Tenor
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 20. Januar 2015 – 2 BGs 36/15 – wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
1. Der Beschuldigte wurde am 22. Januar 2015 festgenommen und befindet sich seit diesem Tag aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 20. Januar 2015 (2 BGs 36/15) in Untersuchungshaft.
Rz. 2
Gegenstand des mit der Beschwerde angefochtenen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich in der Zeit von März 2013 bis September 2014 durch zwei rechtlich selbständige Handlungen zunächst an der „Jaish al-Muhajirin wal-Ansar” („Armee der Auswanderer und Helfer”, im Folgenden: JAMWA) und sodann – nach dem Anschluss seiner Kampfeinheit, der „Muhajirun halab”, an diese – an der Vereinigung „Islamischer Staat Irak und Großsyrien” (im Folgenden: ISIG) als Mitglied beteiligt und damit an Vereinigungen, deren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord, Totschlag, erpresserischen Menschenraub oder Geiselnahme zu begehen (strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB). Jeweils in Tateinheit dazu habe er eine schwere staatsgefährdende Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 StGB oder des § 212 StGB oder gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a StGB oder des § 239b StGB vorbereitet, die nach den Umständen bestimmt und geeignet gewesen sei, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu gefährden, indem er sich in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der vorgenannten Straftaten dienen, habe unterweisen lassen und indem er eine Waffe verwahrt habe (strafbar gemäß § 89a Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 2 StGB).
Rz. 3
2. Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Haftbefehl ist unbegründet.
Rz. 4
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Rz. 5
aa) Die JAMWA gründete sich im März 2013 durch die Vereinigung der von dem aus Georgien stammenden ethnischen Tschetschenen Tarkhan Batirashvili (Kampfname Abu Umar al-Shishani) angeführten Gruppierung „Katibat al-Muhajirin” („Emigranten-Bataillon” oder auch „Muhajirin-Brigade”) mit den militanten syrischen Gruppen „Jaish Muhammad” und „Kata'ib Khattab”. Uneingeschränkter Anführer der militärisch hierarchisch organisierten Vereinigung blieb Abu Umar al-Shishani, dem ein Schura-Rat und ein Komitee für Fragen der Scharia beigeordnet waren. An unterster Stelle der Hierarchie standen die mehreren hundert Kämpfer, zu denen auch die Kampfgruppe der „Muhajirun halab” zählte. Das Ziel der Vereinigung, die Errichtung eines islamischen Kalifats voranzutreiben, suchte sie im Wege des militärischen Kampfs dadurch zu erreichen, dass sie auf Seiten der Gegner Assads in den syrischen Bürgerkrieg eingriff. Kampfgebiet der JAMWA war der Großraum um die syrische Stadt Aleppo.
Rz. 6
Ende November des Jahres 2013 legten Abu Umar al-Shishani und ein Teil seiner Kämpfer den Treueid auf Abubakr al-Baghdadi, den Anführer des ISIG ab; in einer am 11. Dezember 2013 veröffentlichten Verlautbarung erklärte Abu Umar al-Shishani, die JAMWA sei durch den Treueid auf al-Baghdadi aufgelöst. Seit diesem Zeitpunkt sind die Abu Umar al-Shishani folgenden Kämpfer, zu denen auch die Kampfgruppe der „Muhajirun halab” zählt, als Teil des ISIG anzusehen.
Rz. 7
Ein Teil der Mitglieder der JAMWA sah sich durch den zuvor auf Doku Umarov, den damaligen Anführer der Vereinigung Kaukasisches Emirat, geleisteten Gefolgschaftseid gehindert, sich dem ISIG anzuschließen. Unter der Führung des früheren Kommandeurs Salahuddin al-Shishani spalteten sie sich von Abu Umar al-Shishani ab und führen den Namen JAMWA weiter, haben ihm jedoch den Zusatz „Islamisches Emirat Kaukasus” hinzugefügt.
Rz. 8
bb) Der „Islamische Staat im Irak und in Großsyrien” (ISIG) ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region „ash-Sham” – die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina – umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden „Gottesstaat” zu errichten. Dazu will sie die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad stürzen. Zivile Opfer nimmt sie dabei in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als „Feind des Islam” begreift; die Tötung solcher „Feinde” oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
Rz. 9
Die Organisation geht zurück auf die als „al-Qaida im Irak (AQI)” bekannt gewordene, von Abu Musab al-Zarqawi geführte Gruppierung „Tanzim Qa'idat al-Jihad fi Bilad ar-Rafidain” („Organisation der Basis des Jihad im Zweistromland”) und deren Vorgängerorganisationen. Nach Leistung des Treueids auf Osama bin Laden und dessen „al-Qaida” ernannte bin Laden al-Zarqawi im Dezember 2005 zu seinem Stellvertreter im Irak.
