Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde ohne vorherigen Hinweis durch Gericht
Leitsatz (amtlich)
Eine Partei, der Prozesskostenhilfe für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gewährt worden ist, kann und darf nicht darauf vertrauen, dass ihre Nichtzulassungsbeschwerde nicht ohne vorherigen Hinweis zurückgewiesen wird.
Normenkette
ZPO § 139; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Anhörungsrüge gegen den Senatsbeschluss vom 8.6.2011 wird auf Kosten der Beklagten zu 3) und 4) zurückgewiesen.
Gründe
Rz. 1
I. 1. Die Beklagte zu 1), deren Gesellschafter die Beklagten zu 3) bis 5) sind, und die L. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) schlossen 1999 und 2001 zwei Lizenzverträge über Levitationsanlagen zur Energetisierung von Trinkwasser.
Rz. 2
Bis zum 11.11.2004 flossen der Beklagten zu 1) auf der Grundlage der beiden Verträge u.a. Lizenzzahlungen der Schuldnerin über 190.099,21 EUR zu. In Höhe dieses Betrags zzgl. vorgerichtlicher Zinsen i.H.v. 21.245,85 EUR (insgesamt 211.354,06 EUR) hat das LG die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung an den klagenden Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin verurteilt. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
Rz. 3
2. Der Senat hat den Antrag der Beklagten zu 1) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Berufungsgerichts zurückgewiesen, das Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinsichtlich des Beklagten zu 2) nach dessen Ableben für gegenstandslos erklärt und den Beklagten zu 3) und 4) Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil bewilligt, soweit sie ihre eigene Verurteilung, die Verurteilung der Beklagten zu 1 und die Verurteilung des verstorbenen Beklagten zu 2) angreifen wollen.
Rz. 4
Die von den Beklagten zu 1), 3) und 4) anschließend eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat durch Beschluss vom 8.6.2011 zurückgewiesen. Dagegen haben die Beklagten zu 3) und 4) eine Anhörungsrüge erhoben.
Rz. 5
II. Der Rechtsbehelf ist nicht begründet.
Rz. 6
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind die Lizenzverträge nach § 17 GWB in der vom 1.1.1999 bis zum 30.6.2005 geltenden Fassung i.V.m. § 134 BGB nichtig. Für den demnach gegen die Beklagte zu 1) bestehenden Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Rückzahlung der von der Schuldnerin geleisteten Lizenzzahlungen hafteten die Beklagten zu 3) und 4) als Gesellschafter akzessorisch. Der Anspruch sei nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen. Die Ausführungen der Beklagten zur (angeblichen) Kenntnis der Schuldnerin von der vorherigen Übertragung der Rechte an die F. K. berührten den Bereicherungsanspruch insoweit nicht, als damit auch in zweiter Instanz nicht die Kenntnis von einer Nichtschuld, die gem. § 814 BGB die Rückforderung des Geleisteten ausschließen würde, behauptet werden solle. Dass die Schuldnerin als Leistende gewusst habe, dass sie nach der Rechtslage nichts schulde und über die Kenntnis aller relevanten Tatsachen hinaus diese zudem rechtlich eingeordnet habe, trügen die Beklagten auch in der Berufungsbegründung nicht vor (BU 5).
Rz. 7
Daneben sei der Beklagte zu 2) (und der Beklagte zu 3)) aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB zur Erstattung verpflichtet. Eine Täuschung der Schuldnerin über die Inhaberschaft der Vertragsschutzrechte wäre nur ausgeschlossen, wenn sie gewusst hätte, dass ihre eigene Berechtigung infolge der zeitlich früheren Übertragung der Rechte an die F. K. zumindest zweifelhaft war. Den entsprechenden Beweis könnten die Beklagten durch den hierzu benannten Zeugen B. nicht führen. In der mündlichen Verhandlung habe der Senat die Einschätzung geäußert, die von den Beklagten eingereichte, notariell beglaubigte "eidesstattliche Versicherung" dieses Zeugen könne so verstanden werden, dass er dort alles gesagt habe, was er wisse, so dass diese Erklärung das Maximum an Aussageinhalt aufweise, das von einer Vernehmung erwartet werden könne. Nachdem die Prozessbevollmächtigte der Beklagten dem beigepflichtet habe, und die schriftlichen Angaben des Zeugen für die Annahme einer Kenntnis der Schuldnerin nicht ausreichten, sei der Zeuge nicht als geeignetes Beweismittel anzusehen, so dass eine Vernehmung unterbleiben könne.
