Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
1. Die Ablehnungsgesuche gegen die Richterinnen am Bundesgerichtshof G. und E., die Rechtsanwältin S. und den Rechtsanwalt Dr. L. werden verworfen.
2. Die Selbstanzeige der Richterin am Bundesgerichtshof G. vom 14. Juli 2023 ist gegenstandslos.
Gründe
Rz. 1
Der Senat hat den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 12. April 2021 verkündete Urteil des 1. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs mit Beschluss vom 20. Juni 2022 abgelehnt. Der Kläger hat mit Schriftsätzen vom 8. Dezember 2022 und vom 18. Mai 2023 die Anhörungsrüge erhoben, zudem einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt und die an dem Beschluss des Senats vom 20. Juni 2022 mitwirkenden Richter und Rechtsanwälte abgelehnt. Auf die ihm bekannt gemachte Selbstanzeige von Richterin am Bundesgerichtshof G. hat der Kläger mit Schriftsatz vom 18. August 2023 unter anderem die Ablehnungsgesuche gegen die aus dem Senat ausgeschiedenen und ursprünglich erkennenden Mitglieder Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a.D. Gr. und Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. P. für erledigt erklärt.
Rz. 2
1. Mit seinem Schriftsatz vom 18. August 2023 hat der Kläger - wie sich aus der Auslegung seiner Schreiben ergibt - auf deren Selbstanzeige hin auch Richterin am Bundesgerichtshof G. als neu zur Entscheidung über die weiteren Anträge des Klägers berufene Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Diese inhaltliche Verbindung rechtfertigt es zugleich, einheitlich über die noch zur Entscheidung anstehenden Ablehnungsgesuche zu befinden (vgl. BVerfG, NJW 2004, 2514, 2515; BGH, Beschluss vom 30. März 2022 - AnwZ (Brfg) 28/20, juris Rn. 14).
Rz. 3
2. Die Ablehnungsgesuche des Klägers (§ 42 Abs. 1 ZPO) stellen sich als rechtsmissbräuchlich dar und sind damit als unzulässig zu verwerfen.
Rz. 4
a) Die Ablehnungsgesuche richten sich neben Richterin am Bundesgerichtshof G. unterschiedslos gegen alle noch dem Senat zugehörigen an der Entscheidung beteiligten Richter, ohne dass die Besorgnis der Befangenheit aus konkreten in der angegriffenen Senatsentscheidung enthaltenen Anhaltspunkten, aus persönlichen Beziehungen der Richter zu den Beteiligten oder zur Streitsache oder sonstigen ernsthaften Umständen hergeleitet wird oder sonst erkennbar ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2023 - III ZR 155/22, juris Rn. 1; vom 30. Juli 2020 - III ZR 100/19, juris Rn. 3; vom 26. November 2015 - III ZB 37/15, juris Rn. 3; vom 23. April 2015 - III ZA 11/15, juris Rn. 3; vom 26. August 2014 - III ZR (Ü) 1/14, BeckRS 2014, 17823 Rn. 2; vom 12. Oktober 2011 - V ZR 8/10, NJW-RR 2012, 61 Rn. 8 und vom 10. April 2008 - AnwZ (B) 102/05, BeckRS 2008, 7419 Rn. 4; jew. mwN). Bei der Ablehnung eines Richters müssen ernsthafte Umstände angeführt werden, die die Befangenheit des einzelnen Richters rechtfertigen. Solche Umstände sind nicht dargetan.
Rz. 5
aa) Soweit der Kläger auf eine persönliche Voreingenommenheit und Willkür der abgelehnten Richter abhebt, erschöpft sich sein Vorbringen in pauschalen Verunglimpfungen. Den abgelehnten Personen etwa eine "rassistische völkische Weltanschauung", "nationalsozialistisches Gedankengut" und "Größenwahn" zuzuschreiben sowie ihnen vorzuwerfen, eine "Vereinigung zur Begehung von Straftaten der Rechtsbeugung zum Nachteil des Klägers" gebildet zu haben, kann einen individualbezogenen Vortrag eines ernsthaft als Ablehnungsgrund in Betracht kommenden Umstandes nicht ersetzen. Die weiter angeführten persönlichen Verbindungen von Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. P. zum Vorsitzenden Richter des Anwaltsgerichtshofs sowie die vom Kläger behaupteten Missstände in der Justiz sind daher ebenfalls irrelevant. Denn hieraus folgt nichts für eine Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richter (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 8. März 2006 - 3 B 182.05, juris Rn. 4). Der Vortrag verhält sich auch nur pauschal zu angeführten Verbindungen von Rechtsanwältin S. zur Beklagten. Soweit der Kläger zudem die fehlende Unabhängigkeit des Gerichts und "systemische Mängel in Bezug auf das Funktionieren des Justizsystems Deutschlands" rügt, ist ein derart begründetes Befangenheitsgesuch ebenfalls als rechtsmissbräuchlich zu bewerten (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2007 - AnwZ (B) 102/05, juris Rn. 3).
