Entscheidungsstichwort (Thema)

Familiensache

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Bewertung eines beamtenrechtlichen Versorgungsanrechts für den Versorgungsausgleich ist eine Stellenzulage für Beamte mit vollzugspolizeilichen Aufgaben auch dann zu berücksichtigen, wenn der Gesetzgeber deren Ruhegehaltfähigkeit erst nach Ehezeitende angeordnet hat. Voraussetzung für die Berücksichtigung ist jedoch, daß der Beamte die individuellen Voraussetzungen für die Ruhegehaltfähigkeit dieser sog. Polizeizulage bei Ehezeitende erfüllt hatte.

 

Normenkette

BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Meldorf

Schleswig-Holsteinisches OLG

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des 4. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 26. Oktober 1993 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Meldorf vom 11. Juli 1990 zu II. des Urteilsspruchs (Versorgungsausgleich) wie folgt geändert:

Zu Lasten der Anwartschaft des Antragstellers auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften werden auf dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Vers.-Nr. 66 180541 S 501) Rentenanwartschaften im Wert von monatlich 253,66 DM, bezogen auf den 31. Juli 1989, begründet. Die zu begründenden Rentenanwartschaften sind in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die Gerichtskosten beider Rechtsmittelverfahren tragen beide Parteien je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattete

Beschwerdewert: 1.000 DM.

 

Gründe

I.

Der am 13. September 1940 geborene Ehemann (Antragsteller) und die am 18. Mai 1941 geborene Ehefrau (Antragsgegnerin) haben am 18. Dezember 1962 die Ehe geschlossen, aus der drei inzwischen volljährige Kinder stammen. Der Scheidungsantrag des Ehemannes ist der Ehefrau am 5. August 1989 zugestellt worden.

Während der Ehezeit (1. Dezember 1962 bis 31. Juli 1989, § 1587 Abs. 2 BGB) hat der Ehemann als Zollbeamter eine Anwartschaft auf Ruhegehalt erworben, dessen Ehezeitanteil nach einer Auskunft der Oberfinanzdirektion Kiel (OFD) vom 23. Oktober 1989 zunächst mit monatlich 1.596,56 DM (alle DM-Beträge jeweils bezogen auf das Ehezeitende) angenommen wurde. Die Ehefrau hat während der Ehezeit Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung durch Pflichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit und für Kindererziehungszeiten erworben, deren Wert sich nach einer Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, weitere Beteiligte zu 3) vom 11. Mai 1990 unter Einbeziehung von Ausbildungszeiten auf monatlich 542,70 DM belief. Nachdem sie in das Beamtenverhältnis übernommen worden war, hat die Ehefrau außerdem Anwartschaften auf Beamtenversorgung bei dem Land Schleswig-Holstein (weiterer Beteiligter zu 2) erworben, deren Ehezeitanteil nach einer Auskunft des Landesbesoldungsamtes (LBA) vom 1. Juni 1990 mit monatlich 802,13 DM zu bewerten ist.

Das Amtsgericht – Familiengericht – hat durch Verbundurteil vom 11. Juli 1990 die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich entsprechend den von den Versorgungsträgern mitgeteilten Werten dahin geregelt, daß es zu Lasten der Pensionsanwartschaften des Ehemannes bei der Bundesrepublik Deutschland (weitere Beteiligte zu 1) auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der BfA monatliche Rentenanwartschaften von (1.596,56 – 542,70 – 802,13 = 251,73 : 2 =) 125,87 DM begründet hat.

Gegen diese Entscheidung hat die OFD für die Bundesrepublik Deutschland Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, bei der Berechnung der vom Ehemann erworbenen beamtenrechtlichen Versorgung zu berücksichtigen, daß zwischenzeitlich durch das Fünfte Gesetz zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften (5. BesÄndG) vom 28. Mai 1990 (BGBl. I 967) die sogenannte Polizeizulage zu den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen zu rechnen ist. Die OFD hat hierzu eine Änderungsauskunft vom 22. August 1990 vorgelegt, nach der der Ehezeitanteil der Pensionsanwartschaften nunmehr unter Einschluß der Polizeizulage 1.696,18 DM beträgt.

Das Oberlandesgericht hat auch eine neue Auskunft der BfA im Hinblick auf das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Rentenreformgesetz (SGB VI) eingeholt. Nach dieser unter dem 29. Juni 1993 erteilten Auskunft werden die ehezeitlich von der Ehefrau erworbenen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung nur noch mit monatlich 386,73 DM bewertet; die Wertminderung beruhe darauf, daß die Ausbildungszeiten nicht mehr den Beitragszeiten, sondern nur noch den Wartezeiten zugerechnet werden, weil sie bereits bei den beamtenrechtlichen Versorgungsanrechten der Ehefrau als ruhegehaltfähig anerkannt werden (§ 71 Abs. 4 SGB VI).

