Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Der Verweisungsbeschluss ist nicht nur hinsichtlich derjenigen Zuständigkeitsfrage bindend, deretwegen verwiesen worden ist, sondern auch hinsichtlich sonstiger Zuständigkeitsfragen, soweit das verweisende Gericht die Zuständigkeit auch in dieser Hinsicht geprüft und bejaht hat.
Normenkette
GVG § 23 Nr. 2a, § 23b Abs. 1 S. 2 Nr. 9; ZPO § 27
Verfahrensgang
Tenor
Zuständig ist das Landgericht Mönchengladbach.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind die Enkel und Erben des am 15. Januar 1992 verstorbenen Friedrich August Hausmann. Die Beklagte ist dessen Witwe und hatte mit ihm durch notariellen Vertrag vom 19. November 1991 den Güterstand der Gütergemeinschaft vereinbart.
Mit ihrer Stufenklage begehrten die Kläger zunächst Auskunft über den Bestand des Gesamtgutes am 15. Januar 1992. Das angerufene Amtsgericht Viersen (allgemeine Prozeßabteilung) hielt sich zunächst für örtlich unzuständig, weil die Beklagte in München wohne, setzte das Verfahren aber fort, nachdem die Kläger auf § 27 ZPO (besonderer Gerichtsstand bei Erbfolge) hingewiesen und mitgeteilt hatten, daß der Erblasser zuletzt im Bezirk des angerufenen Gerichts wohnhaft gewesen sei.
Nachdem die Beklagte durch Teilurteil zur Erteilung der begehrten Auskunft verurteilt worden war, beantragten die Kläger, die Beklagte zu verurteilen, „den ½ Anteil an dem Grundbesitz … an die Kläger herauszugeben”.
Diesen Grundbesitz hatte die Beklagte im Wege der Erbfolge nach ihren Eltern erworben, mit notarieller Urkunde vom 28. November 1991 – zugleich als vollmachtlose Vertreterin ihres Ehemannes – zu ihrem Vorbehaltsgut erklärt und ihr Erbe nach ihren Eltern zugleich schenkweise je zur Hälfte auf ihre beiden Kinder übertragen. Ihr Ehemann genehmigte ihre Erklärungen mit notarieller Urkunde vom 29. November 1991. Die Kläger halten diese Genehmigung und damit auch die in der Urkunde vom 28. November 1991 getroffenen Verfügungen für unwirksam, weil dem erblindeten Ehemann der Beklagten diese Urkunde nicht vorgelesen worden sei und der Notar ihn auch nicht darauf hingewiesen habe, daß er die Zuziehung eines Zeugen oder eines weiteren Notars verlangen könne.
Das Amtsgericht setzte den Streitwert für den Leistungsantrag auf 12.500 DM fest, erklärte sich für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit auf Antrag der Kläger durch beiden Parteien mitgeteilten Beschluß an das Landgericht Mönchengladbach.
Das Landgericht wies die Parteien auf Bedenken gegen seine Zuständigkeit hin, da es sich um eine Familiensache handele und der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts nicht bindend sei. Dieser sei allein auf die Streitwertzuständigkeit gestützt; die ausschließliche Zuständigkeit des Familiengerichts habe das Amtsgericht nicht in Betracht gezogen und das Landgericht folglich insoweit auch nicht binden wollen. Nach Gewährung rechtlichen Gehörs erklärte sich das Landgericht durch beiden Parteien mitgeteilten Beschluß für unzuständig und verwies den Rechtsstreit auf Antrag der Kläger an das Amtsgericht München.
Das Amtsgericht – Familiengericht – München lehnte dieÜbernahme durch beiden Parteien mitgeteilten Beschluß mit der Begründung ab, das Amtsgericht Viersen habe seine Zuständigkeit nach § 27 ZPO bejaht; das Landgericht Mönchengladbach sei daher an den Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts gebunden und an einer Weiterverweisung gehindert.
Das Landgericht hat die Sache daraufhin dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmungdurch den Bundesgerichtshof nach § 36 Nr. 6 ZPO sind erfüllt.
Mit dem Landgericht Mönchengladbach und dem Amtsgericht – Familiengericht – München haben sich zwei Gerichte, von denen eines für die Entscheidung zuständig ist, nach Eintritt der Rechtshängigkeit im Sinne von § 36 Nr. 6 ZPO „rechtskräftig” für unzuständig erklärt.
