Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 04.10.2021; Aktenzeichen 66 S 135/21) |
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Entscheidung vom 13.04.2021; Aktenzeichen 13 C 166/20) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landgerichts Berlin - Zivilkammer 66 - vom 4. Oktober 2021 wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 13.230 € festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger macht gegen den beklagten Vermieter einen Anspruch wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d BGB in Verbindung mit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015, in Kraft getreten am 1. Juni 2015) geltend.
Rz. 2
Zwischen den Parteien besteht seit 1. November 2017 ein Mietverhältnis über eine 64,62 qm große Wohnung, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt. Die vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete betrug zunächst 799 €. Auf Grund einer Staffelmietvereinbarung war vertraglich eine Erhöhung der Miete zum 1. November 2019 auf 838 € und zum 1. November 2021 auf 877 € vorgesehen. In dem der Vermietung an den Kläger vorangegangenen Mietverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Vormieter war gemäß Mietvertrag vom 25. Januar 2010 eine Miete von 562 € ab 1. Februar 2016 und von 586 € ab 1. Februar 2018 vereinbart worden.
Rz. 3
Mit Schreiben vom 6. Januar 2020 rügte der Kläger gegenüber dem Beklagten gemäß § 556g Abs. 2 BGB einen Verstoß gegen die Vorschriften der Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) in Bezug auf die vermietete Wohnung.
Rz. 4
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die geschuldete Miete ab Februar 2020 einen Betrag von monatlich 562 € netto nicht übersteigt. Die Klage hat vor dem Amtsgericht Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 6. September 2021 darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO zurückzuweisen.
Rz. 5
Innerhalb der Frist zur Stellungnahme hierzu hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 29. September 2021 Widerklage eingereicht, mit der er die Feststellung begehrt hat, dass die vom Kläger geschuldete Miete für die streitgegenständliche Wohnung ab dem 1. November 2021 877 € betrage. Das Berufungsgericht hat die Widerklage dem Kläger nicht zugestellt, sondern die Berufung des Beklagten mit Beschluss vom 4. Oktober 2021 zurückgewiesen. Über die Widerklage sei nicht zu entscheiden, weil diese zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht rechtshängig gewesen sei und im Hinblick auf die Entscheidungsreife bezüglich der Klage auch keine Veranlassung bestanden habe, die Rechtshängigkeit noch herbeizuführen.
Rz. 6
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der am 9. November 2021 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Nichtzulassungsbeschwerde.
Rz. 7
Das Berufungsgericht hat den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 24.822 € festgesetzt.
II.
Rz. 8
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer - wie die Beschwerdeerwiderung mit Recht rügt - den Betrag von 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Rz. 9
Der Wert der Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Beklagten an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts. Mit der Revision, deren Zulassung der Beklagte erstrebt, will er sein Klageabweisungsbegehren sowie seine Widerklage in vollem Umfang weiterverfolgen. Der sich daraus ergebende Wert seiner Beschwer beträgt jedoch höchstens 13.230 €.
Rz. 10
a) Der Beklagte wehrt sich zum einen gegen die auf die Klage hin ausgesprochene Feststellung, dass die Miete ab Februar 2020 derzeit nicht mehr als 562 € beträgt. Er ist der Auffassung, dass der Kläger monatlich eine Miete von 838 € bis 31. Oktober 2021 und von 877 € ab 1. November 2021 zu bezahlen habe. Sein für die Bestimmung der Beschwer maßgebliches Interesse an der Aufhebung des Feststellungsausspruchs bezieht sich mithin auf die Differenz zwischen der festgestellten und der von ihm für zutreffend gehaltenen Miete. Dieses Interesse ist nach §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Differenzbetrags zu bemessen. Denn es geht in Höhe der Differenz um den Wert des Rechts auf eine wiederkehrende Leistung, nämlich die Miete.