Das Oberlandesgericht hat die Regelung zum Versorgungsausgleich dahin geändert, daß es den Ausgleichsbetrag auf monatlich 203,85 DM erhöht hat. Dabei hat es zwar die niedrigere Bewertung der in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften der Ehefrau berücksichtigt, nicht jedoch den durch die Polizeizulage erhöhten ehezeitanteiligen Wert der Beamtenversorgung des Ehemannes. Demgemäß hat es den Ausgleichsbetrag mit der Hälfte von (1.596,56 – 386,73 – 802,13 =) 407,70 DM auf monatlich 203,85 DM bezogen auf den 31. Juli 1989 – berechnet.

Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde verfolgt die OFD das Begehren weiter, auch die ruhegehaltfähig gewordene Polizeizulage des Ehemannes zu berücksichtigen.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Der Auffassung des Oberlandesgerichts, daß die Anrechte des Ehemannes in der Beamtenversorgung ohne Berücksichtigung der Polizeizulage zu bewerten sind, kann nicht gefolgt werden.

1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt. Nach der für die Bewertung maßgeblichen Vorschrift des § 1587a Abs. 2 Nr. 1 BGB ist von dem Betrag auszugehen, der sich im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages (gemeint ist das Ehezeitende i.S von § 1587 Abs. 2 BGB, vgl. BGHZ 82, 66, 70) als Versorgung ergäbe. Aufgrund dieser Stichtagsregelung ist für die Höhe einer Versorgung grundsätzlich ihr am Ehezeitende erreichter Wert maßgebend. Dieser Grundsatz betrifft indessen die tatsächlichen Verhältnisse, also die individuellen Umstände, die die Versorgungslage eines Ehegatten bestimmen (Senatsbeschluß BGHZ 90, 52, 57). Bei einem Beamten betrifft das vor allem die am Ehezeitende erreichte Besoldungsgruppe und das Besoldungsdienstalter. Änderungen derartiger Umstände, die erst nach Ehezeitende eintreten – beispielsweise die Beförderung des Beamten in ein Amt mit höherer Besoldung – werden bei der Bewertung der Versorgung nicht mehr berücksichtigt (Senatsbeschluß vom 13. Mai 1987 – IVb ZB 118/82 – BGHR BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 1 Beförderung 1 = FamRZ 1987, 918 m.w.N.).

2. Anderes gilt indessen für Wertveränderungen, die durch Gesetzesänderungen bewirkt werden, gleichgültig, ob sie zu einer Erhöhung des Versorgungsanspruchs oder zu dessen Herabsetzung führen. Für solche Fälle hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß alle Veränderungen, die aufgrund gesetzlicher Neuregelungen nach dem nur aus praktischen Gründen gewählten Stichtag „Ehezeitende” bis zur gerichtlichen Entscheidung (auch des Bundesgerichtshofes) eintreten, im Versorgungsausgleich berücksichtigt werden müssen, wenn das ehezeitlich erworbene Versorgungsanrecht durch die Rechtsänderung betroffen wird. Denn andernfalls würde der Grundsatz der Halbteilung verletzt. Dementsprechend hat der Senat neue Ruhensregelungen im Beamtenversorgungsrecht (etwa aufgrund des Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 22. Dezember 1981 für Fälle des gleichzeitigen Bezuges von Beamtenversorgung und Rente, vgl. BGHZ 90, 52) ebenso berücksichtigt wie den Wegfall des örtlichen Sonderzuschlags für Berlin (Beschluß vom 12. Juli 1984 – IVb ZB 67/83 – FamRZ 1984, 992) oder die Änderungen des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung, die sich auf die Beamtenversorgung auswirkten (vgl. die Beschlüsse vom 5. Februar 1986 – IVb ZB 728/81 – FamRZ 1986, 447 und IVb ZB 56/85 – betreffend das Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten – FamRZ 1986, 449, 450). In Fortsetzung dieser Rechtsprechung hat der Senat entschieden, daß für Entscheidungen über den Versorgungsausgleich ab dem 1. Januar 1992 bei der Bewertung von beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaften die mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an geänderten Regelungen des Beamtenversorgungsgesetzes zu berücksichtigen sind (Beschluß vom 7. Oktober 1992 – XII ZB 5/91 – FamRZ 1993, 414). An dieser Auffassung, die in der Literatur Zustimmung gefunden hat (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht 2. Aufl. § 1587 BGB Rdn. 38; MünchKomm/Eißler BGB 3. Aufl. § 1587a Rdn. 42; Borth, Versorgungsausgleich 2. Aufl. 2. Kap. Rdn. 62), ist mit der Folge festzuhalten, daß die dem Ehemann gewährte Polizeizulage werterhöhend berücksichtigt werden muß. Sie gehört ebenso wie das Grundgehalt zu den Dienstbezügen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG) und ist aufgrund einer gesetzlichen Änderung nach Ehezeitende ruhegehaltfähig geworden, nämlich durch das Fünfte Gesetz zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften (5. BesÄndG) vom 28. Mai 1990 (BGBl. I 967). Nach Nr. 3 a der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B des Bundesbesoldungsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. Februar 1989 (BGBl. I 261), eingefügt durch Art. 1 Nr. 14 Buchst. c des 5. BesÄndG, gehört nunmehr auch die Zulage für Beamte mit vollzugspolizeilichen Aufgaben nach Nr. 9 der Vorbemerkungen i.d.F. des Art. 1 Nr. 14 Buchst. g des 5. BesÄndG zu den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen, wenn der Beamte mindestens 10 Jahre lang zulageberechtigend verwendet worden ist. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts hatte der Ehemann diese gesetzlichen Voraussetzungen schon bei Ehezeitende erfüllt. Entgegen der im Beschwerdeverfahren von dem LBA vertretenen Auffassung kommt es nicht darauf an, daß die genannte gesetzliche Änderung erst mit Wirkung vom 1. Januar 1990 in Kraft getreten und auf Versorgungsfälle, die bis zum 31. Dezember 1989 eingetreten sind, nicht anwendbar ist. Bei der gemäß § 1587a Abs. 2 Nr. 1 BGB vorzunehmenden Bewertung handelt es sich stets um eine fiktive Berechnung, denn der Versorgungsfall tritt zu dem maßgeblichen Stichtag tatsächlich nicht ein. Dem wird u.a. dadurch Rechnung getragen, daß sowohl der Ruhegehaltssatz wie der Ehezeitanteil der Versorgung aus einer angenommenen Gesamtdienstzeit errechnet wird, die sich bis zum Erreichen der Altersgrenze erstreckt. Auch im vorliegenden Fall ist der Versorgungsfall beim Ehemann nicht tatsächlich vor dem 31. Dezember 1989 eingetreten, so daß es nicht darauf ankommt, ob in einem solchen Fall die Polizeizulage ruhegehaltfähig wäre. Da feststeht, daß der Versorgungsfall tatsächlich erst nach diesem Stichtag eintreten kann, ist die durch Gesetzesänderung eingeführte Ruhegehaltfähigkeit dieser Zulage zu beachten.

