Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 03.09.2008; Aktenzeichen 7 U 3900/06) |
LG München I (Entscheidung vom 08.06.2006; Aktenzeichen 22 O 19755/05) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 3. September 2008 – 7 U 3900/06 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: unter Einschluss des Kostenwerts für den erledigten Teil bis 40.000 EUR
Tatbestand
I.
Rz. 1
Der Kläger zeichnete am 7. Dezember 2000 – unter Einschaltung der D. T. GmbH als Treuhänderin – eine Kommanditeinlage über 100.000 DM zuzüglich 5 v.H. Agio an dem Filmfonds V. B. F. GmbH & Co. Dritte KG. Die Fondsgesellschaft geriet im Jahr 2002 im Zusammenhang mit der Insolvenz der Produktionsdienstleisterin in eine wirtschaftliche Schieflage. Es stellte sich heraus, dass an die Produktionsdienstleisterin überwiesene Gelder nicht zurückzuerlangen und Erlösausfallversicherungen für aufgenommene Produktionen nicht abgeschlossen waren.
Rz. 2
Wegen behaupteter Mängel des Prospekts hat der Kläger Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung erstinstanzlich Rückzahlung des eingezahlten Betrags von noch 52.131,77 EUR nebst Zinsen begehrt. Im Berufungsverfahren hat er im Hinblick auf einen mit der nicht mehr am Verfahren beteiligten Beklagten zu 3 geschlossenen Vergleich die Hauptsache in Höhe von 26.065,88 EUR für erledigt erklärt. Der Kläger hält die Beklagte zu 1 – Tochtergesellschaft einer international tätigen Großbank – als (Mit-)Initiatorin und Hintermann für prospektverantwortlich. Die Beklagte zu 2, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, hat der Kläger wegen behaupteter Fehler bei der ihr von der Beklagten zu 1 aufgetragenen Prüfung des Prospekts in Anspruch genommen.
Rz. 3
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Auf die Beschwerde des Klägers hat der Senat durch Beschluss vom 20. Dezember 2007 (III ZR 25/07 – juris) die Revision zugelassen und das Berufungsurteil insoweit aufgehoben, als die gegen die Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagte) gerichtete Klage abgewiesen worden ist. Im weiteren Verfahren hat das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers erneut zurückgewiesen. Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 4
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Zulassung der Revision; insbesondere ist der Kläger nicht in seinem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden.
Rz. 5
1. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 20. Dezember 2007 (aaO Rn. 7) entschieden, dass der Emissionsprospekt im Hinblick auf die im Abschnitt „Risiken der Beteiligung” angeführte, als „worst-case-Szenario” bezeichnete „Restrisiko-Betrachtung” den Anleger nicht deutlich genug darauf hinweist, dass seine Beteiligung dem Risiko eines Totalverlustes und nicht lediglich eines begrenzten Verlustes unterliegt, und hat darin einen Prospektmangel gesehen (vgl. auch die denselben Filmfonds betreffenden Senatsurteile vom 14. Juni 2007 – III ZR 300/05 – NJW-RR 2007, 1329, 1331 Rn. 13 f; III ZR 125/06 – WM 2007, 1503, 1504 f Rn. 14 f). Hiervon geht auch das Berufungsgericht aus. Prospekthaftungsansprüche sieht es indes als verjährt an. Das ist unter Zugrundelegung der Rechtsprechung, dass Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinn bei einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung in analoger Anwendung der in den gesetzlich geregelten Fällen der Prospekthaftung bestimmten kurzen Verjährung (§ 20 Abs. 5 KAGG, § 12 Abs. 5 AuslInvestmG, jeweils in der bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung) in – seinerzeit – sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektmangels, spätestens jedoch in drei Jahren nach dem Beitritt verjähren (vgl. Senatsurteil vom 6. März 2008 – III ZR 298/05 – NJW-RR 2008, 1365, 1366 f Rn. 12 m.w.N.), nicht zu beanstanden. Auch die Beschwerde nimmt dies hin.
