Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 10.04.2006) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 10. April 2006 mit den Feststellungen aufgehoben
- soweit der Angeklagte wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden ist,
- in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und die Maßregeln.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen und wegen (vorsätzlicher) Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zwei Wochen verurteilt; ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und bestimmt, dass ihm vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit das Landgericht ihn wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Einsatzstrafe von sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt hat. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 14. August 2006.
Rz. 3
2. Dagegen kann die Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) nicht bestehen bleiben. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei, als er nach der zum Nachteil der Zeugen B. und M. begangenen Gewalttat mit seinem eigenen Pkw geflohen sei, fahruntüchtig im Sinne des § 316 StGB gewesen, ist nicht hinreichend belegt.
Rz. 4
Das Landgericht hat weder die seiner rechtlichen Wertung zu Grunde liegende Tatzeitblutalkoholkonzentration ermittelt noch die für die Berechnung erforderlichen Daten in ausreichendem Umfang mitgeteilt. Vielmehr ist dem Urteil allein zu entnehmen, dass die dem Angeklagten angelastete Fahrt mit seinem Pkw frühestens um 4.30 Uhr begann und ihm am selben Tag um 13.58 Uhr eine Blutprobe entnommen wurde, die eine Blutalkoholkonzentration von 0,01‰ ergab. Dagegen fehlt jede Angabe zum Trinkverlauf und insbesondere zum Trinkende. Diese Angaben sind grundsätzlich nicht entbehrlich, um bestimmen zu können, wann die Resorption des aufgenommenen Alkohols abgeschlossen ist. Darauf kommt es nach der Rechtsprechung an, weil die Resorption bis zu zwei Stunden dauern kann und deshalb die ersten zwei Stunden nach Trinkende grundsätzlich von einer Rückrechnung auszunehmen sind (BGHSt 25, 246; Janiszewski/Jagow/Burmann Straßenverkehrsrecht 19. Aufl. § 316 StGB Rdn. 7 und 14 m.w.N.).
Rz. 5
Selbst wenn davon auszugehen sein sollte, dass im Zeitpunkt des Fahrtantritts um 4.30 Uhr bei dem Angeklagten die Alkoholresorption bereits vollständig abgeschlossen war, wäre zumindest die Annahme alkoholbedingter „absoluter” Fahruntüchtigkeit nicht belegt. Denn ausgehend von dem Ergebnis der Blutprobe ergäbe die Rückrechnung mit dem zu Grunde zu legenden stündlichen Abbauwert von 0,1 ‰ eine max. Tatzeitblutalkoholkonzentration von 0,01 ‰ plus (9,5 Stunden mal 0,1 =) 0,95 ‰ = 0,96 ‰ und damit einen Wert unterhalb der Grenze der absoluten Fahruntauglichkeit von 1,1 ‰ (BGHSt 37, 89). Fahrfehler oder sonstige Ausfallerscheinungen in der Person des Angeklagten, die die Annahme „relativer” Fahruntüchtigkeit tragen könnten, sind nicht festgestellt. Dafür genügt insbesondere auch nicht die von der Strafkammer in diesem Zusammenhang herangezogene „Erregung” (UA 26). Dass der Angeklagte selbst seine Alkoholisierung erkannte und deshalb zunächst auf die Benutzung seines Fahrzeugs verzichtet hatte, mag für eine versuchte Trunkenheitsfahrt sprechen, die in § 316 StGB aber nicht unter Strafe gestellt ist; für die Annahme einer vollendeten Tat genügt diese bloße Einschätzung des Angeklagten dagegen nicht.
Rz. 6
3. Über den Vorwurf der Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB ist deshalb neu zu befinden. Die Aufhebung der Verurteilung nach § 316 StGB erfasst auch die insoweit erkannte Einzelstrafe von einem Monat Freiheitsstrafe und zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und ebenfalls des Maßregelausspruchs nach §§ 69, 69 a StGB nach sich.
Rz. 7
Sofern der neue Tatrichter nicht zur Annahme zumindest „relativer” Fahruntüchtigkeit und deshalb nicht erneut zur Verurteilung des Angeklagten nach § 316 StGB gelangt, wird er die Tat gemäß § 82 Abs. 2 OWiG auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 a Abs. 1 StVG zu beurteilen haben.
Unterschriften
VRi'in BGH Dr. Tepperwien ist krankheitsbedingt an der Unterschrift, RiBGH Maatz urlaubsbedingt an der Anbringung des Verhinderungsvermerks gehindert., Athing, Maatz, Athing, Solin-Stojanović, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2555266 |
BA 2007, 35 |