Rz. 8
2. Die Beklagten zu 3) und 4) sehen sich in ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil der Senat ihre Nichtzulassungsbeschwerde ohne vorherigen Hinweis nach § 139 ZPO zurückgewiesen hat, nachdem er ihnen für deren Durchführung Prozesskostenhilfe gewährt und dazu ausgeführt hat, sie seien auch als Erben des Beklagten zu 2) bei dem bisherigen Prozessergebnis beschwert und, ihnen sei Prozesskostenhilfe auch zu gewähren, um sich gegen ihre Inanspruchnahme als Erben zur Wehr zu setzen. Es werde übersehen, dass die zu Lasten aller Beklagten rechtswidrig unterbliebene Vernehmung des Zeugen B. sich auf den Klageanspruch in seiner Gesamtheit ausgewirkt habe. Auf die Nichtigkeit des Lizenzvertrags komme es nicht an, weil den Vertretern der Schuldnerin, die Richtigkeit der zu den Akten gereichten schriftlichen Angaben des Zeugen unterstellt, die vorherige Abtretung der Rechte aus dem Lizenzvertrag danach bekannt gewesen sei. In diesem Fall fehle es an einer für den Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB erforderlichen Täuschungshandlung und außerdem wäre eine den Bereicherungsanspruch nach § 814 BGB ausschließende bewusste Begleichung einer Nichtschuld anzunehmen.
Rz. 9
3. Der Anspruch der Beklagten zu 3) und 4) auf rechtliches Gehör ist nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
Rz. 10
a) Die Anhörungsrüge weist im Ansatz zwar zutreffend darauf hin, dass sich für ein Gericht nach § 139 ZPO die Verpflichtung ergeben kann, einer Partei oder beiden Seiten einen Hinweis zu geben, wenn es seine konkret zu einer für die Parteien und ihre prozessuale Situation in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht entscheidungserheblichen Frage geäußerte Rechtsauffassung geändert hat (vgl. BGH, Beschl. v. 16.6.2011 - X ZB 3/10, GRUR 2011, 851 - Werkstück). Nur dann wird für die Parteien ein schützenswerter Vertrauenstatbestand dahin geschaffen, dass das Gericht sich nicht ohne Weiteres von der offenbarten Ansicht lösen und eine Entscheidung treffen wird, die sich nicht mit dem gegebenen Hinweis vereinbaren lässt. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend aber nicht. Die Beklagten zu 3) und 4) konnten und durften aus dem Umstand, dass der Senat ihnen Prozesskostenhilfe gewährt hat, nicht folgern, dass ihre Nichtzulassungsbeschwerde nicht ohne vorherigen Hinweis zurückgewiesen würde.