Rz. 6
2. a) Prospekthaftungsansprüche im weiteren Sinn verneint das Berufungsgericht mit näherer Begründung, weil es zwischen den Parteien zu keinem unmittelbaren geschäftlichen Kontakt gekommen und persönliches Vertrauen nicht in Anspruch genommen worden sei. Die Darstellung der Aufgaben der Beklagten im Prospekt genüge hierfür nicht. Die Beklagte hafte auch nicht wegen Verletzung eines Auskunftsvertrags, da eine etwaige Mitwirkung an der Erstellung des Emissionsprospekts keine entsprechende vertragliche Bindung erzeuge.
Rz. 7
b) Die damit angesprochenen Fragen sind höchstrichterlich geklärt. Hiernach scheidet eine vertragliche Haftung der Beklagten aus.
Rz. 8
aa) Dass die Beklagte nach den Senatsurteilen vom 14. Juni 2007 als prospektverantwortliche Mitinitiatorin oder Hintermann in Betracht kommt (III ZR 185/05 – NJW-RR 2007, 1479 f Rn. 9-13; III ZR 125/06 aaO S. 1505 f Rn. 17-22), bedeutet nicht, dass sie ohne weitere Voraussetzungen auch nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne haften würde (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1984 – II ZR 83/84 – WM 1984, 889; Senatsbeschluss vom 29. Januar 2009 – III ZR 74/08 – WM 2009, 400, 401 Rn. 8). Während die eigentliche Prospekthaftung an typisiertes Vertrauen anknüpft, kommt es für die Prospekthaftung im weiteren Sinne darauf an, dass nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo persönliches Vertrauen in Anspruch genommen worden ist. Aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen haftet daher insoweit, wer Vertragspartner ist oder werden soll oder – was hier allerdings von vornherein nicht in Betracht kommt – als ein für ihn auftretender Vertreter oder Beauftragter (Sachwalter) aufgetreten ist und dabei für seine Person Vertrauen in Anspruch genommen und die Vertragsverhandlungen beeinflusst hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 1981 – II ZR 193/80 – WM 1981, 1021, 1022). Die Beklagte hatte mit dem Kläger keinen persönlichen Kontakt. Sie hatte auch – anders als in dem dem Senatsurteil vom 13. Juli 2006 (III ZR 361/04 – NJW-RR 2007, 406, 407 Rn. 9) zugrunde liegenden Fall, auf den sich die Beschwerde bezieht – keine Stellung, nach der sie in eine Vertragsbeziehung zum Anleger trat oder dessen Beitritt sie im Namen der Fondsgesellschaft zu bewirken hatte. Der Kläger war, wie sich aus dem vorgelegten Zeichnungsschein ergibt und vom Berufungsgericht zugrunde gelegt worden ist, kein Direktkommanditist (zu einer solchen Fallkonstellation vgl. Senatsbeschluss vom 29. Januar 2009 aaO Rn. 8), sondern trat der Gesellschaft als Treugeber über die D. T. GmbH bei, mit der er durch einen Treuhandvertrag verbunden war und die nach § 4 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags berechtigt war, ihr Recht zur Einlagenerhöhung durch einseitige Erklärung gegenüber der persönlich haftenden Gesellschafterin auszuüben. Die Beklagte war zwar eingeschaltet, um den Zeichnungsschein in Empfang zu nehmen und die Einlage sowie das Agio „auf Bitte” des Anlegers per Lastschrift im Abbuchungsverfahren einzuziehen und an die Fondsgesellschaft weiterzuleiten. Die Stellung als Einzahlungstreuhänderin hatte die Beklagte indes auf der Grundlage ihres mit der Fondsgesellschaft geschlossenen Vertrages über die Eigenkapitalvermittlung. Dass der Anleger nach dem Inhalt des Zeichnungsscheins und des Gesellschaftsvertrags unter diesen Voraussetzungen der Fondsgesellschaft beitrat, begründet im Verhältnis der Parteien zueinander keine nähere vertragliche Beziehung, aus der sich für die Beklagte Aufklärungspflichten ergeben konnten. Auch die weiteren im Senatsurteil vom 14. Juni 2007 aufgeführten Umstände, auf die sich die Beschwerde bezieht (vgl. III ZR 125/06 aaO S. 1505 Rn. 20), betreffen nur die Frage, ob und inwieweit die Beklagte als Prospektverantwortliche angesehen werden kann, und besagen nichts dazu, in welcher qualifizierten, persönliches Vertrauen begründenden Weise sie den Anlegern gegenüber getreten ist.
