Verfahrensgang

OLG Zweibrücken (Urteil vom 27.05.2021; Aktenzeichen 4 U 96/20)

LG Frankenthal (Pfalz) (Entscheidung vom 14.02.2020; Aktenzeichen 6 O 88/19)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 29.11.2023; Aktenzeichen VIII ZR 164/21)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 27. Mai 2021 wird insoweit als unzulässig verworfen, als sie sich gegen die Entscheidung über den von der Klägerin geltend gemachten Ausgleichsanspruch nach §§ 4, 24 Abs. 2 BBodSchG richtet.

Die insoweit vorsorglich eingelegte Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Gegenstandswert für die Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 1.650.000 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Klägerin begehrt Ersatz von Kosten für Ausbau, Abtransport und Entsorgung des von ihr vormals bei der Beklagten, einer Baustoffhändlerin, für die Errichtung eines Parkplatzes gekauften Recycling-Schotters einschließlich der Kosten für die Wiederherstellung eines neuen Pflasters.

Rz. 2

Sie stützt ihr Klagebegehren auf folgende Sachverhalte:

Rz. 3

Die Beklagte sei aus kaufrechtlichem Gewährleistungsrecht zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie Recycling-Schotter mit einem über dem tolerierbaren Wert liegenden und nicht der Zuordnung Z 1.1 des "LAGA-Merkblatts" (der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall) entsprechenden Arsengehalt geliefert und deshalb ihre Verpflichtung aus dem Kaufvertrag zur mangelfreien Lieferung der Kaufsache schuldhaft verletzt habe (§§ 280, 281, 437 Nr. 3 BGB, § 434 BGB aF).

Rz. 4

Die Beklagte sei auch deshalb zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie aufgrund des wirksam erklärten Rücktritts der Klägerin vom Kaufvertrag zur Rücknahme des mangelhaften Schotters verpflichtet gewesen sei und diese Pflicht schuldhaft verletzt habe (§ 280 Abs. 1, § 346 Abs. 1 BGB).

Rz. 5

Schließlich sei die Beklagte gegenüber der Klägerin gemäß §§ 4, 24 Abs. 2 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) zum internen Ausgleich verpflichtet, weil sie das kontaminierte Material angeliefert habe und deshalb als vorwiegend für den Schaden verantwortliche Mitverursacherin einer schädlichen Bodenveränderung anzusehen sei.

Rz. 6

Die zuletzt auf Ersatz der bislang angefallenen Kosten sowie auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der darüber hinaus entstehenden Kosten für die Entsorgung des Recycling-Schotters sowie für die Wiederherstellung eines neuen Pflasters gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt.

Rz. 7

Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach dem kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht mit der Begründung verneint, dass die Beklagte an der Lieferung des - unterstellt - verunreinigten Recycling-Schotters kein Verschulden treffe. Der wegen einer Pflichtverletzung im Rückgewährschuldverhältnis geltend gemachte Schadensersatzanspruch bestehe nicht, weil ein Verkäufer nach Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag zwar einen Anspruch auf Rückgewähr der Kaufsache habe, nicht aber zu deren Rücknahme verpflichtet sei. Schließlich bestehe ein Ausgleichsanspruch der Klägerin nach dem Bundesbodenschutzgesetz nicht, weil die Beklagte nicht Verursacherin einer Bodenkontamination sei.

Rz. 8

Das Berufungsgericht hat die Revision "beschränkt auf die Frage" zugelassen, ob nach einem Rücktritt vom Kaufvertrag eine verschuldensunabhängige Rechtspflicht des Rücktrittsgegners zur Rücknahme der Kaufsache bestehe.

Rz. 9

Mit der unbeschränkt eingelegten Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Sie meint, die vom Berufungsgericht gewählte Formulierung enthalte keine wirksame Beschränkung der Revisionszulassung. Für den Fall, dass der Senat die Beschränkung für zulässig erachtet, hat sie vorsorglich bezogen auf die nach dem Bundesbodenschutzgesetz geltend gemachten Ansprüche Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

II.