Rz. 11
Der Senat hat von Amts wegen im Wege einer Prognoseentscheidung geprüft, ob es den Beklagten zu 3) und 4) im Umfang ihrer gesamten Beschwer gelingen kann, eine zulässige und begründete Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben (vgl. BGH, Beschl. v. 29.1.2009 - VII ZR 187/08, BGHZ 179, 315 Rz. 3). Die Gewährung von Prozesskostenhilfe knüpfte nicht an konkrete Rügen der Beklagten zu 3) und 4) an, so dass es an den Voraussetzungen für das Entstehen eines die Hinweispflicht begründenden Vertrauenstatbestands (vorstehend II 3a) fehlt. Die Beklagten hatten in der Eingabe ihrer zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 7.4.2010 über die Darlegung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus zwar rudimentäre Ausführungen zur Sache gemacht. Diese boten jedoch - was mit der Anhörungsrüge auch nicht geltend gemacht wird - für sich allein keine hinreichende Grundlage für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ihrer beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde und die Gewährung von Prozesskostenhilfe konnte auch im Lichte dieser Eingabe einen entsprechenden Vertrauenstatbestand nicht begründen. Der Senat war in dieser Situation auch weder verpflichtet noch berechtigt, den Beklagten mitzuteilen, welchen Rügen gegen das Berufungsurteil möglicherweise die gem. § 114 ZPO für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderliche Erfolgsaussicht zukommen könnte.
Rz. 12
b) Es liegt kein Widerspruch darin, dass der Senat den Beklagten zu 3) und 4) Prozesskostenhilfe auch zur Verteidigung gegen die Verurteilung des Beklagten zu 2) bewilligt hat, durch die sie als Miterben beschwert sind, im Beschluss vom 8.6.2011 aber angenommen hat, dass sie durch diese Verurteilung nicht zusätzlich beschwert sind.
Rz. 13
Die Ausführungen im Beschluss über das Prozesskostenhilfegesuch beruhen auf der Prämisse, dass sich die Beklagten zu 3) und 4) gegen ihre eigene Verurteilung mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen könnten. Unter dieser Voraussetzung wären sie durch die Verurteilung des Beklagten zu 2) beschwert gewesen, weil sie als dessen Erben zur Zahlung verpflichtet blieben, auch wenn die Klage gegen sie persönlich abzuweisen wäre.
Rz. 14
Im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde ist der Senat hingegen zu dem Ergebnis gelangt, dass das Rechtsmittel der Beklagten zu 3) und 4) gegen ihre eigene Verurteilung unbegründet ist, insb. dass auch die mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügte Gehörsverletzung durch das Berufungsgericht insoweit die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt, weil das als übergangen gerügte Vorbringen insoweit nicht entscheidungserheblich ist. Vor diesem Hintergrund liegt in dem Umstand, dass die Beklagten zu 3) und 4) zusätzlich auch als Erben des Beklagten zu 2) verurteilt sind, keine zusätzliche Beschwer, die eine Zulassung der Revision gerechtfertigt hätte.
Rz. 15
c) Eine Verpflichtung, der mittellosen Partei in einem solchen Fall vor Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, den rechtlichen Hinweis zu erteilen, dass die Erfolgsaussichten sich nunmehr anders darstellen, besteht weder aus § 139 ZPO, noch ergibt sich eine solche aus Art. 103 GG. Dadurch würde die auf Gewährung von Prozesskostenhilfe angewiesene Partei vielmehr ohne rechtfertigenden Grund gegenüber einer Partei bevorzugt, die die Prozesskosten selbst aufbringen kann. Denn das Revisionsgericht wäre weder verpflichtet noch berechtigt, eine bemittelte Partei darauf hinzuweisen, dass zusätzlich zu den von ihr erhobenen Rügen möglicherweise noch andere Revisions- oder Zulassungsgründe in Betracht kommen oder dass andere Rügen dem Rechtsmittel zum Erfolg verhelfen könnten. Aus dem Umstand, dass einer Partei vor Einlegung oder Begründung des Rechtsmittels Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, kann sich keine weitergehende Hinweispflicht ergeben. Dadurch würde sie vielmehr ohne rechtfertigenden Grund und zu Lasten ihres Prozessgegners bevorzugt.
Fundstellen
HFR 2012, 451 |
NJW 2011, 8 |
EBE/BGH 2011 |
FamRZ 2012, 126 |
NJW-RR 2012, 128 |
GRUR 2012, 317 |
MDR 2011, 1495 |
Mitt. 2012, 246 |