Rz. 9
bb) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des (stillschweigenden) Abschlusses eines Auskunftsvertrages. Die Beklagte war zwar von der Fondsgesellschaft allgemein mit der Koordination des Eigenkapitalvertriebs betraut worden, hat den Kläger aber nicht selbst vermittelt. Der Kläger ist daher über die für seinen Anlageentschluss bedeutsamen Umstände nicht durch die Beklagte informiert worden, was üblicherweise Anknüpfungspunkt für eine Haftung des Vermittlers aus einem Auskunftsvertrag sein kann. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die vermittelnde Bank, die den Kläger geworben hat, für die Beklagte Erklärungen abgegeben hätte und hierzu von ihr bevollmächtigt gewesen wäre. Dementsprechend knüpft die Beschwerde an den Vortrag des Klägers an, die für seinen Anlageentschluss erheblichen Informationen hätten sich unmittelbar aus dem Prospekt ergeben; die Beklagte sei als Tochtergesellschaft einer international tätigen Großbank besonders sachkundig gewesen und habe an der Einwerbung von Kommanditanteilen ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse gehabt. Angesichts einer Mindestanlagesumme von 100.000 DM habe sich der Verkaufsprospekt nur an einen überschaubaren Interessentenkreis gewendet. Aufgrund ihrer im Prospekt herausgehobenen Stellung habe sie als Vertrauensträgerin fungiert.
Rz. 10
Für die Annahme eines Auskunftsvertrages ist regelmäßig – wie bei der Haftung wegen eines Verhandlungsverschuldens, aber anders als bei der Prospekthaftung im engeren Sinne – ein Kontakt zwischen den Parteien erforderlich, der im Hinblick auf die intendierte rechtsgeschäftliche Haftung dahin gehen muss, dass eine als verbindliche Willenserklärung anzusehende Auskunft gegenüber einem Interessenten erteilt wird, der sie zur Grundlage seiner Entschließung machen möchte. Allerdings sind in der Rechtsprechung auch Konstellationen behandelt worden, in denen geprüft worden ist, ob der Auskunftsgeber auch ohne eine dahingehende Anfrage und Kontaktaufnahme gegenüber einem überschaubaren Kreis von Interessenten ein Angebot auf Abschluss eines Auskunftsvertrages abgibt (vgl. BGH, Urteile vom 12. Februar 1979 – II ZR 177/77 – NJW 1979, 1595 f; vom 22. September 1982 – IVa ZR 322/80 – NJW 1983, 276 und IVa ZR 323/80 – VersR 1982, 1143 f; vom 25. September 1985 – IVa ZR 237/83 – VersR 1986, 35 f). Dies ist etwa für die Kreditauskunft einer Bank und die Bestätigung eines Lebensversicherungsunternehmens angenommen worden, die sich an noch unbekannte Personen richteten, die als Darlehensgeber für ein Projekt in Betracht kamen (vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Juli 1998 – XI ZR 375/97 – NJW-RR 1998, 1343, 1344), hingegen in einem Fall verneint worden, in dem ein Vertriebsbeauftragter Werbeunterlagen verwendet hatte, in denen der in Anspruch genommene Beklagte als erfolgreicher Unternehmer dargestellt wurde. Hier steht einer rechtsgeschäftlichen Verbindung der Parteien – über die zum fehlenden Verhandlungsverschulden bereits angesprochenen Gesichtspunkte hinaus – entgegen, dass die Fülle und die Gesamtheit der im Emissionsprospekt enthaltenen Angaben schon nicht als Auskunft bewertet werden können; es kommt hinzu, dass die Beklagte nach dem Inhalt des Prospekts zwar mit verschiedenen Aufgaben betraut war, aber nicht einmal als Urheberin oder Garantin für bestimmte Prospektaussagen hervorgehoben wird oder sonst hervortritt. Dass im Nachhinein Umstände vorgetragen und erkennbar geworden sind, nach denen die Beklagte als Mitinitiatorin oder Hintermann in Betracht kommt, mag ihre Prospektverantwortlichkeit begründen, rechtfertigt aber nicht die Bewertung, sie habe – ohne dass es zu einer Kontaktaufnahme oder einem Ersuchen des Anlegers gekommen sei – ein Angebot auf Abschluss eines rechtsverbindlichen Auskunftsvertrages abgegeben. Wollte man dies – wie die Beschwerde – anders sehen, wären die Unterschiede zwischen der Prospekthaftung im engeren Sinne und der Vertragshaftung aufgehoben.