Rz. 10

Die Revision der Beklagten ist nach § 552 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen, soweit sie sich gegen die Verneinung eines internen Ausgleichsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte nach den Vorschriften der §§ 4, 24 Abs. 2 BBodSchG wendet. Insoweit ist sie nicht statthaft (§ 542 Abs. 1, § 543 Abs. 1 Nr. 1, 2 ZPO), weil sie vom Berufungsgericht diesbezüglich nicht zugelassen worden ist und die vorsorglich hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet ist.

Rz. 11

1. Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Verneinung eines internen Ausgleichsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte gemäß §§ 4, 24 Abs. 2 BBodSchG wendet.

Rz. 12

a) Das Berufungsgericht hat die Revision - wie sich aus dem Tenor und aus der Begründung der Zulassungsentscheidung ergibt - nur hinsichtlich möglicher Ansprüche der Klägerin wegen Verletzung von Pflichten der Beklagten im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses nach einem Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag (§ 280 Abs. 1, §§ 346 ff. BGB) zulassen wollen. Die von ihm als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfrage zum Bestehen und zu den Voraussetzungen einer Rücknahmepflicht des Verkäufers im Rahmen des § 346 Abs. 1 BGB stellt sich nur hier (vgl. zu diesem Kriterium Senatsurteil vom 11. Dezember 2019 - VIII ZR 361/18, BGHZ 224, 195 Rn. 24 f.). Sie hat indessen keine Bedeutung für die überdies von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche wegen schuldhafter Lieferung einer mangelhaften Kaufsache gemäß § 437 Nr. 3 BGB, § 434 Abs. 1 BGB aF, §§ 280, 281 BGB und auf einen internen Kostenausgleich zwischen mehreren öffentlich-rechtlich für eine schädliche Bodenveränderung Verantwortlichen nach §§ 4, 24 Abs. 2 BBodSchG.

Rz. 13

b) Die Beschränkung der Revisionszulassung durch das Berufungsgericht ist jedoch lediglich insoweit wirksam, als die Entscheidung über den Ausgleichsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß §§ 4, 24 Abs. 2 BBodSchG nicht der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegen soll. Im Übrigen ist sie unwirksam und die Revision statthaft.

Rz. 14

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Beschränkung der Revisionszulassung nur wirksam, wenn sie sich auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs bezieht, auf den auch die Partei selbst ihre Revision beschränken könnte. Unwirksam ist die Beschränkung der Zulassung der Revision dagegen, wenn sie lediglich einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente betrifft (vgl. Senatsurteile vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 27; vom 15. September 2021 - VIII ZR 76/20, WM 2021, 2046 Rn. 20; vom 6. April 2022 - VIII ZR 219/20, WuM 2022, 331 Rn. 16; Senatsbeschlüsse vom 30. November 2021 - VIII ZR 81/20, juris Rn. 10; vom 10. Mai 2022 - VIII ZR 277/20, NJW-RR 2022, 1460 Rn. 11; jeweils mwN). Fehlt es an einer wirksamen Beschränkung der Zulassung der Revision, ist ausschließlich die Beschränkung, nicht hingegen die Zulassung unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 12).

Rz. 15

bb) Die Voraussetzungen für eine wirksame Beschränkung der Revisionszulassung sind vorliegend nur teilweise erfüllt.

Rz. 16

(1) Das Berufungsgericht hat die Revisionszulassung - entgegen der Ansicht der Revision - wirksam dahingehend beschränkt, dass der von der Klägerin geltend gemachte Ausgleichsanspruch nach §§ 4, 24 Abs. 2 BBodSchG nicht der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt. Die Klägerin stützt diesen Anspruch auf einen - gegenüber ihrem Schadensersatzbegehren wegen Verletzung von Pflichten der Beklagten als Verkäuferin zur Lieferung einer mangelfreien Sache sowie zur Rücknahme der Kaufsache nach einem Rücktritt - eigenständigen Lebenssachverhalt.

Rz. 17

(a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein selbständiger Teil des Gesamtstreitstoffs regelmäßig gegeben, wenn das Berufungsgericht über mehrere prozessuale Ansprüche entscheidet und die als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfrage nur einen der Streitgegenstände betrifft (vgl. BGH, Urteile vom 20. April 1990 - V ZR 282/88, BGHZ 111, 158, 166 f.; vom 9. November 2011 - IV ZR 239/09, VersR 2012, 720 Rn. 13; vom 13. Januar 2023 - V ZR 43/22, NJW 2023, 1884 Rn. 10).