Rz. 10
Im Jahr 2006 schloss sich die Vereinigung mit anderen Gruppierungen unter der Dachorganisation „Schura-Rat der Mudschahedin im Irak” zusammen, aus der nach dem Tod al-Zarqawis im Juni 2006 der „Islamische Staat im Irak” (ISI) hervorging. Diese Organisation ist für mehrere Tausend Todesopfer bei Autobomben- und Selbstmordanschlägen im Irak in den Jahren 2007 bis 2012 verantwortlich. Im Frühjahr 2010 übernahm Abu Bakr al-Baghdadi die Führung des ISI und griff ab dem Jahr 2012 – einem Aufruf des Anführers der al-Qaida, al-Zawahiri, folgend – in den syrischen Bürgerkrieg ein, indem er Kämpfer dorthin entsandte. Im Januar 2012 hatten sich die in Syrien agierenden, überwiegend syrischen Kämpfer unter der Führung des im Irak kampferprobten Syrers Muhammad al-Jaulani zu der terroristischen Vereinigung „Jabhat an-Nusra li-Ahl ash-Sham” (im Folgenden: JaN) zusammengeschlossen, die von al-Baghdadi als dem ISI unterstehende Regionalorganisation vorgesehen war. Um seinen Führungsanspruch zu dokumentieren, verkündete er im April 2013 den Zusammenschluss von ISI und JaN zur Organisation „Islamischer Staat Irak und Großsyrien”. Al-Jaulani lehnte diesen Zusammenschluss in der Folgezeit zwar ab und betonte die Eigenständigkeit der JaN; gleichwohl setzte sich der von al-Baghdadi befehligte ISIG mit eigenen Kämpfern in Syrien fest und erhielt als radikalere Organisation vielfach Zulauf von Mudschahedin anderer Organisationen, etwa der JaN. Nachdem ein Schlichtungsversuch der al-Qaida-Führung erfolglos geblieben war, kam es Anfang des Jahre 2014 zum Bruch al-Baghdadis sowohl mit al-Qaida als auch mit der JaN, der im April 2014 mit einer öffentlichen Lossagung des ISIG vom al-Qaida-Netzwerk bestätigt wurde. Im Juni 2014 rief der offizielle Sprecher des ISIG das „Kalifat” aus und erklärte al-Baghdadi zum „Kalifen”, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Zugleich wurde die Umbenennung des ISIG in „Islamischer Staat” (im Folgenden: IS) verkündet.
Rz. 11
Das genannte Ziel der Errichtung eines „Gottesstaates” setzt der ISIG einerseits durch offenen militärischen Bodenkampf gegen die syrische Armee, aber auch gegen die oppositionelle „Freie syrische Armee” und andere konkurrierende Rebellengruppen um. Andererseits führt er die bisherige Praxis von Sprengstoff- und Selbstmordanschlägen fort, entführt syrische Regierungs- oder Militärverantwortliche, aber auch Angehörige internationaler Hilfsorganisationen und nimmt Erschießungen und Enthauptungen vor. Daneben zählen vermehrt auch Teile der Zivilbevölkerung in den Operationsgebieten des ISIG zu seinen Opfern, insbesondere Kurden und Angehörige der alawitischen Minderheit, die entführt und getötet werden.
Rz. 12
Die Organisationsstruktur des ISIG ähnelt der anderer terroristischer Vereinigungen: Dem Anführer („Emir”) steht ein Stellvertreter zur Seite und er verfügt über einen Großen und einen Kleinen Schura-Rat als Beratungsgremium. Innerhalb des von dem ISIG kontrollierten Gebiet wachen islamische Gerichte über die Einhaltung der Scharia. Wichtige Posten innerhalb der Organisation werden von „Ministern” besetzt, etwa einem „Kriegs-” und einem „Propaganda-Minister”. Es existiert ein „Informationsministerium”, das über Operationen in Syrien oder im Irak berichtet oder Anschlagsbekennungen veröffentlicht. Diesem Ministerium unterstehen eine eigene Medienproduktions- sowie eine im März 2013 gegründete Medienstelle, die die Veröffentlichung – auch über einen eigenen Twitterkanal und ein Internetforum – übernimmt. Der ISIG verfügt über ein eigenes Logo. Tausende Kämpfer der Vereinigung sind in Kampfeinheiten aufgeteilt, deren militärische Führer wiederum dem Kriegsminister unterstehen.
