatsvorsitzende den Kläger unter einer Postanschrift in F. zu dem auf dessen Wunsch auf eine nachmittägliche Terminstunde verschobenen Termin am 9. November 2020 geladen und zugleich darauf hingewiesen, dass eine krankheitsbedingte Verhinderung einer Teilnahme am Verhandlungstermin durch amtsärztliches Attest oder durch qualifiziertes ärztliches Attest, das eine Überprüfung und Bewertung der Verhandlungsfähigkeit erlaube, nachzuweisen sei. Mit seinem Verlegungsantrag vom 5. November 2020 hat der Kläger vorgebracht, es sei ihm bislang keine Akteneinsicht durch Überlassung der Verwaltungs- und Verfahrensakten gewährt worden. Mit Schriftsatz vom 8. November 2020 hat der Kläger dargelegt, unter Krankheitssymptomen zu leiden, die auf eine Covid-19-Infektion hindeuten würden, wegen Überlastung der Untersuchungsstelle der Charité in Berlin aber keinen Untersuchungstermin erhalten zu haben. Seinem diesbezüglichen Schriftsatz hat er zwei offenbar aus dem Internet ausgedruckte Seiten einer „akutsprechstundesars“ beigefügt.
Rz. 16
(2) Dass der Kläger bislang keine Akteneinsicht genommen hat, stellt unter den gegebenen Umständen keinen erheblichen Grund für eine Terminverlegung dar, denn ausweislich der mit Postzustellungsurkunde zugestellten Verfügung des Vorsitzenden vom 3. August 2020 war ihm bereits zu diesem Zeitpunkt Akteneinsicht durch Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle des Anwaltsgerichtshofs bewilligt worden. Dass er von dieser Bewilligung keinen Gebrauch gemacht hat, unterliegt allein seiner Entscheidung.
Rz. 17
(3) Ebenso wenig liegt ein erheblicher Grund für eine Terminverlegung in dem Vorbringen betreffend eine mögliche Covid-19-Infektion des Klägers. Aus den beigefügten Unterlagen ist die Möglichkeit einer entsprechenden Erkrankung des Klägers jedenfalls nicht zu entnehmen. Eine Glaubhaftmachung des klägerischen Vortrags zu dieser Frage fehlt völlig. Hinzu kommt, dass der Kläger durch Verfügung des Vorsitzenden vom 16. September 2020 darauf hingewiesen worden war, wie eine krankheitsbedingte Verhinderung einer Teilnahme am Verhandlungstermin nachzuweisen gewesen wäre. Auch nachträglich hat der Kläger den Nachweis einer Covid-19-Infektion nicht geführt.
Rz. 18
b) Ein zulassungsrelevanter Verfahrensmangel im Sinne von § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt entgegen der Auffassung des Klägers nicht darin, dass der Anwaltsgerichtshof seine Anträge auf Ablehnung des Vorsitzenden und zweier beisitzender Richterinnen und Richter bzw. des Vorsitzenden und dreier beisitzender Richterinnen und Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit verworfen hat.
Rz. 19
aa) Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 5. November 2020 den Vorsitzenden und zwei beisitzende Richterinnen und Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil diese an einem weiteren den Kläger betreffenden Verfahren zu dem Aktenzeichen I AGH 2/20 beteiligt gewesen seien. Dort hätten sie durch das bewusste Unterlassen der Entscheidung über die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision derart rechtsbeugend gehandelt, dass die Annahme einer Verschwörung gerechtfertigt sei. Die abgelehnten Richter seien eine „Bande rassistischer Barbaren, die von ihren rassistischen Vorstellungen so besessen seien, dass sie über Leichen gehen würden“. Der Anwaltsgerichtshof hat den Ablehnungsantrag in der Verhandlung vom 9. November 2020 - unter Mitwirkung der abgelehnten Richterinnen und Richter - durch Beschluss verworfen, da dieser wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig sei.
Rz. 20
bb) Die Verwerfung des mit Schriftsatz vom 5. November 2020 gestellten (ersten) Ablehnungsgesuchs ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht objektiv willkürlich und verstößt nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfG, NVwZ-RR 2008, 289, 290 zur Bedeutung der objektiven Willkür bei der Frage, ob ein Antrag auf Zulassung der Berufung darauf gestützt werden kann, dass ein Befangenheitsantrag während des der Sachentscheidung vorausgehenden Verfahrens zu Unrecht abgelehnt wurde).
Rz. 21
(1) Dies gilt zunächst im Hinblick auf die abschlägige Entscheidung über den Ablehnungsantrag als solche. Sie ist weder offensichtlich unhaltbar noch objektiv willkürlich. Der Anwaltsgerichtshof hat den Ablehnungsantrag vielmehr im Ergebnis zu Recht als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen.
Rz. 22
(a) Ein Ablehnungsgesuch ist rechtsmissbräuchlich, wenn es nur mit solchen Umständen begründet wird, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können. Dazu zählen auch nur der Verschleppung oder als taktisches Mittel für verfahrensfremde Zwecke dienende Ablehnungsgesuche (BVerfG, NVwZ-RR 2008, 289, 291; NJW 2007, 3771, 3772; Senatsbeschlüsse vom 2. Mai 2018 - AnwZ (Brfg) 10/18, juris Rn. 7 und vom 22. November 2021 - AnwZ (Brfg) 3/21, juris Rn. 28; Zöller/G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 44 Rn. 13; MüKoZPO/Stackmann, 6. Aufl., § 44 Rn. 6; jeweils mwN). Rechtsmissbräuchlich in diesem Sinne ist etwa ein der Erzwingung einer mit Recht abgelehnten Terminverlegung dienendes Ablehnungsgesuch (OLG Frankfurt, NJW 2009, 1007, 1009 mwN; Zöller/G. Vollkommer aaO). Ablehnungsgesuche, die Verunglimpfungen, grobe Beleidigungen oder Beschimpfungen enthalten, sind jedenfalls dann rechtsmissbräuchlich, wenn sie keinen „sachlichen Kern“ enthalten (OLG Frankfurt, NJW-RR 2012, 1271, 1272 f.; Zöller/G. Vollkommer aaO).