Rz. 6
bb) Darüber hinaus legt der Kläger zwar seine der Senatsentscheidung konträre Rechtsauffassung ausführlich dar. Das Ablehnungsverfahren dient aber nicht dazu, richterliche Entscheidungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - AnwZ (Brfg) 61/15, juris Rn. 9 mwN). Allein mit einer abweichenden Rechtsansicht ist keine Befangenheit der an der Kollegialentscheidung beteiligten Richter verbunden (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - V ZR 8/10, NJW-RR 2012, 61 Rn. 7; Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 42 Rn. 28). Dies gilt auch für eine Gehörsverletzung oder sonstige Verfahrensmängel (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2015 - 9 B 31.15, juris Rn. 3; Stackmann in MüKoZPO, 6. Aufl., § 42 ZPO Rn. 45 mwN).
Rz. 7
Weshalb darüber hinaus die Entscheidung des Senats über den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung auf einer willkürlichen, mithin offensichtlich unhaltbaren Rechtsauffassung oder Verfahrensweise beruhen und daher konkrete Anhaltspunkte dafür bieten sollte, dass die abgelehnten Richter Argumenten nicht mehr zugänglich und damit nicht mehr unvoreingenommen sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. April 2011 - 3 B 13.11, juris Rn. 5; vom 1. Dezember 2009 - 4 BN 58.09 u.a., juris Rn. 3 und vom 26. März 2015 - 4 BN 3.15, juris Rn. 3 mwN), geht aus dem Klägervortrag und den darin enthaltenen Rechtsausführungen hingegen nicht (substantiiert) hervor. Dass der Kläger mit den Senatsbeschlüssen "groteske Verstöße gegen die Grundsätze des Rechts und unveräußerliche Verfahrensrechte" verbindet, genügt als solches nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2015 - III ZA 11/15, juris Rn. 3). Die von ihm insoweit zusätzlich herangezogenen Senatsentscheidungen in den anwaltsgerichtlichen Verfahren bedurften gemäß § 145 Abs. 5 Satz 2 BRAO keiner Begründung, deren Nachholung das Ablehnungsverfahren ebenfalls nicht dient.
Rz. 8
b) Der Senat ist durch seine Besetzung nach §112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 54 VwGO, § 45 Abs. 1 ZPO nicht gehindert, die Ablehnungsgesuche als unzulässig zu verwerfen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2020 - 1 StR 108/20, NStZ 2020, 620; Urteil vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 337; Heil in KK-StPO, 9. Aufl., § 27 Rn. 2). An dieser Entscheidung kann auch der in dem verwaltungsrechtlichen Parallelverfahren abgelehnte anwaltliche Beisitzer als Vertreter mitwirken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2022 - 9 A 12.21, juris Rn. 11). Der Einholung dienstlicher Stellungnahmen der abgelehnten Richter bedurfte es nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2022 - 9 A 12.21, NVwZ 2022, 884 Rn. 13 mwN).
Rz. 9
c) Die vom Kläger hilfsweise begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV kam vor einer Entscheidung über die - unzulässigen - Ablehnungsgesuche nicht in Betracht.
Rz. 10
3. Mit der Bescheidung der Ablehnungsgesuche ist die Selbstanzeige (§ 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 54 VwGO, § 48 ZPO) der Richterin am Bundesgerichtshof G. prozessual überholt und damit gegenstandslos (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. November 2012 - 2 StR 28/12, juris Rn. 4 und vom 13. Dezember 2012 - 2 StR 585/11, juris Rn. 10). Denn die Selbstanzeige bezog sich allein auf die Mitwirkung im Ablehnungsverfahren als Zwischenverfahren (vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Juni 2012 - 2 StR 166/12, juris).
Schoppmeyer Liebert Scheuß
Kau Niggemeyer-Müller
Fundstellen
Dokument-Index HI16668683 |