Leitsatz (amtlich)
Die Anhörungsrüge gegen ein Urteil des BGH kann gem. § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO nur von einem beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt erhoben und begründet werden. Dabei genügt es nicht, dass ein beim BGH zugelassener Rechtsanwalt den betreffenden Schriftsatz zwar formal unterzeichnet, zugleich durch einen Zusatz aber deutlich macht, dass er die volle Verantwortung für den gesamten Inhalt des Schriftsatzes ablehnt (Fortführung BGH, Beschl. v. 14.3.2017 - VI ZB 34/16 NJW-RR 2017, 686 Rz. 9 m.w.N.).
Normenkette
ZPO §§ 78, 321a; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Senatsurteil vom 30.7.2020 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger nimmt die Beklagte nach dem Erwerb eines von dieser hergestellten, mit einem Motor des Typs EA189 ausgestatteten VW Passats 2.0 TDI im Hinblick auf eine unzulässige Motorsteuerungssoftware auf Schadensersatz in Anspruch. Das LG hat die Klage ab-, das OLG die vom Kläger dagegen geführte Berufung zurückgewiesen. Die Revision hat der erkennende Senat mit Urteil vom 30.7.2020, dem Kläger zugestellt am 12.8.2020, zurückgewiesen. Mit am 26.8.2020, mithin am letzten Tag der Frist des § 321a Abs. 2 ZPO eingegangenem, 34-seitigem Schriftsatz vom selben Tag hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Revisionsverfahren Anhörungsrüge erhoben, die er wie folgt eingeleitet hat:
"In Sachen [...] hat mich der Prozessbevollmächtigte des Klägers heute Abend um Einreichung der nachstehenden Anhörungsrüge gebeten. Wegen des Fristablaufs in wenigen Stunden sah ich mich veranlasst, diese in der nachfolgenden vom Prozessbevollmächtigten des Klägers gewünschten Form einzureichen:"
II.
Rz. 2
1. Die Anhörungsrüge ist bereits unzulässig.
Rz. 3
Die Anhörungsrüge gegen ein Urteil des BGH kann gem. § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO nur von einem beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt erhoben und begründet werden; er trägt die Verantwortung für ihre Fassung (BGH, Beschl. v. 13.12.2016 - VIII ZR 241/15, NJW-RR 2017, 187 Rz. 6; ferner Beschl. v. 18.5.2005 - VIII ZB 3/05 NJW 2005, 2017; Zöller/G. Vollkommer, ZPO, 33. Aufl., § 321a Rz. 13). Mit den Regelungen über den Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO) und über den notwendigen Inhalt einer Anhörungsrüge (§ 321a Abs. 2 Satz 5 ZPO) soll erreicht werden, dass ein mit dem (hier: Revisions-) Verfahren vertrauter Rechtsanwalt dem Gericht und dem Gegner die angeblichen Gehörsverstöße nach persönlicher Durcharbeitung des Prozessstoffs vorträgt. Die Anhörungsrüge muss deshalb Ergebnis der geistigen Arbeit des postulationsfähigen Rechtsanwalts sein. Dieser ist dadurch zwar nicht daran gehindert, die Anhörungsrüge durch andere Personen, wie etwa durch den vorinstanzlichen, beim BGH nicht postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten, vorbereiten zu lassen. Erforderlich ist aber, dass er die Anhörungsrüge selbständig prüft und aufgrund der Prüfung die volle Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt (vgl. nur BGH, Beschl. v. 14.3.2017 - VI ZB 34/16 NJW-RR 2017, 686 Rz. 7, m.w.N. [für die Berufungsbegründung]). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn er den betreffenden Schriftsatz zwar formal unterzeichnet, zugleich durch einen Zusatz aber deutlich macht, dass er die volle Verantwortung für seinen gesamten Inhalt ablehnt (vgl. BGH, Beschl. v. 14.3.2017 - VI ZB 34/16 NJW-RR 2017, 686 Rz. 9, m.w.N.). Dies ist hier der Fall.
Rz. 4
2. Die Anhörungsrüge wäre aber auch unbegründet. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG die Gerichte nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl. nur BGH, Beschl. v. 4.11.2020 - Rz. 2 juris). Der erkennende Senat hat das gesamte Vorbringen des Klägers im Revisionsverfahren zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, vermochte ihm in weiten Teilen aber in der Sache nicht zu folgen.
Fundstellen
NJW 2021, 9 |
NJW-RR 2021, 375 |
FA 2021, 105 |
IBR 2021, 219 |
MDR 2021, 376 |
VersR 2021, 925 |
Mitt. 2021, 143 |