Leitsatz (amtlich)
Bei der Feststellung, ob der für ein Grundstück vereinbarte Kaufpreis in einem groben Mißverhältnis zu seinem landwirtschaftlichen Verkehrswert steht, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen, wenn der Antrag auf Genehmigung erst erhebliche Zeit nach Abschluß des Kaufvertrages gestellt worden ist.
Normenkette
GrdstVG § 9 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Landwirtschaftssenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 12. Mai 2000 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1 und 2 zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 449.520 DM.
Gründe
I.
Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 4. Dezember 1991 verkaufte der Beteiligte zu 2 dem Beteiligten zu 1 zur Bebauung ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück mit etwa 3,7 ha Größe in W. für 449.520 DM (12 DM/qm). Am 25. August 1994 beantragte der Urkundsnotar die Genehmigung des Vertrages bei der beteiligten Behörde. Diese erließ am 1. September 1994 einen Zwischenbescheid zur Verlängerung der in § 6 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG bestimmten Frist, um der Sächsischen L. GmbH die Entscheidung über die Ausübung ihres Vorkaufsrechts nach dem Reichssiedlungsgesetz zu ermöglichen. Der Zwischenbescheid wurde dem Urkundsnotar am 5. September 1994 zugestellt. Mit Schreiben vom 24. Oktober 1994 erklärte die Sächsische L. GmbH gegenüber dem Staatlichen Amt für landwirtschaftliche Neuordnung Wu., von ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch zu machen. Im Genehmigungsverfahren bekundeten drei Landwirte und ein Agrarunternehmen Interesse am Erwerb des Grundstücks zu einem Preis zwischen 1 DM und 5 DM/qm.
Mit Bescheid vom 17. November 1994 hat die beteilige Behörde die Erteilung der beantragten Genehmigung abgelehnt. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das Landwirtschaftsgericht hat die Genehmigung erteilt. Auf die Beschwerde der beteiligten Behörde und des Regierungspräsidiums C. hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts aufgehoben und den Antrag des Beteiligten zu 1 auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 und 2.
II.
Das Beschwerdegericht meint, der Kaufvertrag vom 4. Dezember 1991 sei nicht genehmigungsfähig. Es führt aus, durch den Zwischenbescheid vom 1. September 1994 sei die Dauer der für das Verfahren zur Verfügung stehenden Zeit wirksam auf drei Monate verlängert worden. Die beantragte Genehmigung könne nicht erteilt werden, weil der vereinbarte Kaufpreis in einem groben Mißverhältnis zum Wert des Grundstücks stehe. Der angemessene Preis für das Grundstück betrage allenfalls 1,30 DM/qm, seit die Gemeinde ihre Absicht aufgegeben habe, das Grundstück als Baugebiet auszuweisen.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Ohne Bedeutung ist, ob die Sächsische L. GmbH bei Abschluß des Kaufvertrages als rechtsfähige Gesellschaft bestand. Gegenstand des Kaufvertrages ist ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück. Verkauf und Auflassung des Grundstücks sind daher gemäß § 2 Abs. 1 GrdstVG genehmigungspflichtig. Da das Grundstück mehr als 0,5 ha groß ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 SächsAGGrdstVG [SächsGVBl. 1994, 1252], § 2 der Verordnung über die Bestimmung der Freigrenze nach dem Landpachtverkehrsgesetz und der Mindestgröße der dem siedlungsrechtlichen Vorkaufsrecht unterliegenden Grundstücke [SächsGVBl. 1994, 689]), hatte die beteilige Behörde gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2, § 12 GrdstVG die Entscheidung der Siedlungsbehörde, des Staatlichen Amts für landwirtschaftliche Neuordnung Wu., über die Ausübung des Vorkaufsrechts einzuholen. Siedlungsunternehmung im Sinne von § 1 Abs. 1 RSiedlG ist die Sächsische L. GmbH. Ob diese bei Abschluß des Kaufvertrages am 11. Dezember 1991 in das Handelsregister eingetragen war, ist für die Wirksamkeit der Verlängerung der Entscheidungsfrist durch den Zwischenbescheid vom 1. September 1994 ohne Bedeutung.
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als sie zwischen dem heutigen Wert des Grundstücks und dem vereinbarten Kaufpreis ein grobes Mißverhältnis feststellt und daher den Vertrag vom 4. Dezember 1991 gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG als nicht genehmigungsfähig ansieht.
a) Ein Mißverhältnis liegt vor, wenn der vereinbarte Kaufpreis den Wert des Grundstücks erheblich übersteigt. Übersteigt der vereinbarte Vertragspreis den landwirtschaftlichen Verkehrswert um mehr als 50 %, ist in der Regel von einem groben Mißverhältnis im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG auszugehen (Senat, Beschl. v. 2. Juli 1968, V BLw 9/68, NJW 1968, 2057, 2058; OLG Frankfurt, RdL 1955, 309; Lange, GrdstVG, § 9 Anm. 5 a; Pikalo/Bendel, GrdstVG, § 9, S. 605). Zur Feststellung des Mißverhältnisses ist der Kaufpreis dem landwirtschaftlichen Verkehrswert gegenüberzustellen. Landwirtschaftlicher Verkehrswert ist der Wert, der bei einem Verkauf von einem Landwirt an einen anderen Landwirt durchschnittlich erzielt wird (Senat, Beschl. v. 2. November 1957, V BLw 30/57, RdL 1958, 14). Handelt es sich bei dem verkauften Grundstück um Bauerwartungsland, ist eine hierdurch bewirkte Wertsteigerung auch bei einem Verkauf unter Landwirten zu berücksichtigen, weil auch unter Landwirten eine absehbare Möglichkeit, ein Grundstück als Baugrundstück zu nutzen, zu einer Preissteigerung führt (Senat, Beschl. v. 2. Juli 1968, aaO; OLG Oldenburg, AgrarR 1996, 224, 225; Pikalo/Bendel, § 9 GrdstVG, S. 599).