2. Das Landgericht Mönchengladbach ist zuständig, weiles an den Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Viersen gebunden ist, § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO, und die Sache deshalb nicht seinerseits bindend an das Amtsgericht München weiterverweisen konnte.
a) Der Verweisungsbeschluß ist nicht nur hinsichtlich derjenigen Zuständigkeitsfrage bindend, derentwegen verwiesen worden ist (soweit also verweisendes und angewiesenes Gericht in der Zuständigkeitsfrage konkurrieren), sondern auch hinsichtlich sonstiger Zuständigkeitsfragen, soweit das verweisende Gericht die Zuständigkeit auch in dieser Hinsicht geprüft und bejaht hat (vgl. BGHZ 63, 214, 216 f.; BayObLG NJW-RR 1996, 956). Dies gilt auch, soweit ein Amtsgericht ein Verfahren als nicht familienrechtliche Streitigkeit beurteilt und mit Rücksicht auf den Streitwert an ein Landgericht verweist (vgl. Senatsbeschluß vom 14. Juli 1989 – IVb ARZ 17/89 – FamRZ 1990, 147). Dies beruht nicht zuletzt auf der prozeßwirtschaftlichen Erwägung, daß eine weitere Zuständigkeitsprüfung mit der möglichen Folge einer erneuten Verweisung dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die betreffende Zuständigkeitsfrage bereits von einem anderen Gericht entschieden und die Sache schon einmal von einem Gericht an ein anderes verwiesen wurde (vgl. BGHZ 63 aaO 217).
Diese Voraussetzungen sind – entgegen der Auffassung des Landgerichts – auch hier gegeben. Das Amtsgericht hat die Sache als einen Rechtsstreit über erbrechtliche Ansprüche (und damit als nicht familienrechtliche) Streitigkeit angesehen, wie sich bereits daraus ergibt, daß es seine ursprünglichen Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit nach Hinweis der Kläger auf § 27 ZPO hat fallen lassen. Auch in dem stattgebenden Teilurteil über den Auskunftsanspruch liegt unausgesprochen die Bejahung der eigenen örtlichen und sachlichen Zuständigkeit im Rahmen der Streitwertgrenze des § 23 Nr. 2 a GVG. Daraus ist zu schließen, daß das Amtsgericht Viersen auch weiterhin vom Vorliegen einer allgemeinen Zivilsache und einer sich aus § 27 ZPO ergebenden örtlichen Zuständigkeit ausging und der Verweisungsbeschluß seinem objektiven Gehalt nach das Landgericht Mönchengladbach auch insoweit binden wollte.
b) Die Bindungswirkung ist auch nicht aus anderen Gründen entfallen. Die zuerst ausgesprochene Verweisung entfaltet nur ganz ausnahmsweise keine Bindungswirkung, nämlich wenn sie jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt, willkürlich ist oder unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ergangen ist (vgl. Senatsbeschluß vom 9. Juni 1993 – XII ARZ 6/93 – BGHR ZPO § 281 Abs. 2 Satz 5 Bindungswirkung 6 m.N.). An Mängeln dieser Art leidet der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Viersen nicht.
Allerdings hat das Amtsgericht Viersen in der Tat außer Acht gelassen, daß für den vorliegenden Rechtsstreit das Familiengericht ausschließlich zuständig war, weil die Kläger Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht geltend machen, § 23 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 GVG.
Zwar verlangen die Kläger nicht die Auseinandersetzung einer fortgesetzten Gütergemeinschaft nach §§ 1483 ff BGB, wie das Landgericht in seinem Vorlagebeschluß angenommen hat, denn die Fortsetzung der Gütergemeinschaft mit gemeinschaftlichen Abkömmlingen war weder im Ehevertrag vereinbart, noch waren offenbar überhaupt gemeinschaftliche Abkömmlinge vorhanden.
Die Kläger sind aber in ungeteilter Erbengemeinschaft mit dem in den Nachlaß gefallenen Anteil des Erblassers am Gesamtgut beteiligt und begehren mit der Klage letztlich dessen Auseinandersetzung (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB 56. Aufl. § 1482 Rdn. 1; RGRK/Finke, 12. Aufl. § 1471 BGBRdn. 6). Für die Klage auf Auseinandersetzung der nach dem Tod des Erblassers bis zur vollständigen Durchführung der Auseinandersetzung als Liquidationsgemeinschaft fortbestehenden Gütergemeinschaft (vgl. MünchKomm-BGB/Kanzleiter, 3. Aufl. § 1471 Rdn. 6) ist jedoch ebenfalls das Familiengericht ausschließlich zuständig (vgl. Staudinger/Thiele, BGB [1994] § 1474 Rdn. 9).
Die unter Außerachtlassung der ausschließlichen Zuständigkeit des Familiengerichts erfolgte Verweisung ist somit zwar rechtsfehlerhaft; sie beruht jedoch nach den gesamten Umständen des Falles nicht auf Willkür.
Unterschriften
Blumenröhr, Zysk, Hahne, Sprick, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 1129049 |
FamRZ 1999, 501 |
NJW-RR 1998, 1219 |