Rz. 11
3. Das Berufungsgericht hat schließlich im Anschluss an die im Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2007 (aaO Rn. 9; vgl. auch Senatsurteil vom 14. Juni 2007 – III ZR 125/06 – aaO S. 1506 Rn. 23) wiedergegebenen Behauptungen von Anlegern geprüft, ob der Beklagten bei Herausgabe des Prospekts bekannt gewesen sei, dass der Abschluss einer Erlösausfallversicherung entgegen den Prospektangaben erst nach Produktionsbeginn möglich gewesen sei, und deshalb eine Haftung nach §§ 31, 826, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a StGB in Betracht komme. Es hat hierzu ausgeführt, ein vorsätzlicher Kapitalanlagebetrug käme in Betracht, wenn der Geschäftsführer der Beklagten durch seine beim Vorgängerfonds V. GmbH & Co. KG gewonnenen Erkenntnisse gewusst habe, dass die im Prospekt des streitgegenständlichen Fonds dargestellte Absicherung der Anlegergelder unrichtig sei oder insoweit erhebliche Tatsachen verschwiegen worden seien. Das wäre anzunehmen, wenn der Geschäftsführer der Beklagten aufgrund seiner Erfahrungen mit dem Vorgängerfonds zumindest damit gerechnet habe, dass die im Prospekt erwähnten Erlösausfallversicherungen nicht abgeschlossen werden könnten, diese Versicherungen jedenfalls nicht vor Beginn der Produktionen vorliegen würden und er insofern die Unrichtigkeit beziehungsweise die Unvollständigkeit des Prospekts zumindest billigend in Kauf genommen habe. Ein solcher Vorsatz sei nicht feststellbar.
Rz. 12
Der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts, das – nach der Verjährung von Prospekthaftungsansprüchen im engeren Sinn – für eine deliktische Haftung nach § 826 BGB oder nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a StGB ein über den Fahrlässigkeitsvorwurf hinausgehendes Verschulden für erforderlich erachtet, ist nicht zu beanstanden. Er steht auch nicht in Widerspruch zur aufhebenden Entscheidung des Senats, der ausgeführt hat, ein Anleger müsse über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln, aufgeklärt werden, und bei Kenntnissen über Probleme bei dem Vorgängerfonds liege die deliktsrechtliche Verantwortlichkeit der Beklagten nahe. Ob sich das Berufungsgericht die hierfür erforderliche Gewissheit verschaffen kann, unterliegt seiner tatrichterlichen Würdigung, gegen die der Kläger keine durchgreifenden Zulassungsgründe anführt. Insoweit beruft sich der Kläger zu Unrecht darauf, die Würdigung des Berufungsgerichts sei objektiv willkürlich und verletze seine Rechte aus Art. 103 Abs. 1 GG. Das Berufungsgericht ist auf die Vernehmungsprotokolle verschiedener Parallelverfahren, mit deren Verwertung sich die Parteien einverstanden erklärt hatten, eingegangen und hat – übrigens wie die meisten anderen Zivilsenate, die in Parallelverfahren tätig geworden sind – nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der damalige Geschäftsführer der Beklagten davon ausgegangen ist, dass die Filmproduktionen für den streitgegenständlichen Fonds nicht prospektgemäß abgesichert werden könnten oder abgesichert seien. Dabei hat es durchaus gesehen, dass die Beklagte davon Kenntnis hatte, dass bei dem Vorgängerfonds in Einzelfällen mit Produktionen begonnen wurde, ehe zu ihnen jeweils Einzelpolicen ausgefertigt wurden. Daraus folgt jedoch nicht zwingend, dass das für eine deliktsrechtliche Verantwortlichkeit erforderliche qualifizierte Verschulden der Beklagten für den vorliegenden Fonds zu bejahen ist.
Unterschriften
Schlick, Dörr, Wöstmann, Seiters, Schilling
Fundstellen
Haufe-Index 2289511 |
GWR 2009, 299 |