Leitsatz (amtlich)
Zur isolierten Anfechtbarkeit einer teilweisen Abhilfeentscheidung in einem betreuungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren.
Normenkette
FamFG § 68 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Beschluss vom 16.05.2019; Aktenzeichen 5 T 111/19) |
AG Mönchengladbach-Rheydt (Beschluss vom 01.03.2019; Aktenzeichen 4 XVII 364/16 K) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Mönchengladbach vom 16.5.2019 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dessen Beschwerde gegen den Beschluss des AG Mönchengladbach-Rheydt vom 1.3.2019 verworfen wird.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Wert: bis 600 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Der Betroffene wendet sich gegen die Anordnung seiner Betreuung.
Rz. 2
Der Betroffene leidet an einer fortgeschrittenen fronto-temporalen Demenz und befindet sich aus diesem Grund seit Juli 2016 in der geschlossenen Unterbringung. Am 28.7.2015 erteilte er seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 1), eine notariell beurkundete General- und Vorsorgevollmacht, in der er zugleich anordnete, dass im Falle der Erforderlichkeit einer Betreuung seine Ehefrau zur Betreuerin bestellt werden soll.
Rz. 3
Mit Beschluss vom 20.5.2018 hat das AG die Beteiligte zu 1) zur Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge, Heimplatzangelegenheiten, Regelung des Postverkehrs, Vermögensangelegenheiten und Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern bestellt. Zudem hat das AG den Beteiligten zu 4) zum weiteren Betreuer mit dem Aufgabenkreis Kontrolle der Betreuerin für den Bereich der Vermögensangelegenheiten einschließlich des Bereichs der Unternehmen des Betroffenen bestellt und eine Überprüfungsfrist bis zum 20.5.2025 angeordnet.
Rz. 4
Gegen diese Entscheidung haben der Betroffene und der Beteiligte zu 3), der Sohn des Betroffenen, Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 1.3.2019 hat das AG der Beschwerde des Beteiligten zu 3) teilweise abgeholfen, indem es der Beteiligten zu 1) den Aufgabenbereich der Vermögenssorge entzogen, den Beteiligten zu 7) insoweit als weiteren Betreuer bestellt und die Kontrollbetreuung durch den Beteiligten zu 4) sowie eine zuvor angeordnete Ergänzungsbetreuung aufgehoben hat. Der Beschwerde des Betroffenen hat es nicht abgeholfen. Das LG hat mit Beschluss vom 23.4.2019 die Beschwerden zurückgewiesen, soweit ihnen nicht durch den Beschluss des AG vom 1.3.2019 abgeholfen worden ist. Auf die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat der Senat mit Beschluss vom 29.4.2020 () unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen den Beschluss des LG vom 23.4.2019 hinsichtlich der Auswahl des Betreuers für den Aufgabenbereich der Vermögenssorge aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Rz. 5
Mit Beschluss vom 16.5.2019 hat das LG die gegen den Teilnichtabhilfebeschluss vom 1.3.2019 gerichtete Beschwerde des Betroffenen ebenfalls zurückgewiesen. Hiergegen hat der Betroffene die verfahrensgegenständliche Rechtsbeschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 18.6.2020 hat der Betroffene im Hinblick auf die im Verfahren XII ZB 242/19 ergangene Senatsentscheidung vom 29.4.2020 seine Rechtsbeschwerde unter Verwahrung gegen die Kostenlast für erledigt erklärt.
II.
Rz. 6
Der in der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung des Betroffenen liegende Antrag, die Erledigung des Rechtsbeschwerdeverfahrens festzustellen, ist zurückzuweisen, weil die Rechtsbeschwerde von Anfang an unbegründet war.
Rz. 7
1. Der Betroffene konnte das Rechtsbeschwerdeverfahren allerdings in zulässiger Weise für erledigt erklären.
Rz. 8
Eine auf ein Rechtsmittel bezogene einseitige Erledigungserklärung ist nach der Rechtsprechung des BGH jedenfalls dann zulässig, wenn hierfür ein besonderes Bedürfnis besteht, weil nur auf diese Weise eine angemessene Kostenentscheidung zu erzielen ist (BGH Beschlüsse v. 20.12.2018 - I ZB 24/17 - DGVZ 2019, 79 Rz. 10 m.w.N.; v. 20.1.2009 - VIII ZB 47/08 FamRZ 2009, 684 Rz. 4 m.w.N.), und zudem das erledigende Ereignis als solches außer Streit steht (BGH Beschlüsse v. 5.7.2005 - VII ZB 10/05 FamRZ 2005, 1832; v. 20.1.2009 - VIII ZB 47/08 FamRZ 2009, 684 Rz. 6). So liegt es hier.
