Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozessgebühr. Gegenstandswert. Prozessauftrag. Kostenwiderspruch. Einstweilige Verfügung. Beratungstätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Höhe der Prozessgebühr wird durch den Gegenstandswert des Verfahrens bestimmt, auf die sich der dem Rechtsanwalt erteilte Prozessauftrag bezieht. Ein Kostenwiderspruch zielt insoweit ausschließlich auf die Abänderung der Kostenentscheidung ab.
2. Anwaltskosten einer der Vermeidung eines Rechtsstreits dienenden Beratung stellen keine Kosten des Rechtsstreits dar und sind somit zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1
Verfahrensgang
KG Berlin (Entscheidung vom 30.12.2002) |
LG Berlin (Entscheidung vom 08.12.1999) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 25. Zivilsenats des KG v. 30.12.2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Festsetzung einer 5/10-Prozessgebühr aus einem Gegenstandswert von 500.000 DM zurückgewiesen worden ist.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers bei dem LG Berlin v. 8.12.1999 weiter gehend geändert und wie folgt neu gefasst:
Die von der Antragstellerin an die Antragsgegner nach dem Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des LG Berlin v. 16.11.1999 zu erstattenden Kosten werden auf 628,89 Euro (= 1.230 DM) nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 19.11.1999 festgesetzt.
Der weiter gehende Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegner wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden den Antragsgegnern auferlegt.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 1.080,10 Euro (= 2.112,50 DM) festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin, die ebenso wie die Antragsgegnerin zu 1) einen Radiosender betreibt, hat wegen einer über den Sender der Antragsgegnerin zu 1) verbreiteten Behauptung gegen diese und den Antragsgegner zu 2), den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Antragsgegnerin zu 1), vor dem LG eine einstweilige Verfügung erwirkt. Die Antragsgegner haben die einstweilige Verfügung außer hinsichtlich der Kostenentscheidung unter Verzicht auf die Einlegung eines weiter gehenden Widerspruchs sowie auf die Rechtsbehelfe der §§ 926, 927 ZPO als endgültige Regelung anerkannt. Auf ihren zugleich eingelegten Kostenwiderspruch hat das LG die einstweilige Verfügung im Kostenpunkt aufgehoben und die Kosten des Verfahrens gem. § 93 ZPO der Antragstellerin auferlegt.
Der Rechtspfleger des LG hat die den Antragsgegnern von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 4.315,80 DM festgesetzt. Er hat dabei eine Prozessgebühr sowie eine Verhandlungsgebühr in nach dem Wert der Kosten berechneter Höhe und zusätzlich eine 5/10-Prozessgebühr nach dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens als erstattungsfähig angesehen.
Das KG hat die u. a. hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin insoweit zurückgewiesen.
Mit ihrer - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde wendet sich die Antragstellerin weiterhin gegen die Festsetzung einer nach dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens berechneten 5/10-Prozessgebühr der Antragsgegner. Diese beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat, wie zuvor schon der Rechtspfleger bei dem LG, neben der Prozessgebühr und der Verhandlungsgebühr für das Widerspruchsverfahren auch eine 5/10-Prozessgebühr nach dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens als erstattungsfähig angesehen. Zur Begründung hat es sich auf die Ausführungen bezogen, die das OLG Köln in der (OLG Köln v. 31.7.1992 - 17 W 152/92, OLGReport Köln, 1993, 15 = Rpfleger 1993, 173 veröffentlichten Entscheidung zu einem gleich gelagerten Fall gemacht hat.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. BGH, Beschl. v. 22.5.2003 - I ZB 38/02, Umdr. S. 5 f. m. w. N.), fällt mit dem Kostenwiderspruch aufseiten des Antragsgegners eine 5/10-Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 BRAGO aus dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens nicht an.
Für die Höhe der Prozessgebühr ist der Gegenstandswert des Verfahrens entscheidend, auf das sich der dem Rechtsanwalt erteilte Prozessauftrag bezieht. Der Auftrag an den Rechtsanwalt, gegen eine einstweilige Verfügung nur zum Kostenpunkt Widerspruch zu erheben, zielt ausschließlich auf die Abänderung der Kostenentscheidung ab. Dass die erstrebte Änderung den Verzicht auf eine weiter gehende Anfechtung der einstweiligen Verfügung voraussetzt, ist für die gebührenrechtliche Beurteilung ohne Belang. Die Beschränkung des Widerspruchs auf die Kostenentscheidung enthält einen teilweisen Rechtsbehelfsverzicht, ohne den der Antragsgegner die mit dem Kostenwiderspruch erstrebte Vergünstigung des § 93 ZPO nicht in Anspruch nehmen könnte. Die Prüfung, ob ein Widerspruch beschränkt auf die Kosten eingelegt werden soll, ist dem Widerspruchsverfahren vorgelagert. Die für diese Tätigkeit anfallenden Anwaltskosten rechnen nicht zu den Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens.
Unerheblich ist deshalb, ob die Antragsgegner ihrem seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten zunächst ein uneingeschränktes Mandat erteilt hatten. Eine dem Verfahrensbevollmächtigten daraus erwachsene 5/10-Prozeßgebühr gem. § 31 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 BRAGO wäre nicht erstattungsfähig; denn die Kosten einer anwaltlichen Beratung, die der Vermeidung eines Rechtsstreits dient, sind keine Kosten des Rechtsstreits und deshalb auch nicht als i. S. d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
III. Danach war auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin die Entscheidung des Beschwerdegerichts insoweit aufzuheben, als dieses die Festsetzung einer 5/10-Gebühr nach dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens im Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers bei dem LG bestätigt hat, und der Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegner unter weiter gehender Abänderung der vom Rechtspfleger bei dem LG getroffenen Entscheidung auch insoweit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 959632 |
BGHR 2003, 1115 |
NJOZ 2003, 2205 |