Rz. 23
(b) So liegt der Fall hier. Das mit Schriftsatz vom 5. November 2020 gestellte (erste) Ablehnungsgesuch des Klägers war rechtsmissbräuchlich in vorstehendem Sinne. Es enthielt im Schwerpunkt die dargelegten herabsetzenden Wertungen und Beleidigungen in Bezug auf die abgelehnten Richterinnen und Richter. Die ebenfalls mitgeteilten auf das Verfahren I AGH 2/20 bezogenen Umstände betreffend das Unterlassen einer Beschwerdeentscheidung waren indessen derart unkonkret, dass sie - wie der Anwaltsgerichtshof zu Recht ausgeführt hat - nicht zum Gegenstand einer dienstlichen Äußerung nach § 44 Abs. 3 ZPO hätten gemacht werden können. Als „sachlicher Kern“ konnten sie in ihrer Allgemeinheit eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen und dienten ausschließlich der Erzwingung der - wie ausgeführt (siehe vorstehend zu a)) - vom Kläger beantragten offensichtlich unbegründeten Verlegung des Verhandlungstermins vom 9. November 2020.
Rz. 24
(2) Die Entscheidung über das mit Schriftsatz vom 5. November 2020 gestellte (erste) Ablehnungsgesuch ist auch nicht deshalb objektiv willkürlich, weil an ihr die abgelehnten Richterinnen und Richter mitgewirkt haben.
Rz. 25
(a) Die Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs als unzulässig unter Mitwirkung eines abgelehnten Richters ist nur zulässig, wenn das Gesuch als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist, etwa wenn es nur mit solchen Umständen begründet wird, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können (BVerfG, NVwZ-RR 2008, 289, 291; NJW 2007, 3771, 3772; Senatsbeschluss vom 2. Mai 2018 aaO; Zöller/G. Vollkommer aaO Rn. 17 mwN). Dies ist nach den vorstehenden Ausführungen der Fall.
Rz. 26
(b) Ein vereinfachtes Ablehnungsverfahren soll indes nur echte Formalentscheidungen ermöglichen oder einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern. Ein gänzlich untaugliches oder rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch als Voraussetzung für eine solche Entscheidung kann nur angenommen werden, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Verfahrensgegenstand selbst entbehrlich ist. Über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum Richter in eigener Sache machen (BVerfG, NVwZ-RR 2008, 289, 291).
Rz. 27
Auch diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Ein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand des Verfahrens I AGH 2/20 war zur Entscheidung über das mit Schriftsatz vom 5. November 2020 angebrachte (erste) Ablehnungsgesuch entbehrlich und ist in dem dieses Gesuch verwerfenden Beschluss des Anwaltsgerichtshofs auch nicht erfolgt. Der Anwaltsgerichtshof hat seine Entscheidung damit begründet, dass das Ablehnungsgesuch deshalb offensichtlich unbegründet sei, weil es neben Schmähungen hinsichtlich des Verfahrens I AGH 2/20 lediglich Pauschalvortrag ohne konkrete Angaben enthalte, wann der Kläger in dem genannten Verfahren diesen Rechtsbehelf überhaupt eingelegt haben will. Damit hat er das Ablehnungsgesuch des Klägers lediglich einer formalen Überprüfung unterzogen und ist bereits aufgrund deren Ergebnis zu dem Schluss gekommen, dass der Befangenheitsantrag wegen Rechtsmissbräuchlichkeit als unzulässig zurückzuweisen sei. Den konkret vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler hat der Anwaltsgerichtshof dagegen inhaltlich nicht näher geprüft. Auch in dem Ablehnungsgesuch selbst wird nicht weiter ausgeführt, ob und gegebenenfalls wodurch eine Beschwerdeentscheidung veranlasst gewesen sein soll und weshalb aus der Unterlassung einer solchen eine Voreingenommenheit der abgelehnten Richterinnen und Richter gegenüber dem Kläger und seinem Rechtsschutzbegehren folgen soll.
Rz. 28
Das Ablehnungsgesuch war mithin - wie ohne weitere Aktenkenntnis ersichtlich war (vgl. hierzu BVerfG aaO) - nur mit solchen Umständen begründet, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen konnten, und diente ausschließlich der Erzwingung der Verlegung des Verhandlungstermins vom 9. November 2020.
Rz. 29
cc) Auch die Verwerfung des mit Schriftsatz vom 2. Februar 2021 angebrachten (zweiten) Ablehnungsgesuchs des Klägers durch den Anwaltsgerichtshof mit Beschluss vom 8. Februar 2021 war nicht objektiv willkürlich und verstieß nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Kläger hat das zweite Ablehnungsgesuch damit begründet, dass der Anwaltsgerichtshof seinen Terminverlegungsantrag unter Mitwirkung des Vorsitzenden und weiterer drei beisitzender Richterinnen und Richter willkürlich zurückgewiesen habe. Die Ablehnung der Terminverlegung - die ausweislich des Vermerks vom 5. November 2020 und der Mitteilung vom 9. November 2020 allein der Vorsitzende außerhalb der mündlichen Verhandlung getroffen hat - war indes - wie ausgeführt - zulässig und begründet daher ebenfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter. Im Übrigen kann die bereits am 14. Dezember 2020 verkündete Entscheidung nicht auf dem hier in Rede stehenden Verfahrensmangel beruhen (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO aE).
III.
Rz. 30
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15734824 |