Rz. 18

(b) Ein solcher Fall liegt hier vor.

Rz. 19

Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG haben mehrere Sanierungspflichtige unabhängig von ihrer Heranziehung durch die zuständigen Behörden untereinander einen Anspruch auf Kostenausgleich. Der bodenschutzrechtliche Ausgleichsanspruch ist kein Schadensersatzanspruch, sondern hat einen eigenen Rechtscharakter (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2016 - I ZR 11/15, juris Rn. 14, 72). Er knüpft an die öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit für eine Gefahr oder einen Schaden als Verhaltens- oder Zustandsstörer an und ermöglicht den internen zivilrechtlichen Ausgleich zwischen mehreren ordnungsrechtlich für eine schädliche Bodenveränderung Verantwortlichen (BeckOK-Umweltrecht/Hilf, Stand: 1. Juli 2023, § 24 BBodSchG, Vorb., Rn. 1, 22). Die Ausgleichsverpflichtung sowie der Umfang des Ausgleichs hängen gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG davon ab, inwieweit die Gefahr oder der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, soweit nichts anderes vereinbart ist.

Rz. 20

Die Revision stützt insoweit das auf vollständigen Ersatz gerichtete Ausgleichsbegehren der Klägerin allein auf den tatsächlichen Umstand, dass die Beklagte den Recycling-Schotter mit einer die einschlägigen Grenzwerte deutlich übersteigenden Kontamination geliefert habe, und auf ihre hieran anknüpfende Wertung, damit habe vorwiegend die Beklagte die maßgebliche Gefahrenschwelle überschritten und im Verhältnis zur Klägerin als bauausführendem Unternehmen und zur Grundstückseigentümerin als Zustandsstörerin die unmittelbare Ursache für den Eintritt des Schadens gesetzt. Der diesbezügliche Teil des Streitstoffs kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für eine Schadensersatzpflicht der Beklagten nach kaufrechtlichem Gewährleistungsrecht oder aufgrund einer etwaigen Pflicht der Beklagten zur Rücknahme der Kaufsache nach Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag maßgeblichen Teil beurteilt werden und ist - anders als die Revision geltend macht - mit diesem auch nicht "verwoben".

Rz. 21

(2) Hingegen kann der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Pflichten der Beklagten im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses nach §§ 346 ff. BGB, bei dem sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage stellt, nicht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem ebenfalls geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen einer Mangelhaftigkeit des gelieferten Recycling-Schotters (§ 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB) beurteilt werden.

Rz. 22

Denn für beide Teile des Streitstoffs hat - unbeschadet des Umstands, dass das Berufungsgericht unter anderem das Vorliegen eines Sachmangels offengelassen hat - die Frage einer Verantwortlichkeit für die behauptete fehlende Eignung des gelieferten Recycling-Schotters Bedeutung. Bei dem Schadensersatzanspruch wegen Lieferung einer mangelhaften Kaufsache stellt sie sich bei der Prüfung eines die Haftung begründenden Vertretenmüssens seitens der Beklagten für die darin liegende Vertragspflichtverletzung (§ 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB). Bei dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen einer Pflichtverletzung im Rückgewährschuldverhältnis ist sie insbesondere im Hinblick auf den von der Revisionserwiderung angeführten Vortrag der Beklagten und ihrer Streithelferin, wonach die Klägerin die ihr nach der vertraglichen Vereinbarung obliegende Prüfung der Materialeignung für das (konkrete) Bauvorhaben nicht durchgeführt habe, bedeutsam.

Rz. 23

2. Die vorsorglich für den Fall einer beschränkten Revisionszulassung eingelegte zulässige Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet. Die Rechtssache hat insoweit keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.

Dr. Bünger     

RiBGH Kosziol ist wegen

Urlaubs an der

Unterschrift gehindert

Dr. Matussek

Dr. Bünger

Dr. Reichelt     

     Messing     

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16058334

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