Entscheidungsstichwort (Thema)
Totschlag
Tenor
I. Dem Angeklagten Janusz K. wird auf seinen Antrag nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 28. November 1997 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
II.
Auf die Revisionen der Angeklagten K. und S. wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 28. November 1997, soweit es sie betrifft,
- in den Schuldsprüchen dahin geändert, daß die Angeklagten jeweils des Totschlags schuldig sind,
- in den Strafaussprüchen mit den Feststellungen aufgehoben.
- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten „wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von jeweils neun Jahren verurteilt”.
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung sachlichen Rechts; der Angeklagte K. beanstandet darüber hinaus das Verfahren. Die Rechtsmittel führen zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs; im übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht angenommen, daß die Angeklagten K. und S. sowie die Mitangeklagten Ko. und P., deren Revisionen der Senat mit Beschluß vom heutigen Tage gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen hat, gemeinschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) und mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt haben. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte K., der Miroslaw J. mit einem Messerstich tödlich verletzte, und der Angeklagte S., der mindestens einmal auf Miroslaw J. einstach, hätten „aus niedrigen Beweggründen” gehandelt, denn „die Tötung eines Menschen für eine Gegenleistung von drei Flaschen Wodka” sei „nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert und auf tiefster Stufe stehend” (UA 116). Das wäre für sich genommen zwar nicht zu beanstanden, ist mit den getroffenen Feststellungen aber nicht zu vereinbaren:
Zwar sagten die Angeklagten K. und S. ihre Beteiligung an der von dem Angeklagten Ko. geplanten Tat zu, weil dieser ihnen als Gegenleistung drei Flaschen Wodka in Aussicht gestellt hatte. Zu diesem Zeitpunkt gingen die Angeklagten K. und S. aber davon aus, daß der Ehemann einer Frau, die nach den Angaben des Angeklagten Ko. „Hilfe” brauchte, verprügelt und ihm „zumindest ‚eins in die Schnauze’ gehauen werden sollte”. Über den Einsatz von Messern war nicht gesprochen worden. Als der Wodka getrunken wurde, den der Angeklagte Ko. gekauft hatte, bestand zwischen den Angeklagten K. , S. und Ko. „zumindest stillschweigend” Einigkeit darüber, „daß drei der insgesamt vier gekauften Flaschen Wodka bereits die Gegenleistung für das Verprügeln des Opfers sein sollten” (UA 33).
Es kann dahinstehen, ob der zunächst nur auf die mittäterschaftliche Begehung einer gefährlichen Körperverletzung gerichtete Tatentschluß der Angeklagten K. und S. als Ausdruck besonders verwerflicher Gesinnung zu werten ist; denn die Gesinnung des Täters bei Fassung des Körperverletzungsvorsatzes ist für die Prüfung, ob niedrige Beweggründe bei der späteren Tötungshandlung vorlagen, irrelevant (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe, 4 und 9). Für die Annahme niedriger Beweggründe kommt es allein darauf an, ob im Zeitpunkt der Tötungshandlung das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, die der Tat ihr Gepräge geben (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 20), nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen. Zwar hat das Landgericht hierzu ausgeführt, daß die „Gegenleistung der bei der eigentlichen Tatausführung bereits getrunkenen drei Flaschen Wodka… als Beweggrund bei den Angeklagten K. und S. zur sicheren Überzeugung der Kammer auch noch tatbestimmend” gewesen sei, als das Opfer getötet wurde (UA 114). Dies wird aber durch die Feststellungen zum weiteren Tatgeschehen nicht belegt:
Der Angeklagte Ko. entschloß sich erst während der Fahrt zum Tatort, die Fahrt zu unterbrechen, um aus seiner früheren Wohnung zwei große Küchenmesser zu holen. Diese händigte er den Angeklagten K. und S. im Auto aus und kam mit ihnen „wenigstens stillschweigend überein”, daß sie, um sich „auf jeden Fall” durchsetzen zu können, „zumindest in einer bedrängten Lage dazu auch die Messer gegen den Körper” des Tatopfers einsetzen würden. Danach kam es den Angeklagten aber auch zu Beginn der Auseinandersetzung mit Miroslaw J. weiterhin nur darauf an, diesen zu verprügeln. Erst als sich Miroslaw J. im Verlauf des „heftigen Gerangels” wehrte, stachen die Angeklagten K. und S. mit bedingtem Tötungsvorsatz auf ihn ein. Dieser Tatverlauf spricht aber dagegen, daß das Motiv, eine Gegenleistung für den Wodka zu erbringen, bei den Tötungshandlungen für die Angeklagten K. und S. noch tatbestimmend war, zumal deren Steuerungsfähigkeit infolge des vorangegangenen Alkoholgenusses erheblich vermindert war.
Der Senat schließt aus, daß in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die die Annahme niedriger Beweggründe zu tragen vermöchten. Er ändert deshalb den Schuldspruch dahin, daß die Angeklagten des Totschlags schuldig sind. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich die Angeklagten auch gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.
2. Die Schuldspruchänderung nötigt zur Aufhebung der gegen die Angeklagten Ko. und S. verhängten Freiheitsstrafen.
3. Die Abfassung des Urteils gibt im übrigen Anlaß zu dem Hinweis, daß es nicht erforderlich und regelmäßig sogar verfehlt ist, in den Urteilsgründen für jede Feststellung einen Beleg zu erbringen. Die schriftlichen Urteilsgründe dienen nicht der Dokumentation all dessen, was in der Hauptverhandlung ausgesagt oder verlesen wurde, sondern sie sollen das Ergebnis der Hauptverhandlung wiedergeben, wie es sich nach der Beratung darstellt, und lediglich die Nachprüfung der getroffenen Entscheidung ermöglichen (vgl. BGHR StPO § 267 Darstellung 1 und StGB § 46 Abs. 1 Begründung 12; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 267 Rdn. 12).
Gemäß § 261 StPO entscheidet das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. Hierfür genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen (vgl. BGH NStZ 1988, 236 und Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 261 Rdn. 2 m.N.). Aus den Urteilsgründen muß sich zwar ergeben, daß den Feststellungen eine solche Überzeugungsbildung zugrunde liegt. Hierzu ist es aber nicht erforderlich, hinsichtlich jeder der für erwiesen erachteten Tatsachen auszuführen, sie stehe „zur sicheren Überzeugung der Kammer” fest.
Unterschriften
Richter am BGH Maatz und Richter am BGH Dr. Kuckein sind wegen Urlaubs ortsabwesend und daher an der Unterzeichnung verhindert. Meyer-Goßner, Meyer-Goßner, Athing, Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 539687 |
StV 2000, 76 |