Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 17.02.2020; Aktenzeichen 855 Js 590/18 4 KLs 44/18) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 17. Februar 2020 wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft,
- im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahingehend geändert, dass die Einziehung eines Betrages in Höhe von 180 Euro angeordnet wird;
- im Gesamtstrafenausspruch und im Ausspruch über die Aufrechterhaltung einer Sperrfrist mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung nach §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten des Rechtsmittels, zu treffen ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung der Strafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Rheda-Wiedenbrück vom 25. September 2019 und 17. Dezember 2019 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Anordnung einer Sperrfrist aus dem zuletzt genannten Strafbefehl hat es aufrechterhalten und die Einziehung verschiedener Gegenstände sowie des Wertes von Taterträgen in Höhe von 270 Euro angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen war aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts abzuändern und der Einziehungsbetrag auf 180 Euro zu reduzieren.
Rz. 3
2. Der Gesamtstrafenausspruch und die auf § 55 Abs. 2 StGB gestützte Aufrechterhaltung der Sperrfrist waren aufzuheben, weil die Urteilsgründe nicht ergeben, dass im Hinblick auf die einbezogene Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Rheda-Wiedenbrück vom 17. Dezember 2019 die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB vorliegen.
Rz. 4
a) Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB sind die §§ 53 und 54 StGB auch dann anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung soll ein Angeklagter, dessen mehrere Straftaten aus irgendwelchen Gründen in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn alle Taten in einem, und zwar dem zuerst durchgeführten Verfahren abgeurteilt worden wären. Durch dieses Urteil wird eine Zäsur gebildet, sodass alle vor diesem Zeitpunkt begangenen Taten in die Gesamtstrafe einzubeziehen, für danach begangene Taten dagegen Einzelstrafen oder eine weitere Gesamtstrafe festzusetzen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2002 – 3 StR 448/01, NStZ 2002, 590; Urteil vom 13. November 1985 – 3 StR 311/85, BGHSt 33, 367, 368 mwN).
Rz. 5
b) Daran gemessen liegen hinsichtlich der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Rheda-Wiedenbrück vom 17. Dezember 2019 die Voraussetzungen für eine Einbeziehung nicht vor. Denn der Angeklagte wurde nach der Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat am 11. Februar 2018 zunächst mit einem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Rheda-Wiedenbrück vom 25. September 2019 wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte u. a. (Tatzeit: 4. April 2019) zu einer noch nicht erledigten Geldstrafe verurteilt. Die der noch nicht erledigten Strafe aus dem rechtskräftigen Strafbefehl desselben Amtsgerichts vom 17. Dezember 2019 zugrunde liegende Tat wurde aber erst am 11. Oktober 2019 und damit nach dem Erlass des insoweit eine Zäsur bildenden Strafbefehls vom 25. September 2019 begangen. Da eine Geldstrafe in eine zu vollstreckende Freiheitsstrafe einbezogen wurde, kann der Angeklagte durch diese nicht gerechtfertigte Gesamtstrafenbildung auch beschwert sein.
Rz. 6
c) Sollte, worauf das späte Rechtskraftdatum (20. Dezember 2019) und die in den Urteilsgründen mitgeteilte Verlesung „schriftlicher Urteilsgründe der Vorverurteilungen” hindeuten, gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Rheda-Wiedenbrück vom 25. September 2019 Einspruch eingelegt worden sein, käme es für die Bestimmung des Zeitpunktes der Zäsurwirkung darauf an, ob hierauf eine Hauptverhandlung durchgeführt worden ist. In diesem Fall wäre der Tag des ergangenen Urteils (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB) entscheidend. Erging ein Beschluss nach § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO, wäre auf den Zeitpunkt von dessen Erlass abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2020 – 3 StR 561/19, NJW 2020, 1380 Rn. 8 ff.; Beschluss vom 3. Dezember 2019 – 1 StR 535/19, NStZ-RR 2020, 240, 241 mwN).
Rz. 7
d) Der Senat macht von § 354 Abs. 1b StPO Gebrauch, der die Möglichkeit eröffnet, das Tatgericht auf eine Entscheidung im Beschlusswege nach den §§ 460, 462 StPO zu verweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2018 – 4 StR 494/17 Rn. 6). Diesem Beschlussverfahren bleibt auch die abschließende Kostenentscheidung vorbehalten.
Unterschriften
Sost-Scheible, Quentin, Bartel, Sturm, Rommel
Fundstellen
Dokument-Index HI14095485 |