Rz. 13
cc) Der Beschuldigte, der sich seit dem Jahr 2008 infolge seiner Einbindung in die salafistische Szene in Mönchengladbach radikalisierte, ordnete sich jedenfalls ab dem Jahr 2011 zunehmend einer extremistisch-jihadistischen Ideologie unter, die den bewaffneten Jihad als legitimes Mittel zur Durchsetzung ultra-konservativer islamistischer Interessen ansieht und die Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ablehnt. Spätestens im März des Jahres 2013 reiste er in die Türkei und gelangte von dort mit Hilfe von Schleusern nach Syrien, wo er sich als Kämpfer in die Strukturen der Kampfgruppe „Muhajirun halab” einordnete, die seinerzeit noch in die JAMWA eingegliedert war.
Rz. 14
Wie jeder Freiwillige der JAMWA hatte der Beschuldigte zunächst eine mehrwöchige Ausbildung in einem Trainingscamp zu absolvieren, die neben der Verbesserung der körperlichen Fitness sowohl die Vermittlung von typisch militärischen Verhaltensweisen als auch von Fertigkeiten im Umgang mit Waffen beinhaltete. Nach dem Abschluss der Ausbildung wurde er der Basisstation seiner Kampfgruppe in einem Vorort von Aleppo zugeteilt. Die aus insgesamt 100 Personen bestehende Einheit ist in etwa 15 einzelne Untergruppen untergliedert; der Beschuldigte wurde hier der „Kampfgruppe der Deutschen” zugeteilt, die von dem anderweitig verfolgten … S. befehligt wird. Der Beschuldigte, der sich mit Kampfnamen K. nennt und über ein Schnellfeuergewehr AK-47 verfügte, engagierte sich innerhalb der Gruppe stark und wurde schließlich Stellvertreter des S.. Innerhalb der Gruppe war er zudem für Propaganda zuständig und hatte logistische Aufgaben – etwa den Transport von Verpflegung zur Frontlinie – zu erfüllen.
Rz. 15
Aus bislang unbekannten Gründen suchte der Beschuldigte zwei Mal vorübergehend die Bundesrepublik Deutschland auf, ein erstes Mal von Mitte/Ende Juni 2013 bis September 2013 und – nachdem er zwischenzeitlich über die Türkei zu seinem Kampfverband zurückgekehrt war – ein weiteres Mal von Dezember 2013 bis Anfang Juli 2014. Nach mehreren gescheiterten Ausreiseversuchen – dem Beschuldigten war am 28. Januar 2014 die Ausreise behördlich untersagt worden – gelang ihm unter Zuhilfenahme eines neu ausgestellten Personalausweises die Ausreise in die Türkei und von dort weiter nach Syrien, wo er sich erneut in den Dienst seiner – nunmehr dem ISIG unterstehenden – Kampfgruppe „Muhajirun halab” stellte. Mitte September 2014 kehrte der Beschuldigte erneut in die Bundesrepublik zurück.
Rz. 16
b) Der Beschuldigte ist der ihm zur Last gelegten Taten in tatsächlicher Hinsicht dringend verdächtig.
Rz. 17
aa) Der dringende Tatverdacht ergibt sich hinsichtlich der terroristischen Vereinigungen JAMWA und ISIG aus den Auswertungen des Bundeskriminalamtes und insbesondere aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. St.. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Ausführungen in dem Haftbefehl und die dort in Bezug genommenen Beweismittel verwiesen.
