Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 14. Juli 1999 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I. Mit seinem am 1. Juli 1998 verkündeten, der Klägerin am 6. und der Beklagten am 7. Juli 1998 zugestellten Urteil hat das Landgericht im Ausgangsverfahren sowohl die Klage als auch die von der Beklagten erhobene Widerklage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung ist für beide Parteien mit am 6. August 1998 bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen Berufung eingelegt worden. Das Rechtsmittel der Klägerin wurde nach mehrfacher Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zuletzt zum 6. November 1998 mit einem am 5. November 1998 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet; für die Beklagte ist ebenfalls mehrfache Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zuletzt zum 13. November 1998 gewährt worden. Am 11. November 1998 wurde für sie bei Gericht eine Begründung eingereicht. Nachdem sich in der Folge herausgestellt hatte, daß Berufungsschrift und Berufungsbegründungsschrift für die Beklagte durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet worden waren, der bei der Unterzeichnung nicht wirksam als Vertreter des beim Berufungsgericht zugelassenen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bestellt worden war, wurde von letzterem am 18. April 1999 für die Beklagte unter gleichzeitiger Einreichung einer neuen Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift wegen der Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Vor der Entscheidung über diesen Antrag hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten im Termin vom 2. Juli 1999 vor dem Berufungsgericht (GA 448, 449) einen mit den Worten „Anschlußberufung und Begründung” überschriebenen Schriftsatz eingereicht und dazu im Termin erklärt, daß die in dem übergebenen Schriftsatz enthaltene Anschlußberufung gelten solle für den Fall, daß das Berufungsgericht seinen Wiedereinsetzungsantrag zurückweise und die damit verbundene Berufung folgerichtig verwerfe oder nicht bereits als unselbständige Anschlußberufung werte.
Mit Schriftsatz vom 1. Juni 1999 hat die Klägerin ihr Rechtsmittel zurückgenommen.
In dem am 7. Juli 1999 verkündeten Beschluß hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und mit einem weiteren Beschluß vom 14. Juli 1998 die Berufung der Beklagten vom 18. April 1999 als unzulässig verworfen, soweit darin eine selbständige Berufung zu sehen sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß das Rechtsmittel als selbständige Berufung unzulässig sei, weil es weder fristgerecht eingelegt noch begründet worden sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses vom 14. Juli 1999 begehrt.
II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft und – da form- und fristgerecht eingelegt – zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel der Beklagten zu Unrecht in eine selbständige Berufung und eine unselbständige Anschlußberufung aufgeteilt und auf dieser Grundlage die selbständige Berufung kostenpflichtig verworfen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darf ein nicht oder nicht fristgerecht eingelegtes oder begründetes Rechtsmittel vor der abschließenden mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz nicht als unzulässig verworfen werden, solange es – mit Blick auf ein von dem Gegner eingereichtes Rechtsmittel – in eine unselbständige Anschlußberufung umgedeutet werden kann (BGH, Beschl. v. 1.10.1986 – IVb ZB 83/86, BGHR ZPO § 140 - Verfahrensrecht 1, ZPO § 522 - Umdeutung 1; vgl. a. BGH, Urt. v. 6.5.1987 - IVb ZR 51/86, NJW 1987, 3263 = MDR 1987, 829 u. v. 27.4.1995 - VII ZR 218/94, NJW 1995, 2362, 2363). Das Berufungsgericht geht ersichtlich davon aus, daß eine solche Umdeutung auch im vorliegenden Fall in Betracht kommt. Dann hätte es die Berufung der Beklagten nur unter der weiteren Voraussetzung verwerfen dürfen, daß auch eine wirksame Anschlußberufung zu verneinen ist. Die Klägerin hat insoweit nachträglich Wirkungslosigkeit wegen Zurücknahme der klägerischen Berufung (§ 522 I ZPO) geltend gemacht. Insoweit ist jedoch streitig, ob die Klägerin die Zurücknahme vor dem in § 515 I ZPO bestimmten Zeitpunkt und damit wirksam ohne Zustimmung der Beklagten erklärt hat. Dies hat das Berufungsgericht offengelassen und wird es bei erneuter Befassung mit der Sache aufklären müssen.
Unterschriften
Rogge, Melullis, Scharen, Keukenschrijver, Mühlens
Fundstellen