Leitsatz (amtlich)
Zur Bemessung des Beschwerdewerts bei der Verpflichtung zur Auskunftserteilung über das eigene Vermögen.
Normenkette
FamFG § 61 Abs. 1, § 68 Abs. 2; BGB § 1379
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des OLG Frankfurt vom 6.1.2016 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.
Beschwerdewert: bis 600 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner mit einem Stufenantrag auf Zugewinnausgleich in Anspruch. Das FamG hat den Antragsgegner in erster Stufe verpflichtet, der Antragstellerin in näher bezeichnetem Umfang Auskunft über sein Anfangs-, Trennungs- und Endvermögen zu erteilen und diese zu belegen. Das OLG hat die Beschwerde des Antragsgegners verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 600 EUR nicht übersteige. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.
II.
Rz. 2
Die gem. §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
Rz. 3
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner nicht in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses Verfahrensgrundrecht verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BGH v. 12.10.2011 - XII ZB 127/11, FamRZ 2011, 1929 Rz. 8 m.w.N.). Ebenfalls ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend (Art. 103 Abs. 1 GG).
Rz. 4
2. Dass das OLG die Erstbeschwerde nach §§ 68 Abs. 2 Satz 2, 61 Abs. 1 FamFG verworfen hat, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 600 EUR nicht übersteige, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Rz. 5
a) Das OLG hat ausgeführt, der Wert des Beschwerdegegenstands richte sich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, der für den Antragsgegner mit der Auskunftserteilung und der Vorlage der Belege verbunden sei. Dieser sei mit höchstens 20 Zeitstunden zu je 3,50 EUR zu schätzen. Eine vom Antragsteller vereinbarte Anwaltsvergütung könne den Beschwerdewert nicht erhöhen, da sonst der Beschwerdeführer durch Abschluss der Vereinbarung die Zulässigkeit seines Rechtsmittels selbst herbeiführen könne. Auch habe er nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, zu einer sachgerechten Auskunftserteilung selbst nicht in der Lage zu sein. Es bedürfe dazu auch keines Dolmetschers, weil der in Weißrussland gebürtige Antragsteller seit annähernd 14 Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe und in beiden Ländern in erheblichem Umfang unternehmerisch tätig sei. Eine Übersetzung fremdsprachiger Belege sei nicht erforderlich, da die Antragstellerin, die die Auskunft begehre, der fremden Sprache mächtig sei. Auch ein Geheimhaltungsinteresse bestehe hinsichtlich der mitzuteilenden Geschäftsergebnisse nicht. Soweit es der Herbeiführung eines Gesellschafterbeschlusses bedürfe, könne der Antragsgegner diesen als Mehrheitsgesellschafter mit einem Zeitaufwand von höchstens zwei Stunden bewirken.
Rz. 6
b) Das OLG hat zutreffend erkannt, dass für die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend ist, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses ist auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (BGH, Beschl. v. 22.1.2014 - XII ZB 278/13, FamRZ 2014, 644 Rz. 6 m.w.N.).
Rz. 7
Dabei kann der dem Beschwerdegericht bei seiner Schätzung eingeräumte Ermessensspielraum im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Gericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (BGH, Beschl. v. 22.1.2014 - XII ZB 278/13, FamRZ 2014, 644 Rz. 7 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.
Rz. 8
aa) Soweit die Rechtsbeschwerde einen den Betrag von 600 EUR übersteigenden Wert in einem besonderen Geheimhaltungsinteresse des Antragsgegners sieht, hat das Beschwerdegericht das entsprechende Vorbringen zu Recht als unsubstantiiert zurückgewiesen.
Rz. 9
Dabei kann dahinstehen, ob ein diesbezüglicher Hinweis gem. § 139 ZPO angezeigt gewesen wäre oder ob es sich dem anwaltlich vertretenen Kläger hätte aufdrängen müssen, dass sein pauschal gehaltener Vortrag nicht genügte, ein werterhöhendes Geheimhaltungsinteresse zu begründen. Macht der Beschwerdeführer nämlich geltend, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei durch gerichtliche Versäumnisse im Zusammenhang mit der richterlichen Hinweispflicht verletzt worden, hat er darzulegen, wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert, insb. was er im Einzelnen vorgetragen hätte und wie er weiter vorgegangen wäre (vgl. BGH Beschl. v. 11.2.2003 - XI ZR 153/02, FamRZ 2003, 1005 m.w.N.; Urt. v. 16.10.2008 - III ZR 253/07, NJW 2009, 148 Rz. 10; Beschlüsse v. 18.5.2011 - IV ZB 6/10 - juris Rz. 12; v. 26.4.2016 - VI ZB 4/16 - juris Rz. 12 ff.). Auch die Rechtsbeschwerde hat indessen nicht aufzuzeigen vermocht, welche konkreten Nachteile dem Antragsgegner drohten, sollten die Bilanz- und Umsatzzahlen seiner unternehmerischen Betätigung von der Antragsgegnerin weitergegeben und dadurch allgemein bekannt werden.
Rz. 10
bb) Soweit das Beschwerdegericht und mit ihm die Rechtsbeschwerde davon ausgehen, dass es für die Herausgabe von Geschäftsdaten der Gesellschaften, an denen der Antragsteller beteiligt ist, zunächst einer Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf, ist weder ersichtlich noch von der Rechtsbeschwerde aufgezeigt, dass ein dahin gehender Gesellschafterbeschluss nicht mit der vom Antragsgegner innegehaltenen Stimmenmehrheit erlangt werden kann. Dass und in welchem Umfang hierfür Kosten beim Antragsgegner entstehen, ist über den vom Beschwerdegericht bereits berücksichtigten zweistündigen Aufwand hinaus weder ersichtlich noch von der Rechtsbeschwerde dargelegt.
Rz. 11
cc) Ebenfalls zu Recht hat das Beschwerdegericht keine Übersetzungskosten berücksichtigt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde fallen solche nicht beim Antragsgegner im Zusammenhang mit der an die Antragstellerin zu erteilenden Auskunft an, sondern allenfalls bei der Antragstellerin, sofern sie fußend auf den ihr erteilten, fremdsprachigen Belegen einen bezifferten Anspruch in zweiter Stufe geltend macht, für den sie darlegungspflichtig wäre und zum Beleg ihres Anspruchs Übersetzungen in deutscher Gerichtssprache beizubringen hätte.
Rz. 12
c) Schließlich ergibt sich ein Zulassungsgrund auch nicht daraus, dass das Beschwerdegericht keine nachträgliche Zulassung der Beschwerde in Erwägung gezogen hat.
Rz. 13
Zwar kann die Beschwerdezulassung vom Rechtsmittelgericht noch nachgeholt werden, wenn das erstinstanzliche Gericht ersichtlich davon ausgegangen ist, dass ein Rechtsmittel auch ohne Zulassung statthaft ist. Daran fehlt es aber, wenn aus dem angefochtenen Beschluss nicht zu erkennen ist, dass das erstinstanzliche Gericht ein Rechtsmittel für statthaft gehalten hat (BGH, Beschl. v. 28.3.2012 - XII ZB 323/11, FamRZ 2012, 961 Rz. 6 m.w.N.). So liegt der Fall hier, zumal das FamG noch in der Rechtsbehelfsbelehrung darauf hingewiesen hat, dass die Beschwerde nur dann zulässig sei, wenn der Beschwerdegegenstand 600 EUR übersteige oder - wie nicht geschehen - das Gericht die Beschwerde zugelassen habe.
Fundstellen