Rz. 18
bb) Die Einbindung des Beschuldigten in die Kampfgruppe „Muhajirun halab”, seine Funktion in dieser und die Eingliederung der Kampfgruppe zunächst in die JAMWA ergibt sich aus der Aussage des polizeilich vernommenen gesondert Verfolgten I.. Dieser hat bekundet, Mitglied der „Kampfgruppe der Deutschen” unter der Führung des „Emirs” S. gewesen zu sein und als weiteren Gruppenkameraden einen M. aus dem Raum Mönchengladbach benannt, der sich K. genannt habe. Bei diesem M. handelt es sich nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit um den Beschuldigten:
Rz. 19
Zwar hat I. den Beschuldigten im Rahmen einer Wahllichtbildvorlage nicht identifiziert; dies ändert aber nichts daran, dass die Personen- und Herkunftsbeschreibung, die I. zu seinem Gruppenkameraden M. gegeben hat, auf den Beschuldigten im Wesentlichen zutrifft. Soweit die Beschwerdebegründung dies in Abrede stellt, nimmt sie auf Einzelheiten Bezug, die die grundsätzlichen Übereinstimmungen (zutreffender Vorname, Alter, Herkunft aus Mönchengladbach, Migrationshintergrund mit Bezug zur Türkei) nicht in Frage stellen. Zudem ist der Kampfname K. – wenn auch mit anderer Schreibweise – von der Zeugin J. mit dem Beschuldigten in Verbindung gebracht worden: Die Zeugin hat bekundet, unter diesem Namen habe ihr ein etwa 26 Jahre alter „Türke” aus Mönchengladbach geschrieben, der M. heiße und von dem es ein Video bei der Koranverteilung in Mönchengladbach gebe. Dies trifft – wie die polizeilichen Recherchen im Internet gezeigt haben – auf den Beschuldigten zu. Den beiden anderen Videos, von denen die Zeugin berichtet hat, in denen „Q.” das Lied „In Jannah” singt, bzw. der mit dem Beschuldigten befreundete L. dieses Lied „seines Freundes” laut mitsingt, in denen die Person des Sängers indes nicht zu sehen ist, kommt in diesem Zusammenhang nur untergeordnete Beweisbedeutung zu.
Rz. 20
Zudem hat die Zeugin Str., die Mutter des in Syrien zu Tode gekommenen D., der nach den Angaben des gesondert verfolgten I. ebenfalls Mitglied der „Kampfgruppe der Deutschen” unter S. war, bekundet, ihr sei mitgeteilt worden, ein Besucher des anderweitig verfolgten B., ein Kurde aus Mönchengladbach, habe diesem einen Schal übergeben, der angeblich von ihrem Sohn stamme. Wenige Tage bevor der gesondert Verfolgte B. ihr Mitte Februar 2014 den Schal übergeben habe, habe sie B. in Begleitung des Beschuldigten, den sie bei einer Wahllichtbildvorlage identifizierte, vor seinem Wohnhaus angetroffen. Soweit die Beschwerde die Identifizierung unter Hinweis darauf zu relativieren versucht, dass die Zeugin nur vermutet habe, der Begleiter sei der Beschuldigte gewesen, gibt sie die Vernehmung falsch wieder: Die Zeugin hat den Beschuldigten insoweit eindeutig erkannt, meinte aber, sie habe ihn bei einer weiteren Gelegenheit Mitte März 2014 erneut gesehen. Nur hinsichtlich dieses letzten Treffens war sich die Zeugin bezüglich des Wiedererkennens des Beschuldigten nicht sicher. Dafür, dass der in Herford aufgetauchte Besucher des gesondert Verfolgten B. der Beschuldigte war, spricht schließlich, dass über diesen berichtet wurde, ihm sei bei einem Ausreiseversuch der Pass „abgeknöpft” worden; tatsächlich wurde der Personalausweis des Beschuldigten eingezogen, als dieser am 31. Januar 2014 trotz der ihm zuvor zugestellten Beschränkung des Geltungsbereichs seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland versuchte, in die Türkei zu fliegen.
Rz. 21
Nach alledem besteht jedenfalls im derzeitigen (frühen) Stadium der Ermittlungen der dringende Verdacht, dass der Beschuldigte unter dem Kampfnamen K. als Mitglied und später Stellvertreter des Gruppenführers S. in die „Kampfgruppe der Deutschen” innerhalb der „Muhajirun halab” eingegliedert war und sich damit zunächst an der JAMWA und später an der Vereinigung ISIG als Mitglied beteiligte. Die Einbindung in den ISIG wird wiederum bestätigt durch die Bekundung der Zeugin Str., der der gesondert Verfolgte B. mitteilte, ihr Sohn D. habe für die „Daula” gekämpft; dabei handelt es sich um eine in Syrien in jihadistischen Kreisen üblich gewordene Bezeichnung des ISIG.
Rz. 22
c) In rechtlicher Hinsicht ist aufgrund dieses Ermittlungsergebnisses jedenfalls der Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung zunächst an der JAMWA und sodann an der Vereinigung ISIG belegt, jeweils strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB. Die aufeinanderfolgenden Tathandlungen der Mitgliedschaft in zwei unterschiedlichen terroristischen Vereinigungen stehen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit, § 53 StGB.
