Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 12.12.2017) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Dezember 2017 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Ergänzend bemerkt der Senat:
Auch die Verurteilung wegen (vollendeten) Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erweist sich als rechtsfehlerfrei.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts traf sich der Angeklagte am 26. Juli 2017 in Eindhoven mit dem Drogenhändler „A.”, der ihm den Schlüssel zu einem mit zehn Kilogramm Marihuana gefüllten Koffer gab und ihn beauftragte, den Koffer als Fahrgast eines Busses nach Düsseldorf zu befördern. Der Angeklagte lehnte dies ab und bat „A.” darum, den mit Marihuana gefüllten Koffer selbst in einen nach Düsseldorf fahrenden Reisebus zu bringen. Er, der Angeklagte, werde mit dem Zug nach Düsseldorf kommen und den Koffer dort entgegennehmen. Dementsprechend gab „A.” den Koffer an einem Reisebus in Eindhoven ab. Der Angeklagte fuhr mit dem Zug nach Düsseldorf, kam dort gegen 18.30 Uhr an und wartete am Busbahnhof auf die Ankunft des Busses. Als dieser schließlich um 19.10 Uhr eingetroffen war und der Busfahrer die Koffer entladen hatte, begab sich der Angeklagte zur Gepäckausgabestelle; dort nahm er den Koffer entgegen, um ihn mit dem Zug nach Essen zu bringen. Der ganze Vorfall wurde von aus anderem Anlass anwesenden Zivilpolizisten beobachtet, die den Angeklagten, als er sich von der Gepäckausgabestelle auf den Weg zum Hauptbahnhof begab, anhielten und zur Wache verbrachten, wo sie bei ihm den zum Koffer passenden Schlüssel fanden.
2. Das Verhalten des Angeklagten hat das Landgericht zutreffend als Besitz von Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge) gewertet. Dem steht nicht entgegen, dass es keine Feststellungen dazu getroffen hat, wieviel Zeit zwischen der Entgegennahme des Koffers an der Gepäckausgabestelle und der Festnahme des Angeklagten durch die Polizei verging.
a) Besitz im Sinne des Betäubungsmittelrechts setzt ein tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis und einen Besitzwillen voraus, der darauf gerichtet ist, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache zu erhalten (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 15. April 2008 – 4 StR 651/07, NStZ-RR 2008, 212 mwN). Entscheidend ist daher, dass der Mitarbeiter der Gepäckausgabestelle durch die Herausgabe des Koffers seine Verfügungsgewalt aufgab und der Angeklagte durch Entgegennahme desselben ein (auf eine gewisse Dauer gerichtetes) tatsächliches Herrschaftsverhältnis begründete, das von einem auf die Erhaltung der Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache gerichteten Besitzwillen getragen war. Jedenfalls in einem solchen Fall kommt es für die Begründung von Besitz im betäubungsmittelrechtlichen Sinn auf die tatsächliche Dauer der Sachherrschaft nicht an. Soweit die Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte sowie Teile der Kommentarliteratur davon ausgehen, Besitz von Betäubungsmitteln setze „objektiv eine tatsächliche Sachherrschaft für einen nennenswerten Zeitraum” voraus (vgl. bspw. Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29, Teil 13 Rn. 13 u. 19; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 1321; KG, Beschlüsse vom 23. Juli 1996 – (4) 1 Ss 165/95 (72/96), NStZ-RR 1996, 345; vom 8. Juli 1991 – 1 Ss 85/91, StV 1991, 520; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2013 – III-3 RVs 45/13, juris Rn. 6), ist dem in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen (ebenfalls kritisch: MüKoStGB/Kotz/O?lakc?o?lu, 3. Aufl., § 29 BtMG Rn. 1123):
b) Die (spätere) tatsächliche Dauer der Sachherrschaft stellt zwar ein Indiz für die Begründung eigener, von einem Besitzwillen getragener Herrschaftsgewalt über die Betäubungsmittel dar, indes kein zusätzliches Erfordernis für das Vorliegen von Besitz im betäubungsmittelrechtlichen Sinn. Soweit der Bundesgerichtshof in einigen Entscheidungen das Merkmal des Besitzes verneint und zur Begründung dabei auch auf die Dauer der Sachherrschaft abgestellt hat (BGH, Beschlüsse vom 2. September 1994 – 2 StR 429/94, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Besitz 2; vom 25. Februar 1983 – 3 StR 345/82 (S), StV 1983, 200; Urteil vom 16. April 1975 – 2 StR 60/75, BGHSt 26, 117), hat er dieses nicht isoliert herangezogen. Vielmehr kam es in diesen Fällen tragend darauf an, dass die dort angenommene kurze Hilfstätigkeit ohne Herrschaftswillen geleistet wurde (vgl. auch BGH, Urteil vom 3. März 1978 – 2 StR 717/77, BGHSt 27, 380, 382); hierfür hatte die Besitzdauer lediglich indizielle Bedeutung.
c) Der Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft durch den Angeklagten steht auch nicht entgegen, dass die Übergabe des Koffers von der Polizei beobachtet wurde (vgl. BGH, Urteile vom 15. April 2008 – 4 StR 651/07, NStZ-RR 2008, 212; vom 14. Dezember 2005 – 2 StR 466/05, NStZ-RR 2006, 88, 89; vom 22. Januar 1998 – 4 StR 393/97, juris Rn. 9; Beschluss vom 4. Dezember 1981 – 3 StR 408/81, BGHSt 30, 277, 279).
Unterschriften
Gericke, Spaniol, Berg, Hoch, Leplow
Fundstellen
Haufe-Index 12407084 |
NStZ 2019, 7 |
NStZ 2020, 41 |
NStZ-RR 2019, 6 |
StV 2019, 336 |