Rz. 11
Der Umstand, dass die von dem Beklagten geltend gemachte Differenz zwischen der festgestellten und der von ihm für zutreffend gehaltenen Miete sich ab 1. November 2021 von 276 € auf 315 € erhöhte, ändert nichts an der Bemessung der Beschwer nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Differenzbetrags. Insbesondere kommt weder der Ansatz eines höheren als des dreieinhalbfachen Werts noch der Ansatz jeweils eines eigenen Werts für die beiden Differenzbeträge in Betracht. Denn der Beklagte wendet sich nur gegen einen einheitlichen Feststellungsausspruch, durch den er nicht mehrfach beschwert ist. Den Wert dieser Beschwer begrenzt § 9 ZPO indes auf den dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Differenz. Selbst wenn zugunsten des Beklagten hierbei für die Berechnung der Beschwer die höhere Differenz von 315 € angesetzt wird, ist das Interesse des Beklagten an der Aufhebung des Feststellungsausspruchs somit höchstens mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag dieser Differenz zu bemessen, mithin mit 13.230 €.
Rz. 12
b) Der Beklagte wendet sich zum anderen dagegen, dass das Berufungsgericht über die von ihm eingereichte Widerklage nicht entschieden hat. Eine zusätzlich zur Verurteilung bestehende Beschwer des Beklagten ergibt sich hieraus jedoch nicht. Denn Klage und Widerklage sind wirtschaftlich identisch, so dass insoweit eine Wertaddition nicht stattfindet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2020 - VIII ZR 16/19, WuM 2020, 298 Rn. 6; vom 17. Mai 2022 - II ZR 100/21, juris Rn. 8; mwN). Sowohl bei der Klage als auch bei der Widerklage geht es um die Frage, ob der Kläger die vertraglich vereinbarte Miete - seit 1. November 2021 877 € - schuldet oder die zu zahlende Miete nach §§ 556d ff. BGB nur 562 € beträgt. Zeitlich überschneiden sich die Feststellungsbegehren. Die Widerklage umfasst den Zeitraum ab 1. November 2021. Dieser ist auch von dem Feststellungsbegehren der Klage und der erstinstanzlichen Verurteilung umfasst, wonach die geschuldete Miete ab Februar 2020 derzeit und damit zeitlich unbegrenzt bis zu einer anderweitigen Feststellung oder Verurteilung, mithin auch nach dem 1. November 2021, monatlich nicht mehr als 562 € beträgt. Der Beklagte ist deshalb durch die unterlassene Entscheidung über die Widerklage und die damit unterbliebene Feststellung, dass die Miete ab 1. November 2021 877 € beträgt, nicht zusätzlich zu der auch diesen Zeitraum umfassenden Feststellung, dass die Miete 562 € (und somit nicht 877 €) beträgt, beschwert.
Rz. 13
c) Entgegen der Auffassung der Beschwerde folgt eine Beschwer des Beklagten von mehr als 20.000 € nicht daraus, dass das Berufungsgericht den Streitwert in Übereinstimmung mit der Auffassung des Beklagten auf 24.822 € festgesetzt hat. Zum einen bindet die Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts den Senat weder für die Bemessung des Streitwerts noch für die Bestimmung der Beschwer (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 13. Oktober 2020 - VIII ZR 161/19, WRP 2021, 60 Rn. 22; vom 17. Mai 2022 - II ZR 100/21, juris Rn. 6; jeweils mwN). Zum anderen beruht diese Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts auf einer - nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG unzulässigen - Addition der vom Berufungsgericht bestimmten Streitwerte der Klage (11.592 €) und der Widerklage (13.230 €), wobei das Berufungsgericht den Streitwert der Klage nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Differenz von 276 € zwischen der festgestellten Miethöhe von 562 € und der bis 31. Oktober 2021 und damit während des gesamten Berufungsverfahrens vertraglich vereinbarten Miete von 838 € bemessen hat. Eine derartige Addition scheidet jedoch wegen der wirtschaftlichen Identität von Klage und Widerklage sowohl bezüglich der Streitwertfestsetzung als auch bei der Bemessung der Beschwer aus.
Rz. 14
2. Im Übrigen wäre die Beschwerde auch in der Sache unbegründet, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
III.
Rz. 15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Fetzer |
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Dr. Liebert |
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Dr. Schmidt |
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Wiegand |
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Dr. Reichelt |
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Fundstellen