Hierzu hat das Beschwerdegericht festgestellt, daß bei Abschluß des Vertrages der landwirtschaftliche Verkehrswert des Grundstücks nicht erheblich hinter dem vereinbarten Kaufpreis zurückblieb, weil die Gemeinde W., der die Planungshoheit zukam, seinerzeit beabsichtigte, das Grundstück in einem Flächennutzungsplan als Bauland auszuweisen. Damit kam dem Grundstück bei Abschluß des Kaufvertrages die Qualität von Bauerwartungsland zu. Ein Flächennutzungsplan mit diesem Inhalt wurde jedoch nicht beschlossen. Im Gegenteil, die Gemeinde hob im September 1992 ihre Beschlüsse zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans dieses Inhalts auf. Folge hiervon ist, daß dem Grundstück seither die Qualität von Bauerwartungsland nicht mehr zukommt und sein Verkehrswert nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts auf allenfalls 1,30 DM/qm gesunken ist.
b) Hierauf ist für die Entscheidung abzustellen. Ziel des Grundstückverkehrsgesetzes ist es, zur Verbesserung der Agrarstruktur beizutragen (BT-Drucks. 3/119 S. 14; Ehrenforth, RSiedlG und GrdstVG, Teil B, Einl. VII 1; Pikalo/Bendel, Einl. GrdstVG, S. 15; Vorwerk/v. Sprekelsen, GrdstVG, Einl. S. 2; Wöhrmann, GrdstVG, Vorbem. Rdn. 31). Die zur Veräußerung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke notwendige Genehmigung kann daher nicht erteilt werden, wenn der vereinbarte Preis den Ertragswert des Grundstücks weit übersteigt und der Mehrpreis nicht durch die Erwartung gerechtfertigt ist, das Grundstück werde in absehbarer Zeit bebaubar werden. Zu einem derartigen Preis einen Kaufvertrag zu schließen, ist kein Landwirt bereit. Steht fest, daß die der Preisvereinbarung im Kaufvertrag zugrundeliegende Annahme, das Grundstück werde in absehbarer Zeit bebaubar sein, fehl geht, scheidet daher eine Genehmigung des Vertrages aus, wenn der vereinbarte Kaufpreis in einem groben Mißverhältnis zum landwirtschaftlichen Verkehrswert des Grundstücks steht.
Daran ändert sich nicht dadurch etwas, daß bei zeitnaher Antragsstellung die Genehmigung zu erteilen gewesen wäre, weil innerhalb des der Behörde für die Entscheidung zustehenden Zeitraums (§ 6 Abs. 1 GrdstVG) das Ausbleiben der Bebaubarkeit nicht bekannt geworden wäre (Pikalo/Bendel, § 9 GrdstVG, S. 549, 569; ferner OLG Stuttgart, Justiz 1984, 184, 185). Bei der Prüfung der Frage, ob der vereinbarte Kaufpreis in einem groben Mißverhältnis im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG zum landwirtschaftlichen Verkehrswert steht, ist nach dem Beschluß des Senats vom 2. Juli 1968 (V BLw 10/68, RdL 1968, 205, 206) zwar grundsätzlich von dem Preis auszugehen, der für Grundstücke gleicher Art und Lage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezahlt wird. Ob hieran festzuhalten ist, kann dahin gestellt bleiben. Wird der Genehmigungsantrag erst lange nach Abschluß des Vertrages gestellt (hier 2 3/4 Jahre) und hat sich zwischenzeitlich das Preisgefüge wesentlich geändert, kann zur Feststellung eines Mißverhältnisses zwischen dem vereinbarten Preis und dem landwirtschaftlichen Verkehrswert nicht auf einen nicht mehr realisierbaren Wert abgestellt werden. Einen derartigen Wert zum Kriterium der Frage zu machen, ob die Genehmigung zu erteilen ist, läuft dem Ziel des Grundstücksverkehrsgesetzes zuwider, die Agrarstruktur zu schützen. Zumindest im Falle verzögerter Antragstellung findet der allgemeine Grundsatz Anwendung, daß nach dem Sach- und Rechtsstand im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde bzw. der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts zu befinden ist (vgl. Senat, Beschl. v. 4. Juli 1957, V BLw 66/56, RdL 1957, 241, 243; KG OLGE 43, 382; KG Recht 1923 Nr. 1357; BVerwGE 1, 291, 295; 29, 304, 305 f; 64, 218, 222; 78, 243, 244; MünchKomm-BGB/Schwab, 3. Aufl., § 1828 Rdn. 16; Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl., § 1828 Rdn. 8; Eyermann/Schmidt, VwGO, 11. Aufl., § 113 Rdn. 45; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., § 113 Rdn. 217). Die gegenteilige Auffassung der Rechtsbeschwerde hätte zur Folge, daß ein Rechtsgeschäft wirksam würde, das mit dem Zweck der vom Grundstücksverkehrsgesetz angeordneten Genehmigungsbedürftigkeit offensichtlich nicht zu vereinbaren ist.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 44 LwVG.
Unterschriften
Wenzel, Krüger, Klein
Fundstellen
Haufe-Index 600041 |
BGHR 2001, 610 |
NJW-RR 2001, 1021 |
DNotI-Report 2001, 126 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1569 |
ZfIR 2001, 569 |
DNotZ 2001, 724 |
MDR 2001, 861 |
NJ 2001, 541 |