Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 09.07.2019) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 9. Juli 2019
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte
der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren als Person über 21 Jahre in 21 rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwölf rechtlich zusammentreffenden Fällen,
der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren als Person über 21 Jahre in acht rechtlich zusammentreffenden Fällen,
des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,
des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und
des Besitzes eines Butterflymessers schuldig ist;
- dahin ergänzt, dass der Angeklagte im Übrigen freigesprochen wird; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren als Person über 21 Jahre in acht rechtlich zusammentreffenden Fällen, der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren als Person über 21 Jahre in 21 rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 13 rechtlich zusammentreffenden Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, des Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie des unerlaubten Waffenbesitzes schuldig gesprochen. Es hat ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Diese führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und zur Nachholung eines Teilfreispruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Nach den vom Landgericht unter II. 44. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte am 31. März 2017 47,42 g Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von 7,92 g Tetrahydrocannabinol (THC). Von dem Cannabis waren jedenfalls 10 g zum Eigenkonsum, der Rest zum gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen. Das Landgericht hat diese Tat als Erwerb von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln mit Blick darauf bewertet, dass weder die zum Handeltreiben noch die zum Eigenkonsum bestimmte Wirkstoffmenge den Grenzwert von 7,5 g THC überstieg. Dies ist rechtsfehlerhaft, da der Angeklagte insgesamt eine über dem Grenzwert liegende Wirkstoffmenge besaß und sich daher wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4 BtMG strafbar gemacht hat. Dieser Verbrechenstatbestand entfällt nicht dadurch, dass der Täter eine die nicht geringe Menge nicht erreichende Teilmenge zu Verkaufszwecken bestimmt. Vielmehr tritt in einem solchen Fall das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB tateinheitlich zu dem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinzu (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2018 – 5 StR 68/18, NStZ 2019, 95 f. mwN).
Rz. 3
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Der Schuldspruchänderung stehen weder das Verschlechterungsgebot nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO noch § 265 StPO entgegen. Der hinsichtlich des Besitzes geständige Angeklagte hätte sich im Falle eines Hinweises nicht wirksamer verteidigen können.
Rz. 4
Hiervon bleibt der Strafausspruch unberührt, da auszuschließen ist, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung eine andere Strafe festgesetzt hätte. Der von der Strafkammer herangezogene Strafrahmen des § 29 Abs. 3 BtMG entspricht demjenigen des § 29a Abs. 1 BtMG. Aus den Gründen, aus denen sie nach Gesamtabwägung eine Entkräftung der Regelwirkung abgelehnt hat, hätte sie ersichtlich keinen minder schweren Fall im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG angenommen.
Rz. 5
2. Das Landgericht hat es unterlassen, den Angeklagten freizusprechen, soweit es hinsichtlich der Betäubungsmittelverkäufe an die Abnehmer D. und P. von einer geringeren Anzahl ausgeht als die im Eröffnungsbeschluss unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage. Diese hat dem Angeklagten zur Last gelegt, jeweils durch einzelne Taten Cannabis 15 Mal an den damals jugendlichen D. und insgesamt 68 Mal an den teils noch jugendlichen P. abgegeben zu haben. Dagegen hat sich das Landgericht ausweislich der Urteilsgründe nicht von der gesamten Zahl der zuvor angenommenen Verkäufe zu überzeugen vermocht, sondern lediglich acht Lieferungen an D. und insgesamt 38 Übergaben an P. festgestellt. Weil es mithin nicht alle tatsächlichen Vorgänge als erwiesen angesehen hat, hätte es den Angeklagten im Übrigen freisprechen müssen. Dies gilt unabhängig davon, dass das Landgericht abweichend von der zugelassenen Anklage davon ausgegangen ist, eine Vielzahl einzelner Abgaben an jeweils einen Abnehmer stünden nicht im Verhältnis der Tatmehrheit, sondern der Tateinheit zueinander (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. April 2019 – 3 StR 48/19, NStZ-RR 2019, 211; vom 19. April 2016 – 3 StR 48/16, NStZ-RR 2016, 246). Der Senat holt den Teilfreispruch mit der sich nach § 467 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge nach.
Unterschriften
Schäfer, Spaniol, Wimmer, Hoch, Anstötz
Fundstellen
Dokument-Index HI13615767 |