Entscheidungsstichwort (Thema)
Erneute Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts. Aufhebung und Verlängerung eines Einwilligungsvorbehalts
Leitsatz (amtlich)
a) Wird ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, nachdem ein zuvor bestehender (anderer) Einwilligungsvorbehalt bereits aufgehoben war, handelt es sich nicht um eine Erweiterung des Einwilligungsvorbehalts, sondern um dessen erneute Anordnung, so dass die §§ 278, 280 FamFG unmittelbar anzuwenden sind; § 293 Abs. 2 FamFG findet in diesen Fällen keine Anwendung.
b) Wird für eine bereits bestehende Betreuung isoliert ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, so ist in der Beschlussformel der Zeitpunkt zu bezeichnen, bis zu dem das Gericht über die Aufhebung oder Verlängerung dieser Maßnahme zu entscheiden hat.
Normenkette
BGB § 1903; FamFG §§ 278, 286, 293
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Mönchengladbach vom 7.9.2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 3.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Der Betroffene wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes.
Rz. 2
Der Betroffene ist im Rahmen des Maßregelvollzugs geschlossen untergebracht. Er steht seit 1994 unter Betreuung. Der Aufgabenkreis des Betreuers umfasst die Gesundheitsfürsorge, die Aufenthaltsbestimmung, die Vertretung vor Behörden, die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten des Betreuten in seiner Eigenschaft als Miterbe nach seiner am 6.12.2004 verstorbenen Mutter sowie die Vermögenssorge.
Rz. 3
Auf Antrag des Betreuers hat das AG angeordnet, dass die Willenserklärungen des Betroffenen im Bereich der Vermögenssorge der Einwilligung des Betreuers bedürfen. Das LG hat die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insb. gem. § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthaft. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Rz. 5
1. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass die angegriffene Entscheidung verfahrensfehlerhaft ergangen ist, weil der Betroffene weder vom AG noch vom Beschwerdegericht angehört worden ist.
Rz. 6
a) Gemäß § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts persönlich anzuhören. Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Das Beschwerdegericht kann gem. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur dann von der persönlichen Anhörung absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind (BGH v. 16.5.2012 - XII ZB 454/11, FamRZ 2012, 1207 Rz. 17).
Rz. 7
Eine Ausnahme hiervon sieht § 293 Abs. 2 Satz 1 FamFG u.a. für den Fall der Erweiterung des Kreises der einwilligungsbedürftigen Willenserklärungen vor. Danach bedarf es einer persönlichen Anhörung nicht, wenn diese nicht länger als sechs Monate zurückliegt (Nr. 1) oder die beabsichtigte Erweiterung nicht wesentlich ist (Nr. 2).
Rz. 8
b) Gemessen hieran hätte der Betroffene angehört werden müssen, weil § 293 FamFG hier schon nicht anwendbar ist.
Rz. 9
Entgegen der vom AG in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 23.8.2011 vertretenen Auffassung, wonach es sich um eine Erweiterung des bereits bestehenden Einwilligungsvorbehalts handele, hat die angegriffene Entscheidung nicht bloß eine Erweiterung, sondern die (erneute) Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts zum Gegenstand.
Rz. 10
Zwar enthält die für den Betreuer ausgefertigte Bestellungsurkunde den Zusatz, dass die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten des Betreuten in seiner Eigenschaft als Miterbe nach seiner am 6.12.2004 verstorbenen Mutter der Einwilligung des Betreuers bedürfe.
Rz. 11
Zu Recht hat jedoch die Rechtsbeschwerde darauf hingewiesen, dass die Angabe dieses Einwilligungsvorbehalts ohne richterlichen Beschluss erfolgt ist. Zwar hatte das AG Langenfeld mit Beschluss vom 25.3.2009 einen entsprechenden - allerdings vorläufigen - Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Dieser Einwilligungsvorbehalt ist jedoch vom LG Düsseldorf mit Beschluss vom 27.4.2009 aufgehoben worden.
Rz. 12
2. Deswegen ist der angefochtene Beschluss gem. § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Da die Sache schon angesichts der unterbliebenen Anhörung noch nicht entscheidungsreif ist, ist sie gem. § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
III.
Rz. 13
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass gem. § 280 Abs. 1 Satz 1 FamFG vor der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts zudem eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden hat. Daneben wird ggf. zu beachten sein, dass gem. § 286 Abs. 2 und 3 FamFG in der Beschlussformel der Zeitpunkt zu bezeichnen ist, bis zu dem das Gericht über die Aufhebung oder Verlängerung des Einwilligungsvorbehalts zu entscheiden hat.
Rz. 14
Schließlich wird das Gericht zu prüfen haben, ob die von ihm getroffenen Feststellungen die Anordnung eines entsprechenden Einwilligungsvorbehalts gem. § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB zu rechtfertigen vermögen. Jedenfalls ist der Vortrag des Betroffenen in seinem "Widerspruch" vom 22.7.2011, wonach er das Recht habe, sein Geld für einen guten Anwalt auszugeben, wenn er dadurch seine Freiheit zurückerhalte, nicht von vornherein abwegig. Insoweit wird sich der Tatrichter auch mit der Honorarhöhe auseinanderzusetzen und die Unverhältnismäßigkeit der Forderung im Einzelnen zu prüfen haben. Denn ein Einwilligungsvorbehalt darf nur dann angeordnet werden, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr i.S.d. § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB bestehen. Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen (BGH v. 27.7.2011 - XII ZB 118/11, FamRZ 2011, 1577).
Fundstellen