Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 15.06.2020; Aktenzeichen 23 KLs 15/20 10 Js 1136/20) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 15. Juni 2020
- im Schuldspruch betreffend den Angeklagten B. dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall III. 2. der Urteilsgründe des tateinheitlichen Anbaus von Betäubungsmitteln statt des tateinheitlichen Anbaus von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;
- im Ausspruch über die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.200 EUR betreffend den Angeklagten B. aufgehoben; dieser entfällt;
- im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 7.450 EUR betreffend die Angeklagte H. aufgehoben; dieser entfällt.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln und mit bandenmäßiger Ausfuhr von Betäubungsmitteln, der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Herstellung von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge für schuldig befunden. Es hat ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und Einziehungsanordnungen getroffen. Die Angeklagte H. ist vom Landgericht wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Gegen sie hat die Strafkammer zudem die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet.
Rz. 2
Die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 3
1. Der Schuldspruch betreffend den Angeklagten B. ist dahin zu ändern, dass er im Fall III. 2. der Urteilsgründe des tateinheitlichen Anbaus von Betäubungsmitteln statt des tateinheitlichen Anbaus von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist, weil es keine Qualifikation der Strafbarkeit des Anbaus von Betäubungsmitteln gibt, sofern der Täter nicht als Mitglied einer Bande handelt.
Rz. 4
2. Die gegen den Angeklagten B. angeordnete erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.200 EUR gemäß § 73a Abs. 1, § 73c StGB stellt sich als rechtsfehlerhaft dar.
Rz. 5
a) Das Landgericht hat diese Einziehungsentscheidung auf die Feststellung gestützt, dass der Angeklagte als Mitglied einer Bande, die gegen Entgelt Betäubungsmittel aus den Niederlanden nach W. und anschließend weiter in andere europäische Länder transportierte, neben der verfahrensgegenständlichen Kurierfahrt noch weitere Transporte durchführte. Zunächst wirkte er im August 2017 an einer Kurierfahrt in die S. als Begleitperson mit. Anschließend führte er bis Ende 2017 drei Fahrten alleine durch. Für diese nicht angeklagten Transporte erhielt er insgesamt mindestens 1.200 EUR als Entgelt.
Rz. 6
b) Mithin stammen die vom Angeklagten erlangten 1.200 EUR aus konkret feststellbaren Erwerbstaten. In einem solchen Fall scheidet eine erweiterte Einziehung von Taterträgen (§ 73a Abs. 1 StGB) beziehungsweise des Wertes von Taterträgen (§ 73c StGB) aus. Denn § 73a StGB ist subsidiär gegenüber § 73 StGB; sofern – wie hier – eine konkrete Straftat als Herkunftstat eines Einziehungsgegenstandes festgestellt werden kann, kommt nur eine Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB in Betracht, die gegebenenfalls im Rahmen eines gesonderten Strafverfahrens wegen der Herkunftstat anzuordnen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Mai 2020 – 2 StR 44/20, juris Rn. 10; vom 9. Januar 2020 – 4 StR 345/19, juris Rn. 13; vom 13. November 2019 – 3 StR 249/19, juris Rn. 3; vom 16. Juli 2019 – 2 StR 268/19, NStZ 2020, 213 Rn. 8; vom 5. Februar 2019 – 5 StR 701/18, juris Rn. 4; vom 4. April 2018 – 3 StR 63/18, juris Rn. 6).
Rz. 7
c) In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO hat der Senat daher die den Angeklagten B. betreffende Anordnung der erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen entfallen lassen.
Rz. 8
3. Die gegen die Angeklagte H. angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 7.450 EUR hält gleichfalls der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Denn die Angeklagte hat aus der Tat, wegen der die Strafkammer die Einziehung gegen sie angeordnet hat, nichts im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt.
Rz. 9
a) Beim Erlangen handelt es sich um einen tatsächlichen Vorgang. Durch die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist ein Vermögenswert, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er seiner faktischen Verfügungsgewalt unterliegt. Auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es dabei nicht an (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 15. Juli 2020 – 2 StR 46/20, NStZ 2021, 221 Rn. 14; vom 9. Oktober 2019 – 1 StR 170/19, BGHR StGB § 73 Erlangtes 30 Rn. 11; vom 7. März 2019 – 5 StR 569/18, NStZ 2019, 272 Rn. 6; vom 27. September 2018 – 4 StR 78/18, NStZ-RR 2019, 22; vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17 und 624/17, juris Rn. 8; vom 2. Juli 2015 – 3 StR 157/15, BGHR StGB § 73 Erlangtes 16 Rn. 13; vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39 Rn. 19; BT-Drucks. 18/9525 S. 62). Faktische Verfügungsgewalt liegt jedenfalls dann vor, wenn der Tatbeteiligte im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen kann (BGH, Urteile vom 15. Juli 2020 – 2 StR 46/20, NStZ 2021, 221 Rn. 14; vom 9. Oktober 2019 – 1 StR 170/19, BGHR StGB § 73 Erlangtes 30 Rn. 11). Bargeld erlangt ein Tatbeteiligter mithin dann, wenn er die tatsächliche Möglichkeit erhält, darüber zu verfügen, und sei es nur vorübergehend (BGH, Urteil vom 12. August 2003 – 1 StR 127/03, NStZ 2004, 440).
