Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlung einer Abfindung nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz
Leitsatz (amtlich)
War der Erbe eines Genossenschaftsbauern nicht Mitglied der LPG, in der das eingebrachte Land bewirtschaftet wurde, wohl aber sein Ehepartner, so rückte dieser in die mitgliedschaftliche Stellung des Erblassers ein, wenn das Grundstück in der Bewirtschaftung der LPG verblieb.
Normenkette
DDR:LPGG § 24 Abs. 2; DDR:LPGG § 24 Abs. 3 J: 1959; DDR:LPG-MusterSt/Tiere Nr. 13 Abs. 4
Verfahrensgang
OLG Dresden (Aktenzeichen WLw 1112/98) |
LG Oschatz (Aktenzeichen XV 26/96) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Landwirtschaftssenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 20. Oktober 1998 wird auf Kosten der Antragsgegnerin, die dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat, zurückgewiesen.
Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 218.915,66 DM.
Gründe
I.
Der Antragsteller war landloses Mitglied der LPG „F. M.” P.. Sein Schwiegervater, E. G., wurde 1959 unter Einbringung seines landwirtschaftlichen Betriebes Mitglied dieser LPG. Er leistete einen Pflichtinventarbeitrag von 21.985 DM und einen zusätzlichen Inventarbeitrag von 34.243 DM. Ein Teil des eingebrachten Bodens war Land, das er von seiner Tochter, der Ehefrau des Antragstellers, angepachtet hatte.
Im Zuge der Umstrukturierungen der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften in Genossenschaften der Tier- und Pflanzenproduktion blieben der Antragsteller und sein Schwiegervater in der Stamm-LPG, die zur LPG (T) „F. M.” P. wurde. Die durch Ausgliederung und Umbildung entstandene LPG (P) J. übernahm die Bewirtschaftung der von E. G. eingebrachten Flächen.
E. G. verstarb 1979 und wurde von seiner Tochter beerbt. Der von ihm eingebrachte Boden verblieb weiter in der Nutzung der LPG (P) J. . Die Tochter gehörte weder dieser LPG noch der LPG „F. M.” P. an; sie war landloses Mitglied der LPG „G. D.” T..
Auf Mitgliedervollversammlungen vom 5. Februar, 12. März und 7. August 1991, an denen der Antragsteller teilnahm, faßte die LPG (T) „F. M.” P. Beschlüsse zur Umwandlung in die Antragsgegnerin. Diese wurde am 6. Mai 1992 mit Umwandlungsvermerk in das Handelsregister eingetragen. In dem Protokoll der Mitgliedervollversammlung vom 7. August 1991 heißt es, daß zwölf namentlich aufgeführte Mitglieder sich entschlossen hätten, Gesellschafter im neuen Unternehmen zu werten. Der Antragsteller befindet sich nicht darunter. Weiter ist vermerkt: „Bis zum Freitag, d. 9.8.1991, 12.00 Uhr, werden weitere Bereitschaftserklärungen im LPG-Büro entgegengenommen. Anschließend erfolgt eine Gesellschafterversammlung.” Der Antragsteller gab innerhalb dieser Frist keine entsprechende Erklärung ab und zeichnete auch keine GmbH-Anteile. Mit Schreiben vom 29. September 1992 erklärte er gegenüber der Antragsgegnerin, die „Mitgliedschaft in der ehemaligen umgewandelten LPG „F. M.” P.” nach § 43 LwAnpG zu kündigen.
Die Antragsgegnerin zahlte im Zuge der Vermögensauseinandersetzung insgesamt 25.498,80 DM an den Antragsteller, und zwar den Inventarbeitrag von E. G. in Höhe von 21.985 DM sowie Beträge für die Wertschöpfung der Arbeit des Antragstellers und für die Bodenverzinsung. Der Überinventarbeitrag war bis 1990, beginnend schon zu Lebzeiten von E. G., zurückgezahlt worden.
Der Antragsteller macht unter Berücksichtigung der vorstehenden Rückzahlungen auf der Grundlage des § 44 Abs. 1 LwAnpG Abfindungsansprüche geltend, die er in erster Instanz zuletzt mit 221.084,21 DM nebst Zinsen berechnet hat. Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten und hat eine Überzahlung von 6.351,08 DM zurückgefordert. Das Landwirtschaftsgericht hat – unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags und des Gegenantrags – die Antragsgegnerin zur Zahlung von 218.915,66 DM nebst Zinsen verpflichtet. Ihre sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der – zugelassenen – Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihre zuletzt gestellten Anträge weiter. Der Antragsteller beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Die – zulässige – Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Ohne Erfolg wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Annahme des Beschwerdegerichts, der Antragsteller sei im Zuge der Umwandlung der LPG „F. M.” P. aus der Genossenschaft ausgeschieden, so daß ihm – dem Grunde nach – ein Anspruch aus § 44 Abs. 1 LwAnpG zustehe.
