Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 04.12.2023; Aktenzeichen 635 KLs 8/23) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 4. Dezember 2023 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Die hierauf veranlasste Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Insbesondere hat der Schuldspruch, dem der Umgang des Angeklagten mit Cannabis zugrunde liegt, trotz des zwischenzeitlichen Inkrafttretens des Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis vom 27. März 2024 (KCanG; BGBl. I 2024 Nr. 109) Bestand.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte Ende Januar 2023 für einen unbekannt gebliebenen Betäubungsmittelhändler eine Lieferung entgegen, die rund 240 kg Marihuana und 3,79 kg Haschisch mit einem Wirkstoffanteil von insgesamt 34,94 kg Tetrahydrocannabinol (THC) umfasste. Der Angeklagte lagerte die Drogen in den Räumlichkeiten eines Geschäftsgebäudes, um den Händler bei dessen gewinnbringenden Betäubungsmittelgeschäften zu unterstützen. Ein Teil des Marihuanas sowie das Haschisch wurde später von Unbekannten entwendet. Beim Versuch, das restliche Marihuana auf Weisung des Händlers in Sicherheit zu bringen, wurde der Angeklagte festgenommen.
Rz. 3
2. Nach der seit 1. April 2024 bestehenden Rechtslage ist der Umgang mit Konsumcannabis abschließend im KCanG geregelt, so dass damit im Zusammenhang stehende Taten grundsätzlich allein nach § 34 KCanG zu bewerten sind. Dies hätte der Senat bei der Revisionsentscheidung nach § 2 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen, wenn sich die Neuregelung im KCanG als milder erwiese. Das ist jedoch nicht der Fall.
Rz. 4
a) Das mildere von zwei Gesetzen ist dasjenige, welches anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt (BGH, Urteil vom 8. August 2022 - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130, 131 f. mwN). Hängt die Beurteilung des im Einzelfall milderen Rechts davon ab, ob die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung genutzt wird, etwa durch Annahme eines gesetzlich geregelten besonders oder minder schweren Falls, obliegt die Bewertung grundsätzlich dem Tatgericht, sofern eine abweichende Würdigung nicht sicher auszuschließen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. August 2024 - 5 StR 254/24; vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24 Rn. 5 mwN).
Rz. 5
b) Hier käme eine Verurteilung des Angeklagten wegen Besitzes von mehr als 60 g Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB) in Betracht. Da sich die Tat auf eine nicht geringe Menge bezog (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24), ist das Regelbeispiel nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG für einen besonders schweren Fall erfüllt, für den eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren angedroht ist. Der Strafrahmen des KCanG erweist sich damit insoweit nicht als milder als derjenige des zur Tatzeit geltenden und von der Strafkammer - hinsichtlich der tateinheitlichen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter „Verbrauch“ des vertypten Milderungsgrundes nach § 27 StGB - zur Anwendung gebrachten § 29a Abs. 2 BtMG, der die gleiche Strafdrohung vorsieht.
Rz. 6
Zwar stellt die Vorschrift des § 34 Abs. 3 KCanG lediglich eine Strafzumessungsregel dar. Ob bei Vorliegen eines Regelbeispiels von der Regelwirkung auszugehen oder von ihr - hier zugunsten des Angeklagten - abzusehen ist, obliegt als Strafzumessungsakt der Entscheidung des Tatgerichts (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 2018 - 2 StR 45/17 Rn. 14).
Rz. 7
Der Senat kann hier jedoch - insoweit in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts - gleichwohl ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des § 34 KCanG von der Regelwirkung des § 34 Abs. 3 KCanG abgesehen und die Strafe aus dem Grundtatbestand des § 34 Abs. 1 KCanG zugemessen hätte. Hierfür spricht neben der erheblichen Überschreitung der nicht geringen Menge zunächst, dass der vom Landgericht für die Annahme des minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG zugunsten des Angeklagten herangezogene Strafzumessungsgesichtspunkt, wonach es sich bei Cannabis um eine „weiche Droge“ handele, für die Zumessung nach § 34 Abs. 1, 3 KCanG bedeutungslos ist; denn diese Strafnorm betrifft ausschließlich Cannabis mit einer im Vergleich zu bestimmten anderen Suchtstoffen geringeren Gefährlichkeit. Dies hat bereits bei der gesetzlichen Festlegung der Strafrahmen Berücksichtigung gefunden (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 130). Hinzu kommt noch, dass die Strafkammer das zum Urteilszeitpunkt laufende Gesetzgebungsverfahren bereits in den Blick genommen und in den Urteilsgründen dargelegt und begründet hat, dass sie bei einer Bemessung anhand des Konsumcannabisgesetzes von der Regelwirkung des nunmehrigen § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG nicht abgesehen hätte.
Rz. 8
3. Durch den Antrag des Generalbundesanwalts auf Änderung des Schuldspruchs ist der Senat nicht gehindert, die Revision durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Daran ändert der Umstand nichts, dass sich der Generalbundesanwalt auch auf § 349 Abs. 4 StPO bezogen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Juni 2024 - 5 StR 165/24; vom 23. Juni 2022 - 5 StR 490/21 Rn. 25).
Cirener Gericke Mosbacher
von Häfen Werner
Fundstellen
Dokument-Index HI16575118 |