Leitsatz (amtlich)
›Ist in einem Verbundurteil teilweise aufgrund der Säumnis einer Partei entschieden worden, hat der von der säumigen Partei eingelegte Einspruch - durch den das Verfahren über den durch Versäumnisurteil entschiedenen Teil in die frühere Lage zurückversetzt wurde - keinen Einfluß auf den Lauf der Frist für ein Rechtsmittel gegen die nicht aufgrund der Säumnis erlassenen Urteilsteile.‹
Gründe
I. Durch das am 16. März 1983 verkündete Urteil und Versäumnisurteil des Amtsgerichts Iserlohn wurde die Ehe der Parteien geschieden (Ziffer 1), die elterliche Sorge für die beiden gemeinschaftlichen Kinder der Ehefrau (Antragstellerin) übertragen (Ziff. 2), der Versorgungsausgleich geregelt (Ziff. 3) und der Ehemann (Antragsgegner) zur Zahlung nachehelichen Unterhalts an die Ehefrau verurteilt (Ziff. 4). Die Verbundentscheidung erging zu Ziff. 4 als Versäumnisurteil, weil der Ehemann - der im Verhandlungstermin vom 9. Februar 1983 die seinem Vertreter erteilte Prozeßvollmacht widerrufen hatte - im Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. März 1983, auf die das Verbundurteil erging, nicht durch einen bei dem Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten war. Das Verbundurteil wurde statt dem bisherigen Prozeßbevollmächtigten (§§ 87 Abs. 1, 176 ZPO) dem Ehemann persönlich am 23. März 1983 zugestellt.
Am 28. April 1984 bestellte sich für den Ehemann ein neuer Prozeßbevollmächtigter und legte gegen die im Wege des Versäumnisurteils ausgesprochene Verurteilung des Ehemannes zu nachehelichen Unterhaltsleistungen Einspruch ein. Ihm wurde das erstinstanzliche Verbundurteil am 13. November 1984 zugestellt. Mit Urteil vom 12. Dezember 1984 erkannte das Amtsgericht dahin, daß das Versäumnisurteil (Ziff. 4 des Urteils vom 16. März 1983) aufrecht erhalten werde. Hiergegen legte der Ehemann am 10. Januar 1985 Berufung ein, über die noch nicht entschieden ist (Az.: 5 UF 71/85 des Oberlandesgerichts Hamm).
Am 12. Dezember 1984 legte der Ehemann gegen das am 16. März 1983 verkündete Urteil Berufung ein. In der Begründung beantragte er, unter Abänderung der Ziff. 3 des angefochtenen Urteils den Versorgungsausgleich unter Einbeziehung von Versorgungsanwartschaften der Ehefrau anders zu regeln.
Das Oberlandesgericht hat dieses als Beschwerde behandelte Rechtsmittel als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Ehemannes, mit der er eine Sachentscheidung über die erstrebte Änderung des Versorgungsausgleichs erreichen will.
II. Die gemäß § 621 e Abs. 2 ZPO statthafte weitere Beschwerde ist nicht begründet. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zu Recht ohne Sachprüfung verworfen, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden ist.
1. Ist eine nach § 629 Abs. 1 und 2 Satz 1 ZPO einheitlich ergangene Entscheidung teils (wegen § 612 Abs. 4 ZPO) ohne Rücksicht auf die Säumnis einer Partei und teils als Versäumnisurteil ergangen, unterliegt sie insoweit keinem Rechtsmittel, als sie im Wege des Versäumnisurteils erlassen ist; denn insoweit steht der säumigen Partei allein der Einspruch zu, der binnen zwei Wochen nach der wirksamen Zustellung des Urteils eingelegt werden muß (§§ 338, 339 ZPO). Der nicht als Versäumnisurteil ergangene Teil der Verbundentscheidung unterliegt dagegen der Berufung (§ 511 ZPO) oder, unter den Voraussetzungen des § 629 a Abs. 2 Satz 1 ZPO, der Beschwerde (§ 621 e ZPO). In beiden Fällen beträgt die Rechtsmittelfrist einen Monat, wobei sie spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der angefochtenen Entscheidung beginnt (§§ 516, 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO).
Bei der Entscheidung zu Ziff. 3 des amtsgerichtlichen Urteils (Regelung des Versorgungsausgleichs) handelt es sich um eine Folgesache der in § 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bezeichneten Art, die zu dem nicht als Versäumnisurteil ergangenen Teil des Verbundurteils gehört. Sie konnte daher nur durch ein Rechtsmittel (Berufung oder Beschwerde) angefochten werden. Die Monatsfrist für die Anfechtung der am 16. März 1983 verkündeten Entscheidung begann nach § 516 ZPO spätestens am 16. August 1983 zu laufen; sie war daher bei Einlegung der Beschwerde am 12. Dezember 1984 abgelaufen.
2. Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde hat der vom Antragsgegner eingelegte Einspruch, durch den das Verfahren über den durch das Versäumnisurteil entschiedenen Teil in die frühere Lage zurückversetzt wurde (§ 342 ZPO), keinen Einfluß auf den Lauf der Frist für die Beschwerde gegen die Entscheidung über den Versorgungsausgleich.
a) Wird in Urteilen über einen abtrennbaren Teil aufgrund der Säumnis einer Partei entschieden, über andere Teile dagegen ohne Rücksicht auf die Säumnis, etwa bei teilweiser Abweisung der Klage durch sog. unechtes Versäumnisurteil, so ist anerkannt, daß wegen des durch Versäumnisurteil entschiedenen Teils nur Einspruch eingelegt werden kann, während der weitere Urteilsinhalt mit Rechtsmitteln angefochten werden muß (vgl. BAG NJW 1966, 612; Stein/Jonas/Schumann/Leipold ZPO 19. Aufl. § 338 Anm. I Abs. 1 a.E.; Zöller/Stephan ZPO 14. Aufl. § 338 Rdn. 1; Baumbach/Lauterbach/Hartmann ZPO 44. Aufl. § 338 Anm. 3). Das bis dahin zusammengefaßte Verfahren fällt in solchen Fällen in zwei getrennte Verfahren auseinander, falls sowohl Einspruch gegen den einen wie ein Rechtsmittel gegen den anderen Teil eingelegt werden. Für das Verbundurteil gilt nichts anderes: Es gibt für Angriffe auf seine einzelnen Entscheidungsteile keinen einheitlichen Rechtsbehelf. Ob der Einspruch oder ein Rechtsmittel gegeben ist, richtet sich vielmehr auch hier danach, ob der in Frage stehende Urteilsteil aufgrund der Säumnis erlassen worden ist oder nicht. Die einerseits für den Einspruch und andererseits für Berufung oder Beschwerde bestehenden unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Bestimmungen zum Beginn und zur Dauer der zu beachtenden Fristen gelten uneingeschränkt und unabhängig voneinander. Der Einspruch gegen den auf Säumnis beruhenden Teil der Entscheidung hemmt nicht den Eintritt der Rechtskraft der übrigen Teile. Insofern liegt es anders als bei Einlegung eines Rechtsmittels (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 8. Juli 1981 - IVb ZB 657/81 - FamRZ 1981, 946).
b) Aus § 629 Abs. 2 Satz 2 ZPO läßt sich nichts Gegenteiliges herleiten. Diese Vorschrift regelt (erst) das Verfahren für den Fall, daß gegen eine im Verbundurteil durch echtes Versäumnisurteil geregelte Folgesache zulässig Einspruch und gegen das Urteil im übrigen zulässig ein Rechtsmittel eingelegt worden ist: In solchem Fall ist zunächst über den Einspruch und das Versäumnisurteil zu verhandeln und zu entscheiden. Die mit der Einführung des Verbundes verfolgten Zwecke sollen dadurch nach Möglichkeit auch in der durch die Einlegung eines Rechtsmittels eröffneten nächsten Instanz zur Geltung gebracht werden. Ohne die Bestimmung des § 629 Abs. 2 Satz 2 ZPO würde es zu Sachentscheidungen in nebeneinander in verschiedenen Instanzen herlaufenden Verfahren kommen können, später möglicherweise zu einem zweiten Rechtsmittelverfahren, wenn nach der Verhandlung über Einspruch und Versäumnisurteil die insoweit ergehende neue Entscheidung (§ 343 ZPO) ebenfalls angefochten wird. Wenn aber bereits feststeht, daß es in dem einen Verfahren zu einer Sachprüfung aus prozessualen Gründen nicht kommen kann, besteht kein Raum für eine Anwendung des § 629 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
c) Gelten für den Teil des Verbundurteils, auf den sich die Wirkung des Einspruchs nicht erstreckt (§ 342 ZPO), die allgemeinen Vorschriften für Rechtsmittel, muß sich eine Partei gegebenenfalls über eine Anfechtung schlüssig werden, bevor sie weiß, wie über den Teil neu entschieden werden wird, der durch den Einspruch in die vor Eintritt der Säumnis bestehende Lage zurückversetzt worden ist. Auch das veranlaßt jedoch keine andere Beurteilung. Eine vergleichbare Lage besteht auch in den Fällen, in denen das Gericht dem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über eine Folgesache stattgibt (§ 628 Abs. 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2992861 |
BGHR ZPO § 342 Einspruchswirkung 1 |
BGHR ZPO § 629 Abs. 1 Entscheidungsteile 1 |
DRsp IV(415)177e |
DRsp IV(418)236a |
FamRZ 1986, 897 |
MDR 1987, 39 |
DRsp-ROM Nr. 1992/3648 |