Das Beschwerdegericht ist in tatrichterlicher Würdigung der gesamten Umstände der LPG-Umwandlung und des Verhaltens des Antragstellers zu dem Ergebnis gelangt, daß der Antragsteller aus der LPG ausgeschieden und nicht Gesellschafter der Antragsgegnerin geworden ist. Diese Würdigung ist möglich. Einen Rechtsfehler zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Sie wertet die Umstände lediglich anders und entnimmt dem Verhalten des Antragstellers keinen objektiven Erklärungswert des Inhalts, daß er aus der Genossenschaft ausscheiden wollte. Soweit sie in diesem Zusammenhang geltend macht, der Antragsteller selbst habe sich nicht auf eine Kündigung „durch Schweigen” berufen, steht dem die – auf dem Schriftsatz vom 13. Mai 1998 beruhende – unangefochtene Feststellung des Beschwerdegerichts (wie auch schon des Landwirtschaftsgerichts) entgegen, daß der Antragsteller meine, er sei bereits im Zuge der Umwandlung aus der Genossenschaft ausgeschieden, da er keine GmbH-Anteile übernommen habe. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde stellt es keinen Rechtsfehler dar, daß das Beschwerdegericht bei seiner Würdigung nicht auf den Umstand eingegangen ist, daß der Antragsteller erst mit Schreiben vom 29. September 1992 seine Mitgliedschaft „in der ehemaligen umgewandelten LPG” gekündigt hat. Denn für die Auslegung des zeitlich vorher liegenden, vom Beschwerdegericht als Austritt gewerteten Verhaltens konnte dieses Schreiben keine Bedeutung mehr erlangen (vgl. BGH, Urt. v. 24. Juni 1988, V ZR 49/87, NJW 1988, 2878). Daß die Parteien den übereinstimmenden tatsächlichen Willen gehabt hätten, die Mitgliedschaft des Antragstellers nicht schon im Zuge der Umwandlung zu beenden, wofür allein die Kündigung vom 29. September 1992 als Indiz hätte herangezogen werden können, zeigt die Rechtsbeschwerde demgegenüber nicht auf.
2. Bei der Bewertung des Abfindungsanspruchs ist das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen, daß der Antragsteller, obwohl nicht Erbe nach E. G., mitgliedschaftlich in dessen Rechtsstellung als Inventar- und Landeinbringer eingetreten ist.
a) Beim Tode von E. G. galten die Vorschriften des Gesetzes über die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften vom 3. Juni 1959 (LPGG 1959). § 24 Abs. 2 dieses Gesetzes sah vor, daß das von einem LPG-Mitglied eingebrachte Land und Inventar als von dem Erben eingebracht galt, wenn dieser Erbe „Mitglied der LPG” war. War er es nicht, stand ihm nach § 24 Abs. 3 Satz 1 LPGG 1959 ein Anspruch auf Auszahlung des Inventarbeitrages zu. Der Boden verblieb hingegen in der Nutzung der LPG und wurde im Regelfall auf der Grundlage eines Kreispachtvertrages weitergenutzt (§ 24 Abs. 3 Satz 2 LPGG 1959; die nach dieser Vorschrift daneben gegebene Möglichkeit des Verkaufs an die LPG, an ein LPG-Mitglied oder an den Staat spielte keine erhebliche Rolle, vgl. Heuer, LPGG-Kommentar, 1964, § 24 Anm. V).
b) Diese Regelung wurde jedoch nicht mehr uneingeschränkt angewendet, weil § 24 Abs. 3 LPGG 1959 als überholt angesehen wurde (Senat, Beschl. v. 23. Oktober 1998, BLw 16/98, WM 1999, 186, 187). Auch im vorliegenden Fall ist anders verfahren worden.
Nach Nr. 13 Abs. 4 des Musterstatuts der LPG Tierproduktion vom 28. Juli 1977 war der Antragsteller nämlich als Genossenschaftsbauer der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin verpflichtet, seinen Boden für die sozialistische Nutzung zur Verfügung zu stellen und den Pflichtinventarbeitrag zu leisten. Die Verpflichtung zur Einbringung des Bodens bezog sich nicht nur auf eigene Bodenflächen, sondern erfaßte den gesamten in der Familie des Mitglieds genutzten Boden (vgl. Autorenkollektiv, Kommentar zum Musterstatut der LPG Tierproduktion, 1981, Nr. 13 Anm. 1). Es entsprach daher der Pflicht des Antragstellers, den seiner Frau als Erbin zugefallenen Boden in der LPG zu belassen. Hätte er ihn neu einbringen müssen, würde seine mitgliedschaftliche Stellung der von E. G. entsprochen haben. Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten, in dem es einer Neueinbringung nicht bedurfte, weil das Nutzungsrecht der LPG ohnehin fortbestand. Dementsprechend konnten der Ehefrau des Antragstellers als Erbin nach E. G. nicht die Rechtsfolgen des § 24 Abs. 3 LPGG 1959 zugute kommen. So hat sie nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts auch keine Gutschrift für den von ihrem Vater eingebrachten Boden bei der LPG T., bei der sie Mitglied war, erhalten. Sie blieb dort landloses Mitglied.
3. Der Umstand, daß der von E. G. eingebrachte Boden ab 1973 im Zuge der Umstrukturierung der LPG in Genossenschaften der Tier- und Pflanzenproduktion zunächst von der KAP J. und ab 1976 von der LPG (P) J. genutzt wurde, steht – wie das Beschwerdegericht zutreffend dargelegt hat – einer Haftung der Antragsgegnerin nicht entgegen. Der Anspruch aus § 44 Abs. 1 LwAnpG bleibt nach Abs. 2 dieser Vorschrift gegen die LPG mit Tierproduktion, mithin gegen die LPG (T) „F. M.” P. bzw. deren Rechtsnachfolgerin, die Antragsgegnerin, gerichtet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG.
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Krüger
Fundstellen
Haufe-Index 539751 |
BGHR |
FamRZ 2000, 755 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2000, 172 |
WM 2000, 250 |
ZAP-Ost 2000, 37 |
AgrarR 2000, 301 |
NJ 2000, 315 |
RdL 2000, 77 |
OVS 2000, 210 |
OVS 2000, 64 |