Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 07.06.2004) |
Tenor
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung von Verfahrensrügen zu bewilligen, wird verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 7. Juni 2004 mit den Feststellungen, ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen hinsichtlich des Vorfalls vom 14. Februar 2003, aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, sowie die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Sowohl die Strafe wie auch die Maßregel hat es zur Bewährung ausgesetzt.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen wie materiellen Rechts gestützten Revision. Hinsichtlich verspätet erhobener Verfahrensrügen beantragt er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen zu bewilligen, ist unbegründet. Der Beschwerdeführer hat die Revisionsbegründungsfrist nicht versäumt, sondern durch Erhebung der Sachrüge mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 23. August, eingegangen am 26. August 2004, gewahrt. Die mit Schriftsatz des Verteidigers vom 6. September, eingegangenen am 8. September 2004, erhobenen Verfahrensrügen sind verspätet. Die insoweit beantragte Wiedereinsetzung konnte nicht bewilligt werden. Zur Nachholung von Verfahrensrügen kann, wenn die Sachrüge fristgemäß erhoben ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur ausnahmsweise gewährt werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 44 Rdn. 7 ff. m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Der Verteidigerwechsel des Angeklagten rechtfertigt eine Wiedereinsetzung nicht.
2. Das Rechtsmittel hat aber mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
a) Nach den Feststellungen hat der Angeklagte am 14. Februar 2003 einem Kommilitonen bei einer Auseinandersetzung zwei Schläge auf den Kopf versetzt. Desweiteren hat er in einem Brief an den Zeugen D., der in einem vor den Zivilgerichten ausgetragenen Erbschaftsstreit mit der Mutter des Angeklagten rechtskräftig obsiegt hatte, gedroht, er werde alles verlieren, wenn er nicht die Forderung des Angeklagten auf Zahlung von 50.000 EUR erfülle. Die Strafkammer ist dem Gutachten des Sachverständigen folgend davon ausgegangen, die bei dem Angeklagten festgestellte schwere psychische Störung habe bei Begehung der zweiten Tat (versuchte Erpressung) „eine erhebliche Beeinträchtigung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit begründet”, die Voraussetzungen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit nach Maßgabe des § 21 StGB lägen vor (UA S. 27/28).
b) Dieses Ergebnis begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Ausführungen sind in sich widersprüchlich und lassen zudem besorgen, daß sich die Strafkammer über die unterschiedlichen Rechtsfolgen bei Vorliegen einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit und einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit nicht im klaren war.
Die Anwendung des § 21 StGB kann nicht zugleich auf seine beiden Alternativen gestützt werden, da beide nicht gleichzeitig gegeben sein können (vgl. BGHSt 40, 341, 349). Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat. Die Schuld eines Angeklagten wird hingegen nicht gemindert, wenn er ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen hat. Erkannte er hingegen das Unrecht seiner Tat nicht, kann § 21 StGB nur angewendet werden, wenn dem Täter das Fehlen der Unrechtseinsicht vorzuwerfen ist. Kann ein solcher Vorwurf nicht erhoben werden, greift § 20 StGB ein mit der Folge, daß eine Bestrafung ausscheidet (st. Rspr., vgl. BGHSt 21, 27, 28 f.; 34, 22, 25 ff.; 40, 341, 349; BGH, Beschlüsse vom 30. Juli 2004 – 2 StR 215/03 – und vom 4. November 2004 – 4 StR 388/04).
Die Urteilsgründe lassen besorgen, daß sich die Strafkammer dieser Problematik nicht bewußt war. Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe selbst ergibt nicht, daß das Landgericht ein Fehlen der Einsicht positiv festgestellt hat. Die Urteilsgründe lassen auch nicht den Schluß zu, daß die Strafkammer nur eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit als gegeben ansah. Somit sind weder die Voraussetzungen des § 21 StGB rechtsfehlerfrei festgestellt noch die rechtlichen Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 63 StGB. Letztere setzt nämlich die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden geistigen Defekts voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begründet (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 26 f.; 42, 385 f.).
Die Verurteilung wegen versuchter Erpressung und die darauf beruhende Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus können somit keinen Bestand haben. Die Sache muß neu verhandelt werden. Um dem neu erkennenden Tatrichter vor allem zur Frage der Schuldfähigkeit widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hat der Senat auch die Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung aufgehoben. Die insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen konnten aber aufrechterhalten bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Detter, Bode, Otten, Rothfuß
Fundstellen
Haufe-Index 2556635 |
StraFo 2005, 207 |