Rz. 10
b) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen transportierte der Sohn der Angeklagten mit einem PKW knapp 51 Kilogramm Amphetamin von W. nach D., wo er dieses an Abnehmer übergab und ein Entgelt in Höhe von 7.450 EUR erhielt. Die zur Tatzeit 63 Jahre alte Angeklagte begleitete ihn bei der Fahrt, um nach außen den Anschein einer unverfänglichen Urlaubsreise von Mutter und Sohn zu erwecken und so den Transport zu tarnen. An der Übergabe des Amphetamins und der Entgegennahme des Entgelts war sie nicht beteiligt, sondern wartete derweil vor dem Gebäude, in dem das Geschäft abgewickelt wurde. Während der Rückfahrt nach W. händigte ihr Sohn ihr das erlangte Bargeld im Auto mit der Bitte aus, dieses zu zählen. Dieser Aufforderung kam die Angeklagte nach. Anschließend deponierte sie den Umschlag mit dem Bargeld noch während der Fahrt auf Geheiß ihres Sohnes im Handschuhfach des Fahrzeugs. Weiteren Umgang mit dem Bargeld hatte sie nicht. Danach hatte die Angeklagte zu keinem Zeitpunkt eigene faktische Verfügungsgewalt über das Geld.
Rz. 11
c) Der Senat hat daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Einziehungsanordnung betreffend die Angeklagte H. entfallen lassen.
Rz. 12
4. Im Hinblick auf diverse Versehen bei der Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe bemerkt der Senat ergänzend Folgendes:
Rz. 13
a) Zwar heißt es in den Urteilsgründen, die Strafkammer habe gegen den Angeklagten B. für die Tat III. 1. a) eine Einzelstrafe von „6 Monaten und 3 Jahren” verhängt. Hierbei handelt es sich aber um ein offenkundiges Fassungsversehen; gemeint ist zweifelsfrei eine Einzelstrafe von sechs Jahren und drei Monaten. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Strafkammer bei der Festsetzung der Einzelstrafe vom Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG ausgegangen ist und in den Urteilsgründen ausgeführt wird, die verhängte Einzelstrafe bewege sich im „untersten Bereich des Strafrahmens”.
Rz. 14
b) Die Strafkammer hat rechtsfehlerhaft bei der Zumessung der Einzelstrafe für den Angeklagten B. im Fall III. 2. der Urteilsgründe den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nach § 27 Abs. 2 StGB in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB gemildert, obwohl der Angeklagte sich insofern nicht nur wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sondern in Tateinheit hierzu auch wegen Herstellung von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht hat. Dies beschwert den Angeklagten indes nicht.
Rz. 15
c) Ausweislich des Tenors hat die Strafkammer die Angeklagte H. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Demgegenüber weisen die Urteilsgründe für sie eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten aus. Dieser Widerspruch wirkt sich jedoch nicht zum Nachteil der Angeklagten aus, weil der mildere Gesamtstrafenausspruch der Urteilsformel Vollstreckungsgrundlage ist (BGH, Beschluss vom 4. Februar 1986 – 1 StR 643/85, BGHSt 34, 11, 12; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 268 Rn. 18; vgl. zudem BGH, Beschluss vom 25. September 2013 – 4 StR 351/13, NStZ-RR 2014, 16).
Rz. 16
d) Dadurch, dass das Landgericht die in den Urteilsgründen erwähnte Einziehung eines Mobiltelefons der Angeklagten H. nach § 74 Abs. 1 StGB im Tenor nicht angeordnet hat, ist die Angeklagte nicht beschwert.
Rz. 17
5. Angesichts des geringen Erfolgs der Revisionen ist es nicht unbillig, die Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Schäfer, Berg, Hoch, Erbguth, Kreicker
Fundstellen
Haufe-Index 14534230 |
NStZ-RR 2023, 238 |