Rz. 9
Dem Betroffenen bleibt allein die Erledigungserklärung seines Rechtsmittels, um der durch eine Zurückweisung des Rechtsmittels drohenden Kostenlast zu entgehen (BGH Beschl. v. 29.3.2018 - I ZB 54/17 NJW-RR 2019, 317 Rz. 10). Denn eine Rücknahme der Rechtsbeschwerde liegt nicht im Interesse des Betroffenen. Sie hätte zur Folge, dass er die Kosten des Rechtsmittels zu tragen hätte, unabhängig davon ob es ursprünglich begründet war oder nicht (vgl. BGH Beschl. v. 20.1.2009 - VIII ZB 47/08 FamRZ 2009, 684 Rz. 5).
Rz. 10
Das erledigende Ereignis als solches, nämlich die Senatsentscheidung vom 29.4.2020 im Verfahren XII ZB 242/19, mit der die Entscheidung des LG vom 23.4.2019 hinsichtlich der Auswahl des Betreuers für den Aufgabenbereich der Vermögenssorge aufgehoben worden ist, steht vorliegend außer Streit.
Rz. 11
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch von Anfang an unbegründet gewesen, weil die gegen den Teilnichtabhilfebeschluss vom 1.3.2019 gerichtete Beschwerde des Betroffenen bereits unzulässig gewesen ist.
Rz. 12
a) Grundsätzlich stellt eine Nichtabhilfeentscheidung eine bloße Zwischenentscheidung dar, gegen die nach § 58 Abs. 1 FamFG kein Rechtsmittel stattfindet (Keidel/Sternal FamFG 20. Aufl., § 68 Rz. 12a; BeckOK/FamFG/Obermann [Stand: 1.7.2020] § 68 Rz. 12; Prütting/Helms/Abramenko FamFG 5. Aufl., § 68 Rz. 9; Johannsen/Henrichs/Althammer Familienrecht 7. Aufl., § 68 FamFG Rz. 4). Das Beschwerdeverfahren ist gesetzlich so ausgestaltet, dass die Sache mit der Nichtabhilfeentscheidung beim Beschwerdegericht anfällt und dieses dann über die Ausgangsentscheidung in der Form, die diese durch die (Teil-)Nichtabhilfeentscheidung erhalten hat, entscheidet (vgl. OLG München Beschl. v. 27.3.2015 - 34 Wx 113/15 - juris Rz. 1; OLG Köln NJW-RR 2011, 21 m.w.N.; vgl. auch BGH Beschl. v. 16.12.2008 - IX ZA 46/08 NJW-RR 2009, 718 f.). Für eine gesonderte Anfechtung nur der Abhilfeentscheidung durch den Beschwerdeführer besteht daher auch kein Rechtsschutzbedürfnis.
Rz. 13
Nur wenn durch eine (teilweise) Abhilfeentscheidung ein Verfahrensbeteiligter erstmalig beschwert wird, eröffnet ihm der Abhilfebeschluss die Möglichkeit einer Anfechtung der Ausgangsentscheidung, indem für ihn eine neue Beschwerdefrist nach § 63 FamFG in Gang gesetzt wird (vgl. Keidel/Sternal FamFG 20. Aufl., § 68 Rz. 12a; Prütting/Helms/Abramenko FamFG 5. Aufl., § 68 Rz. 10; vgl. auch BayObLG NJW-RR 2003, 1667 f.; OLG Köln NJW-RR 2011, 21 jeweils für das Grundbuchverfahren). Die Beschwerde darf sich aber auch in diesem Fall nicht allein gegen den Abhilfebeschluss richten, sondern muss sich gegen den erstinstanzlichen Beschluss in der Form wenden, den er im Abhilfeverfahren erhalten hat (Prütting/Helms/Abramenko FamFG 5. Aufl., § 68 Rz. 10; Schulte-Bunert/Weinreich/Roßmann FamFG 6. Aufl., § 68 Rz. 12).
Rz. 14
b) Im vorliegenden Fall hat das AG zwar im Abhilfeverfahren auf die Beschwerde des Beteiligten zu 3) seine Entscheidung zum Nachteil des Betroffenen abgeändert, indem es u.a. der Beteiligten zu 1) die Vermögenssorge entzogen und diese auf den Beteiligten zu 7) übertragen hat. Da der Betroffene jedoch bereits gegen die Ausgangsentscheidung des Betreuungsgerichts Beschwerde eingelegt hatte, war nach dem durchgeführten Abhilfeverfahren Gegenstand seiner Beschwerde nunmehr die Ausgangsentscheidung in der Fassung, die sie durch den Teilnichtabhilfebeschluss vom 1.3.2019 erhalten hat. Seine isolierte Beschwerde gegen den Teilnichtabhilfebeschluss war damit nicht statthaft und hätte vom LG verworfen werden müssen.
Fundstellen
FuR 2020, 3 |
FuR 2020, 708 |
ZAP 2020, 1112 |
BtPrax 2020, 234 |
JZ 2020, 730 |
MDR 2020, 1527 |
Rpfleger 2021, 150 |