Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Beschluss vom 20.11.1980)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Schleswig vom 20. November 1980 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.

Beschwerdewert: 1.000 DM.

 

Gründe

1. Das Landgericht hat die Beklagte mit einem Schlußurteil verurteilt, Restwerklohn in Höhe von 33.030,93 DM nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen. Dieses Urteil ist den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten von Amts wegen am 22. Januar 1979 zugestellt worden. Erst am 9. März 1979 und damit zu spät hat der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Beklagten Berufung eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Er hat inzwischen die Berufung rechtzeitig begründet und angekündigt zu beantragen, die Klage unter entsprechender Abänderung des landgerichtlichen Urteils wegen eines Betrages von 1.000 DM nebst Zinsen abzuweisen.

Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen.

2. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer rechtzeitigen sofortigen Beschwerde.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuches und der Beschwerde trägt die Beklagte unter Glaubhaftmachung des Sachverhalts vor:

Die Versäumung der Berufungsfrist hätten ihre in einer Anwaltssozietät von vier Mitgliedern verbundenen erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten am 23. Januar 1979 bemerkt. Sie beruhe weder auf ihrem, der Beklagten, Verschulden noch auf dem Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten.

Ihre erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten hätten die fristgerechte Beauftragung eines Berufungsanwaltes mit der Einlegung der Berufung allein wegen eines lediglich dem Büropersonal anzulastenden Fehlverhaltens versäumt.

a) Sie hätten zur Wahrung von Fristen ihre Büroabläufe folgendermaßen organisiert:

Vor- und Notfristen würden jeweils in dem dafür eingerichteten zentralen Fristenkalender eingetragen. Am Tage des Fristablaufes würden die entsprechenden Handakten von der damit beauftragten Angestellten W. anhand einer Ablichtung aus dem Fristenkalender herausgesucht und der zweiten Bürovorsteherin N. vorgelegt. Diese lasse sie von Frau W. dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt persönlich unter mündlichem Hinweis auf den drohenden Fristablauf überreichen. Sofern der sachbearbeitende Rechtsanwalt nicht anzutreffen sei, würden die Handakten einem anderen Mitglied der Anwaltssozietät auf dieselbe Weise übergeben. Die im Fristenkalender eingetragene Frist werde erst gestrichen, wenn der zuständige Rechtsanwalt oder dessen Vertreter die zur Fristwahrung erforderlichen Maßnahmen getroffen und die Löschung der Frist im Kalender verfügt habe. Dieses sorgfältig eingeübte und überwachte Verfahren habe sich jahrelang bewährt.

b) Für das vorliegende Verfahren sei im Fristenkalender u.a. für den 22. Februar 1979 der Ablauf der Berufungsfrist notiert worden. Am Vormittag dieses Tages seien die Handakten auch der zweiten Bürovorsteherin N. vorgelegt worden. Da die Büroangestellte W. in der Zeit vom 19. bis zum 24. Februar 1979 urlaubabwesend gewesen sei, habe die Bürovorsteherin N. die zuvor sorgfältig mit dem geübten Verfahren vertraut gemachten Lehrlinge Burchardi und Teilschaft damit beauftragt, u.a. die Handakten des vorliegenden Verfahrens dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt Dr. W. persönlich oder notfalls einem der anderen Rechtsanwälte persönlich mit dem Hinweis auf den drohenden Ablauf der Berufungsfrist auszuhändigen. Die Lehrlinge hätten jedoch, da sie Rechtsanwalt Dr. W. nicht in seinem Büro angetroffen hätten, entgegen den erteilten Weisungen die Handakten, ohne sie hinsichtlich ihrer Eilbedürftigkeit kenntlich zu machen, auf die Aktenablage neben dem Schreibtisch von Rechtsanwalt Dr. W. gelegt, wo sie noch vor der nachmittäglichen Rückkehr von Rechtsanwalt Dr. W. durch andere Zuträge überdeckt worden seien. Die Lehrlinge hätten beabsichtigt, Rechtsanwalt Dr. W. spätestens am Nachmittag auf den drohenden Ablauf der Berufungsfrist aufmerksam zu machen und deshalb davon abgesehen, einen anderen der Rechtsanwälte oder Frau N. zu unterrichten. Darüber hinaus hätten sie auch noch die Löschung der Notfrist im Fristenkalender veranlaßt. Gleichwohl hätten sie es unterlassen, Rechtsanwalt Dr. W. den erforderlichen Hinweis zu geben. Dieser sei nachmittags in seinem Büro anderweit beschäftigt gewesen, habe auch unter den auf der Aktenablage befindlichen Akten keine Eilsache vermuten müssen und deshalb in den Abendstunden sein Büro verlassen, ohne die abgelegten Akten durchzusehen. Wären ihm oder einem der Sozien die Handakten weisungsgemäß mit dem Hinweis auf den drohenden Fristablauf ausgehändigt worden, dann wäre der Berufungsanwalt fernmündlich mit der Einlegung der Berufung beauftragt worden und hätte die Berufungsfrist einhalten können. Die Versäumung der Berufungsfrist beruhe daher allein auf dem weisungswidrigen Verhalten der beiden Lehrlinge.

3. a) Das Oberlandesgericht hat noch nicht über die Berufung, vielmehr vorab erst über den Wiedereinsetzungsantrag entschieden. Auch gegen diese Vorentscheidung ist gemäß § 519 b Abs. 2 ZPO die sofortige Beschwerde zulässig (BGHZ 21, 142, 147).

b) Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Versäumung der Berufungsfrist beruht auch auf einem der Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO anzulastenden Verschulden ihrer erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann der Beklagten deshalb nicht gewährt werden (§ 233 ZPO).

Den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten fällt nämlich ein Organisationsverschulden zur Last. Sie hätten eine Endkontrolle zur Sicherstellung dessen einrichten müssen, daß fristwahrende Maßnahmen, wie hier die Beauftragung eines Berufungsanwaltes mit der Einlegung der Berufung, auch tatsächlich ergriffen und vollständig durchgeführt wurden. Dazu hätte die Anordnung gehört, Notfristen erst dann zu löschen, wenn das fristwahrende Schriftstück gefertigt und abgesendet oder eine fernmündliche Beauftragung des Berufungsanwaltes tatsächlich erfolgt und angenommen war (BGH NJW 1953, 1023; BGH Beschlüsse vom 23. März 1972 – III ZB 13/71 = VersR 1972, 646 f; vom 28. April 1980 – VII ZB 8/80; vom 18. Dezember 1980 – VII ZB 23/80). Bei einer solchen Handhabung kann bei sorgfältiger Führung des Notfristenkalenders allabendlich bei Büroschluß anhand des Kalenders überprüft werden, ob die fristwahrende Handlung erfolgt ist. Wäre in diesem Sinne verfahren worden, hätte die Bürovorsteherin am Abend des 22. Januar 1979 feststellen können, daß die Einlegung der Berufung noch nicht veranlaßt war. Die Berufungsfrist hätte dann noch eingehalten werden können.

Nach alledem ist die sofortige Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Vogt, Meise, Doerry, Bliesener, Obenhaus

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1502241

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