Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperverletzung mit Todesfolge
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 13. Dezember 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. Aufrechterhalten bleiben jedoch die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen und zur inneren Tatseite.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schußwaffe zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge einen Teilerfolg. Die weitergehende Revision ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen schoß der damals 14 Jahre alte Angeklagte am Silvesterabend 1999 auf der Straße aus einer kurzläufigen Kleinkaliberwaffe, diese beidhändig mit ausgestreckten Armen haltend, gezielt auf den Passanten P., der in etwa 25 m Entfernung mit seiner Ehefrau und seinen zwei Kindern stand. Der Schuß traf in dessen Herz und war tödlich. Der Angeklagte, der Mitglied eines Schützenvereins ist, handelte dabei, um jemanden aus der Vierergruppe zu verletzen. Er konnte und mußte die tödliche Folge seines Schusses voraussehen.
Zu der erfolgreichen Verfahrensrüge hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt:
„Die Revision beanstandet zu Recht, der Mutter des Angeklagten, der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 15 Jahre alt war, sei das letzte Wort nicht erteilt worden, obwohl sie in der Hauptverhandlung anwesend gewesen sei, als dem Angeklagten das letzte Wort gewährt wurde. Neben einem jugendlichen Angeklagten ist gemäß § 67 Abs. 1 JGG i.V.m. § 258 Abs. 2 und 3 StPO dessen gesetzlichem Vertreter oder Erziehungsberechtigtem stets von Amts wegen – und nicht nur auf Verlangen – das letzte Wort zu erteilen (vgl. BGHSt 21, 288, 289; BGH NStZ 1996, 612; BGH NStZ 2000, 435; BGH NStZ 2000, 553).”
Mit dem Generalbundesanwalt erachtet der Senat das genannte Prozeßgeschehen und damit den Verfahrensfehler für bewiesen (vgl. dazu BGH NStZ 1999, 426). Jedoch kann der Senat – entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts, der allein den Strafausspruch durch den Rechtsfehler berührt sieht – nicht völlig ausschließen, daß auch der Schuldspruch auf dem Rechtsfehler beruht. Es ist immerhin denkbar, daß das Landgericht aufgrund eines letzten Wortes der Mutter des zur Tatzeit 14jährigen Angeklagten zu einer anderen Beurteilung der Frage der Verantwortungsreife des Angeklagten nach § 3 JGG gelangt wäre (vgl. BGH NStZ 2000, 553). Deshalb wird auch der Schuldspruch aufgehoben.
Indes schließt der Senat aus, daß etwa auch die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen und zur inneren Tatseite (Körperverletzungsvorsatz und Fahrlässigkeit hinsichtlich der Todesfolge) auf dem Rechtsfehler beruhen. Hierzu hätten Äußerungen der Mutter des Angeklagten in deren letztem Wort nichts beitragen können, zumal da die Herkunft der Tatwaffe ungeklärt geblieben ist, so daß die etwa denkbare Angabe der Mutter des Angeklagten, ihr Sohn habe nach ihrer Kenntnis weder eine solche Waffe besessen noch Zugang zu einer solchen gehabt, ins Leere gegangen wäre. Deshalb werden die genannten Feststellungen aufrechterhalten. Der neue Tatrichter hat danach nur – unter Zugrundelegung dieser Feststellungen – zunächst über die Fragen der Verantwortungsreife und der Schuldfähigkeit des Angeklagten zu befinden und gegebenenfalls einen Schuldspruch zu fassen sowie die Rechtsfolge neu zu bestimmen.
Unterschriften
Tepperwien, Häger, Basdorf, Gerhardt, Raum
Fundstellen