Rz. 23
Deutsches Strafrecht ist anwendbar: Dies folgt entweder unmittelbar aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2009 – StB 34/09, BGHR StGB § 129b Anwendbarkeit 1) oder aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, weil der Beschuldigte Deutscher ist und – wenn man nicht ohnehin davon ausgeht, dass das Gebiet, in dem er sich aufhielt, effektiv keiner staatlichen Strafgewalt unterlag – Personenzusammenschlüsse, die sich terroristischer Akte bedienen, um die grundlegende Gesellschaftsordnung zu ändern, nach Art. 304 bis 306 des syrischen Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht werden.
Rz. 24
Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderlichen Ermächtigungen zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern oder Unterstützern der JAMWA und des ISIG liegen vor.
Rz. 25
d) In Anbetracht des dringenden Tatverdachts zweier Verbrechen nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB, die mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind, kann offen bleiben, ob in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der dringende Tatverdacht besteht, der Beschuldigte habe sich jeweils tateinheitlich auch wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat gemäß § 89a StGB strafbar gemacht. Im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof bedarf die Frage, ob der Beschuldigte, der durch die Tat einen Straftatbestand verletzt hat, tateinheitlich dazu gegen ein weiteres Strafgesetz verstoßen hat, jedenfalls dann keiner Entscheidung, wenn bereits die erste angenommene Gesetzesverletzung den Fortbestand des Haftbefehls begründet. Insoweit gilt:
Rz. 26
Die Beschwerde gegen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes ist nach § 304 Abs. 4 Satz 1 StPO grundsätzlich unzulässig, wenn nicht eine der Ausnahmen nach § 304 Abs. 5 StPO vorliegt. Die Ausnahmeregelung in § 304 Abs. 5 StPO, die die Beschwerde unter anderem gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes unter bestimmten Voraussetzungen zulässt, ist – ebenso wie diejenigen in § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 19. März 1986 – StB 2/86 und StB 3/86, BGHSt 34, 34, 35; vom 20. März 1991 – StB 3/91, BGHSt 37, 347, 348, jeweils mwN) – eng auszulegen; eine Entscheidung, die im Sinne des § 304 Abs. 5 StPO „die Verhaftung” betrifft, liegt deshalb nur vor, wenn von ihr der Bestand oder die Vollziehbarkeit des Haftbefehls abhängen (BGH, Beschluss vom 12. März 2002 – StB 5/02, BGHSt 47, 249, 250). Dies ist nicht der Fall, wenn der bestehende Haftbefehl nur um einen weiteren Haftgrund erweitert (BGH, Beschluss vom 12. März 2002 – StB 5/02, aaO), nur wegen eines von mehreren Haftgründen angefochten (BGH, Beschluss vom 19. März 1986 – StB 2/86 und StB 3/86, BGHSt 34, 34, 36) oder wenn die Erweiterung des Tatvorwurfs gegenüber demjenigen in dem bestehenden, die Untersuchungshaft nach wie vor tragenden Haftbefehl erstrebt wird (BGH, Beschluss vom 20. März 1991 – StB 3/91, BGHSt 37, 347, 349). Aus diesen Grundsätzen, an denen trotz der in der Literatur geäußerten Kritik (vgl. LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 114 Rn. 35; Baumann in Festschrift Pfeiffer, 1988, S. 255, 258 ff.) festzuhalten ist (BGH, Beschluss vom 12. März 2002 – StB 5/02, BGHSt 47, 249, 251), folgt im Umkehrschluss für Fälle wie den vorliegenden, dass die Entscheidung, die die Verhaftung betrifft, diejenige ist, aus der sich der dringende Tatverdacht für eine Straftat ergibt, die den Erlass bzw. die Vollziehung des Haftbefehls rechtfertigt. Liegt eine solche Entscheidung vor und ist sie – wie hier mit Blick auf die Strafbarkeit gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB – zu Recht ergangen, kann die Beschwerde gegen den Haftbefehl verworfen werden, ohne dass abschließend zu entscheiden ist, ob der Beschuldigte durch seine Tathandlungen zugleich einen anderen Straftatbestand erfüllt hat.
Rz. 27
3. Es bestehen aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Haftbefehls die Haftgründe der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) und der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO). Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO sind aus diesen Gründen nicht erfolgversprechend.
Rz. 28
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe.
Unterschriften
Becker, RiBGH Pfister befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Gericke, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 7693573 |
NStZ 2017, 396 |
NStZ-RR 2017, 131 |