Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 06.06.2011) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 6. Juni 2011 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere, allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen „Nötigung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe und mit einer weiteren Nötigung” zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und darüber hinaus dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung im Strafausspruch; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat im Schuld- und Maßregelausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Rz. 3
2. Hingegen hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 4
Das Landgericht hat – was aufgrund des festgestellten Sachverhalts an sich nicht zu beanstanden ist – das Vorliegen eines besonders schweren Falls der Nötigung gemäß § 240 Abs. 4 StGB angenommen. Dann jedoch hat es die Strafe dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 240 Abs. 4 StPO entnommen, ohne zuvor zu erwägen, ob das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes der Annahme eines besonders schweren Falls hier entgegensteht. Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt:
„Die Strafkammer hat ohne Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit zur Tatzeit aufgrund einer akuten Kokainwirkung angenommen. Bei der Prüfung des besonders schweren Falls hat sie das Vorliegen des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB allerdings nicht berücksichtigt (siehe Fischer StGB 59. Auflage § 46 Rn. 92). Die Strafkammer sieht bereits allein aufgrund der objektiven Gefährlichkeit des Handelns des Angeklagten den besonders schweren Fall der Nötigung als begründet (UA S. 28). Diese Formulierung zeigt auf, dass die Strafkammer gerade nicht berücksichtigt hat, dass der vertypte Milderungsgrund des § 21 der Annahme des besonders schweren Falls vorliegend entgegenstehen könnte. Unabhängig davon lässt die Strafkammer außer Acht, dass sich der Angeklagte aufgrund der akuten Kokainwirkung zur Tatzeit – die zur Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit geführt hat – in einem (nicht ausschließbaren) Zustand der Euphorisierung und höherer Risikofreudigkeit befand und seine Dominanz und Präsenz zudem gesteigert war (UA S. 27). Danach spricht aber vieles dafür, dass die Ausführung der Tat des Angeklagten symptomatischer Ausdruck seiner erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit war. Trifft dies aber zu oder kann dies nicht ausgeschlossen werden, gereicht die objektive Gefährlichkeit des Handelns dem Angeklagten nicht zum Vorwurf und kann deshalb auch nicht uneingeschränkt zur Begründung des besonders schweren Falls gemäß § 240 Abs. 4 StGB herangezogen werden (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 24; Fischer StGB 59. Auflage § 46 Rn. 32).
Auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht der Strafausspruch. Denn der Strafrahmen – bei Verneinung eines besonders schweren Falls – des § 240 Abs. 1 StGB (Geldstrafe bis 3 Jahre Freiheitsstrafe) ist für den Angeklagten günstiger als der nach § 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen des § 240 Abs. 4 StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis drei Jahren und neun Monate). Dies zwingt hier zur Aufhebung des Strafausspruchs. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Tatgericht, das mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten gerade nicht auf eine Freiheitsstrafe im oberen Bereich des Strafrahmens erkennen wollte, bei Zugrundelegung des Strafrahmens des § 240 Abs. 1 StGB auf eine mildere Strafe erkannt hätte.”
Rz. 5
Dem schließt sich der Senat an und weist darauf hin, dass die Strafe gegebenenfalls dem § 52 Abs. 1 WaffG zu entnehmen sein wird, sollte der neue Tatrichter insoweit nicht zur Annahme eines minder schweren Falls nach § 52 Abs. 6 WaffG gelangen.
Unterschriften
Ernemann, Fischer, Appl, Schmit, Krehl
Fundstellen
Haufe-Index 2971403 |
NStZ-RR 2012, 207 |