3. Zu Unrecht beruft sich das Oberlandesgericht für seine abweichende Auffassung auf den Senatsbeschluß vom 9. Juli 1986 (IVb ZB 139/83 – BGHR aaO Soldatenversorgung 1 = FamRZ 1986, 975). Seinerzeit war nicht darüber zu entscheiden, ob die Stellenzulage für fliegendes Personal nach dem Besoldungsrecht für Soldaten generell ruhegehaltfähig ist oder nicht. Der Senat hat vielmehr diese Stellenzulage, die der Ehemann in dem damals entschiedenen Fall bei Ehezeitende erst seit vier Jahren bezog, nur deshalb nicht als ruhegehaltfähig berücksichtigt, weil der Ehemann bei Ehezeitende noch nicht die gesetzliche Voraussetzung erfüllte, mindestens fünf Jahre in einer solchen Tätigkeit verwendet worden zu sein. Der entscheidende Unterschied zum vorliegenden Fall besteht darin, daß hier der Ehemann die individuellen Voraussetzungen, die das Gesetz in seiner jetzt gültigen Fassung für die Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage aufstellt, schon bei Ehezeitende erfüllt hatte. Entgegen der im Beschwerdeverfahren von dem LBA – im Anschluß an eine Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 18. Dezember 1991 – vertretenen Auffassung kann die gesetzlich für alle vergleichbaren Fälle geregelte Berücksichtigung der Polizeizulage als ruhegehaltfähiger Teil der Dienstbezüge daher im Versorgungsausgleich auch nicht in gleicher Weise behandelt werden wie etwa die Fälle einer Beförderung eines Beamten nach dem Bewertungsstichtag.

4. Der Senat kann abschließend auf der Grundlage der Auskunft der OFD vom 22. August 1990 entscheiden, gegen deren Richtigkeit keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Danach betrugen die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge des Ehemannes unter Einbeziehung der Polizeizulage insgesamt monatlich 3.405,41 DM. Bei einem Ruhegehaltsatz von 75 % (§ 14 BeamtVG) wäre am maßgeblichen Stichtag unter Einschluß eines Zwölftels der jährlichen Sonderzuwendung eine Versorgung in Höhe von monatlich 2.766,90 DM zu gewähren, deren Ehezeitanteil monatlich 1.696,18 DM beträgt. Verringert um die auf den gleichen Stichtag (31. Juli 1989) bezogenen Anwartschaften der Ehefrau bei der BfA (386,73 DM) und auf Beamtenversorgung (802,13 DM), ergibt sich ein Differenzbetrag von 507,32 DM. In Höhe der Hälfte, also von monatlich 253,66 DM sind für die Ehefrau Rentenanwartschaften auf ihrem Versicherungskonto bei der BfA zu Lasten der Anwartschaften des Ehemannes auf Beamtenversorgung zu begründen und in Entgeltpunkte umzurechnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609846

NJW 1995, 718

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