Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 03.12.2018) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 3. Dezember 2018 im Ausspruch über die besondere Schwere der Schuld aufgehoben; die Feststellung der besonderen Schuldschwere entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Jedoch wird die Revisionsgebühr um ein Sechstel ermäßigt. Von den übrigen Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens werden dem Angeklagten fünf Sechstel, der Staatskasse ein Sechstel auferlegt. Die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat der Angeklagte ganz zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes an seiner langjährigen Lebensgefährtin zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB).
Rz. 2
Der Schuldspruch wegen Mordes und daher auch die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand, weil das Landgericht rechtsfehlerfrei das Vorliegen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe angenommen hat. Insoweit ist die Revision aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Allerdings hat das Urteil keinen Bestand, soweit die Strafkammer die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten festgestellt hat.
Rz. 3
1. Das Landgericht hat die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld des Angeklagten (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) insbesondere auf die Annahme gestützt, dass der Angeklagte bei der Tötung seiner Lebensgefährtin zwei Mordmerkmale des § 211 Abs. 2 StGB – dasjenige der Heimtücke und das der niedrigen Beweggründe – verwirklicht habe.
Rz. 4
Dies begegnet schon deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Mordmerkmal der Heimtücke nicht tragfähig belegt ist. Heimtücke im Sinne des § 211 StGB setzt Arglosigkeit und eine dadurch bedingte Wehrlosigkeit des Opfers voraus. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen der Heimtücke ist der Beginn der ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffshandlung (BGH, Urteile vom 13. September 2018 – 1 StR 611/17 Rn. 21 und vom 5. Juni 2013 – 1 StR 457/12 Rn. 26, jeweils mwN).
Rz. 5
Dass der Angeklagte, wie das Landgericht angenommen hat, bereits mit Tötungsvorsatz handelte, als er die Geschädigte angriff und ihr einen Stoß gegen den Oberkörper versetzte, ist im Hinblick auf die Intensität der Gewalteinwirkung nicht naheliegend. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang auf die Internetrecherchen des Angeklagten zu Giften und ihrer Nachweisbarkeit – also (anders als hier zum Tragen gekommen) eine gewaltfreie Tötungshandlung – abgestellt hat, kann hieraus ein tragfähiger Schluss auf das Vorliegen eines Tötungsvorsatzes gerade bei der ersten Angriffshandlung nicht gezogen werden.
Rz. 6
Dass die Geschädigte bei der zweiten Angriffshandlung (mit daran anschließendem Würgevorgang) noch arglos war, hat das Landgericht nicht festgestellt. Dies lässt sich auch nicht aus den Angaben des Zeugen M. – des einzigen hierfür vorhandenen Beweismittels – herleiten.
Rz. 7
2. Der Senat lässt die Feststellung der besonderen Schuldschwere entfallen (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Er schließt aus, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die eine Heimtücke belegen könnten. Ungeachtet dessen sind keine Umstände ersichtlich, die eine im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung zu begründende besondere Schuldschwere tragen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2016 – 5 StR 524/15 Rn. 9, BGHSt 61, 193-197; Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 22. November 1994 – GSSt 2/94, BGHSt 40, 360, 370; Urteile vom 2. März 1995 – 1 StR 595/94, BGHSt 41, 57, 62 und vom 18. Juni 2014 – 5 StR 60/14, BGHR StGB § 57a Abs. 1 Schuldschwere 29). Denn auch die vom Landgericht zur Begründung der besonders schweren Schuld des Angeklagten herangezogenen Tatfolgen für die Mutter der Geschädigten einerseits und die Zeugin R., der neuen Lebenspartnerin des Angeklagten, andererseits stellen – sollte es sich hierbei überhaupt um ein zu Lasten des Angeklagten berücksichtigungsfähiges Strafzumessungskriterium handeln (vgl. zum Meinungsstand BGH, Urteile vom 15. Mai 2018 – 1 StR 159/17 Rn. 108 f. mwN; vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11 Rn. 24, BGHSt 57, 123 ff.; vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06 Rn. 57, BGHSt 51, 165, 180 und vom 15. Mai 1985 – 2 StR 83/85 Rn. 7 ff.; Beschlüsse vom 20. Juni 2017 – 4 StR 575/16 Rn. 8 f.; vom 22. Juni 2016 – 5 StR 524/15 Rn. 14, BGHSt 61, 193-197; vom 16. März 1993 – 4 StR 602/92 Rn. 9 und vom 4. Juli 2002 – 3 StR 190/02; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 46 Rn. 34) – jedenfalls keinen hinreichend gewichtigen Umstand dar, der neben den vorhandenen Milderungsgründen die Feststellung der besonderen Schuldschwere rechtfertigen könnte.
Rz. 8
3. Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen beruht auf § 467 Abs. 1, § 473 Abs. 4 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96 Rn. 9; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 473 Rn. 29).
Unterschriften
Raum, Jäger, Hohoff, Leplow, Pernice
Fundstellen
Haufe-Index 13406922 |
NStZ-RR 2019, 342 |