Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 11.04.2003) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 11. April 2003
soweit es ihn betrifft,
aa) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten Nötigung schuldig ist,
bb) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben;
soweit es den Mitangeklagten Ü. betrifft,
aa) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Mitangeklagte Ü. im Fall II. 2 der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung schuldig ist,
bb) in den Aussprüchen über die im Fall II. 2 verhängte Einzelstrafe und die Gesamtfreiheitsstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung (Fall II. 2) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Den nicht revidierenden Mitangeklagten Ü. hat es wegen versuchter Brandstiftung (Fall II. 1), versuchter schwerer räuberischer Erpressung (Fall II. 2) sowie wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.
1. Das Rechtsmittel hat, soweit es den Angeklagten D. betrifft, mit der Sachrüge in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist es aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Verurteilung des Angeklagten D. im Fall II. 2 wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Die in §§ 253, 255 StGB vorausgesetzte rechtswidrige Bereicherungsabsicht hat das Landgericht beim Haupttäter, dem Mitangeklagten Ü., nicht festgestellt. Die Strafkammer hat bei der rechtlichen Würdigung der Tat nicht bedacht, daß der Mitangeklagte den Geschädigten K. K. überfiel, um von diesem die Herausgabe von Geld zu erzwingen, welches der Tilgung einer noch nicht beglichenen, im Wege der Erbfolge auf die Mutter des Mitangeklagten und/oder ihn selbst übergegangenen, titulierten Schmerzensgeldforderung des verstorbenen Vaters des Mitangeklagten gegen K. K. dienen sollte (zur Vererblichkeit des Schmerzensgeldanspruchs vgl. BGH NJW 1995, 783). Es fehlt deshalb an dem für die Erpressung erforderlichen normativen Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit der Bereicherung (vgl. BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 6; BGH, Beschluß vom 21. März 2002 – 4 StR 48/02), da das mit der Handlung des Mitangeklagten Ü. verfolgte Endziel der Rechtsordnung entsprach. Dieses wird nicht dadurch rechtswidrig, daß zu seiner Verwirklichung rechtswidrige Mittel angewendet werden (vgl. BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 7). Daher hat sich der Mitangeklagte Ü. insoweit nur der versuchten Nötigung gemäß §§ 240, 22, 23 StGB schuldig gemacht. Darüber hinaus hat er tateinheitlich eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB begangen. Der Angeklagte D. hat zu dieser Tat Beihilfe geleistet.
Der Schuldspruch kann vom Revisionsgericht geändert werden (§ 354 Abs. 1 StPO). Das Landgericht hat auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage rechtsfehlerfrei dargelegt, daß der Angeklagte vom Mitangeklagten in den Tatplan eingeweiht war und wußte, daß der Mitangeklagte, den er zum Tatort fuhr und dort wieder abholte, bei dem Überfall auf K. K. sich „eines Schlag- oder Stichinstruments bedienen wollte” (UA 14).
Der Angeklagte hätte sich gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen verteidigen können, zumal der Tatvorwurf der Beihilfe zur – tateinheitlich begangenen – gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB von der Anklage erfaßt war.
Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich.
2. Gemäß § 357 StPO ist im Fall II. 2 die Änderung des Schuldspruchs auch auf den Mitangeklagten Ü. als Haupttäter zu erstrecken. Dies hat zur Folge, daß die insoweit gegen ihn verhängte Einzelstrafe und die Gesamtfreiheitsstrafe aufzuheben sind.
Hingegen folgt der Senat nicht dem Antrag des Generalbundesanwalts, gemäß § 357 StPO die Aufhebung auch auf die im Fall II. 1 gegen den Mitangeklagten Ü. verhängte Einzelstrafe zu erstrecken. Zwar erfolgte die allein vom Mitangeklagten begangene Tat im Fall II. 1 ebenfalls vor dem Hintergrund des bestehenden Schmerzensgeldanspruchs gegen K. K.. Gleichwohl fehlt es an der für eine Anordnung des § 357 StPO erforderlichen Nämlichkeit der Tat (BGH bei Kusch NStZ 1996, 327 m.w.N.), da die Fälle II. 1 und II. 2 nicht nur materiell-rechtlich sondern auch prozessual selbständige Taten im Sinne des § 264 StPO darstellen. Der Senat ist trotz des insoweit entgegenstehenden Aufhebungsantrags des Generalbundesanwalts nicht gehindert, im Beschlußwege zu entscheiden (BGHR StPO § 349 Abs. 5 Entscheidung 1).
Unterschriften
Tepperwien, Kuckein, Athing, Ri'inBGH Solin-Stojanović ist wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben., Tepperwien, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2559076 |
NStZ-RR 2004, 45 |