Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 19.09.2014) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19. September 2014, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Einziehung
- aufgehoben, soweit das Landgericht die Einziehung der Gaspistole „Röhm RG 100 cal. 315K” nebst 20 Gaspatronen angeordnet hat; diese Anordnung entfällt;
- im Übrigen dahin neu gefasst, dass 2,37 g Marihuana, 0,13 g Tabak-Cannabis-Gemisch, eine Metalldose mit Cannabis-Spuren, ein Becher mit 0,33 g Cannabis-Kräutermischung, ein „Crusher” mit Cannabis-Spuren, zwei „Compact-Disc”-Hüllen mit Cannabis-Spuren, ein „Glasbong”-Rauchkopf mit Cannabis-Spuren und drei „Grip”-Tütchen eingezogen werden;
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 140 Fällen, gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 120 Fällen, Überlassen von Betäubungsmitteln an Minderjährige zum unmittelbaren Verbrauch in 30 Fällen, Besitzes von Betäubungsmitteln und Versuchs der Bestimmung eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und die Einziehung der „sichergestellten Betäubungsmittel und Betäubungsmittelutensilien” sowie der „Gaspistole Röhm RG 100 cal. 315K nebst 20 Gaspatronen” angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge und die nicht ausgeführte Rüge der Verletzung formellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat nur den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
Rz. 2
1. Die Nachprüfung des Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Rz. 3
Nach den Feststellungen des Landgerichts verkaufte der Angeklagte im Zeitraum zwischen Dezember 2012 und Februar 2014 unter anderem in 120 Fällen kleinere Mengen von Marihuana und Amphetamin an Jugendliche und gab es in 30 Fällen unentgeltlich an diese ab. Im gleichen Zeitraum tätigte er in 140 Fällen auch Verkäufe an Erwachsene bzw. einen Minderjährigen, dessen Alter er nicht kannte. Zum Erwerb des Rauschgifts durch den Angeklagten hat die Strafkammer Feststellungen nicht treffen können.
Rz. 4
Zu Recht hat sie diese Einzeltaten daher als 140 Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, 120 Fälle der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige und 30 Fälle des Überlassens von Betäubungsmitteln an Minderjährige zum unmittelbaren Verbrauch abgeurteilt. Der Zweifelssatz gebietet es nicht, konkret festgestellte Einzelabgaben von Betäubungsmitteln zur Tateinheit zusammenzufassen, nur weil die nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, dass die zugrundeliegenden Einzelmengen ganz oder teilweise aus einem – als Gesamtmenge zum Handeltreiben angeschafften – Verkaufsvorrat stammen könnten. Zwar liegt es hier nicht fern, dass einzelne der der Aburteilung zugrunde gelegten Abgabe- bzw. Verkaufsmengen aus einem größeren Vorrat stammten und von dem Angeklagten als Gesamtmenge erworben wurden. Es fehlen aber ausreichende Anhaltspunkte, die es rechtfertigen könnten, bestimmte Verkäufe einer von dem Angeklagten erworbenen Gesamtmenge im Sinne einer Bewertungseinheit zuzuordnen. Auch tatsächliche Grundlagen für eine tragfähige Schätzung, welche und wie viele der jeweils abgegebenen Mengen aus einem Erwerbsvorgang stammten, fehlen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2002 – 3 StR 491/01, NJW 2002, 1810, 1811). Es käme somit lediglich eine willkürliche Zusammenfassung in Betracht, die rechtlich nicht zulässig ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. August 1996 – 3 StR 69/96, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 8; vom 4. September 1996 – 3 StR 335/96, StV 1997, 20, 21; vom 29. Mai 2012 – 1 StR 178/12, NStZ-RR 2012, 280, 281; Urteil vom 16. November 2005 – 2 StR 296/05, NStZ-RR 2006, 55).
Rz. 5
2. Der Strafrahmenwahl stehen insoweit Rechtsbedenken entgegen, als das Landgericht bei der Bemessung der Einzelstrafen den vertypten Milderungsgrund nach § 31 BtMG nur in den Fällen B. I. c) (Fälle 8 bis 127) der Urteilsgründe berücksichtigt hat, obgleich den Urteilsausführungen (UA S. 33) entnommen werden kann, dass der Angeklagte bereits in seiner ersten polizeilichen Vernehmung auch in den Fällen B. I. e) (Fälle 168 bis 217) sowie B. I. h) und i) (Fälle 289 bis 298) der Urteilsgründe Aufklärungshilfe geleistet hat. Darüber hinaus hat das Landgericht nicht bedacht, dass wegen des „eigenständigen” – weil von § 264 StPO losgelösten – Tatbegriffs im Sinne von § 31 BtMG (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1991 – 2 StR 608/90, BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Tat 1; Beschluss vom 2. November 1993 – 1 StR 602/93, BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Tat 2) die Anwendung des § 31 BtMG möglicherweise auch für weitere abgeurteilte Taten in Betracht kam. Doch sind die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe unter Abwägung der sonst festgestellten Tatumstände angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil das Landgericht bei der Bemessung der Einzelstrafen für die Fälle B. I. e) (Fälle 168 bis 217) sowie B. I. h) und i) (Fälle 289 bis 298) zwar nicht ausdrücklich den vertypten Strafmilderungsgrund des § 31 BtMG, wohl aber strafmildernd den Umstand, dass der Angeklagte Aufklärungshilfe geleistet hat, berücksichtigt hat. Dem hat es auch im Rahmen des sehr engen Strafzusammenzugs bei der Gesamtstrafenbildung Rechnung getragen.
Rz. 6
3. Die Einziehungsentscheidung kann teilweise keinen Bestand haben und ist im Übrigen neu zu fassen.
Rz. 7
a) Hinsichtlich der Gaspistole nebst Munition hält die Einziehungsanordnung rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Einziehung eines Gegenstandes setzt nach § 74 Abs. 1 StGB voraus, dass dieser zur Begehung einer vorsätzlichen Tat gebraucht worden oder bestimmt gewesen ist. Hierzu enthält das Urteil in Bezug auf die Gaspistole und die Munition keine Feststellungen. Die Anordnung der Einziehung ist deshalb aufzuheben. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO insoweit abschließend entscheiden.
Rz. 8
b) Soweit das Landgericht die „sichergestellten Betäubungsmittel und Betäubungsmittelutensilien” eingezogen hat, hat es die Einziehungsgegenstände nicht ausreichend konkret bezeichnet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 1988 – 3 StR 484/87, BGHR StGB § 74 Abs. 1 Urteilsformel 1; vom 25. August 2009 – 3 StR 291/09, juris). Insoweit kann der Senat jedoch den Urteilsgründen die Bezeichnung der sichergestellten Betäubungsmittel und der zu ihrer Aufbewahrung und Verpackung benutzten bzw. bestimmten Behältnisse entnehmen und somit die Einziehungsentscheidung selbst konkretisieren.
Rz. 9
Der geringe Teilerfolg rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und die Auferlegung eines Teils der Auslagen auf die Staatskasse nach § 473 Abs. 4 StPO nicht.
Unterschriften
Becker, Pfister, RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker, Gericke, Spaniol
Fundstellen
Haufe-Index 8141589 |
NStZ-RR 2015, 313 |
NStZ-RR 2015, 6 |
StraFo 2015, 342 |