Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 01.04.2008; Aktenzeichen 18 U 5667/05) |
LG München I (Entscheidung vom 29.09.2005; Aktenzeichen 22 O 6696/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 1. April 2008 – 18 U 5667/05 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: bis 35.000 EUR (26.075,95 EUR und Kostenwert aus dem erledigten Teil)
Tatbestand
I.
Rz. 1
Der Ehemann der Klägerin, der die geltend gemachten Schadensersatzansprüche an seine Ehefrau abgetreten hat, zeichnete am 6. Oktober 2000 nach Beratung durch Mitarbeiter der Beklagten zu 3 – unter Einschaltung der D. GmbH als Treuhänderin – eine Kommanditeinlage über 100.000 DM zuzüglich 5 v.H. Agio an dem Filmfonds V. Dritte KG. Die Fondsgesellschaft geriet im Jahr 2002 im Zusammenhang mit der Insolvenz der Produktionsdienstleisterin in eine wirtschaftliche Schieflage. Es stellte sich heraus, dass an die Produktionsdienstleisterin überwiesene Gelder nicht zurückzuerlangen waren und Erlösausfallversicherungen für aufgenommene Produktionen nicht abgeschlossen waren.
Rz. 2
Wegen behaupteter Mängel des Prospekts begehrte die Klägerin in der ersten Instanz Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung Rückzahlung des eingezahlten Betrags von 53.685,65 EUR nebst Zinsen. Die Klägerin hält die Beklagte zu 1 – Tochtergesellschaft einer international tätigen Großbank – als (Mit-)Initiatorin und Hintermann für prospektverantwortlich. Diese war von der Fondsgesellschaft mit der Beratung bei der Auswahl und Heranziehung potentieller Vertragspartner und der Optimierung des gesamten Vertragswerks sowie der gesamten Koordination des Eigenkapitalvertriebs und von der Herausgeberin des Prospekts mit der Erstellung eines Prospektentwurfs beauftragt worden und nahm als Einzahlungstreuhänderin für die Fondsgesellschaft die Gelder der Anleger entgegen. Die Beklagte zu 2, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, hat die Klägerin wegen behaupteter Fehler bei der ihr von der Beklagten zu 1 aufgetragenen Prüfung des Prospekts und die Beklagte zu 3, eine Bank, wegen fehlerhafter Beratung in Anspruch genommen.
Rz. 3
Das Landgericht hat der Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 entsprochen und sie im Übrigen abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin die Klage gegen die Beklagte zu 2 zurückgenommen und sich mit der Beklagten zu 3 verglichen. Das Berufungsgericht hat die zuletzt noch auf Zahlung von 26.075,95 EUR und Feststellung der Erledigung gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision in Richtung auf die Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagte).
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 4
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Zulassung der Revision; insbesondere ist die Klägerin nicht in ihrem Recht auf Wahrung ihres rechtlichen Gehörs verletzt worden.
Rz. 5
1. Der Senat hat in seinen Urteilen vom 14. Juni 2007, die eine Beteiligung an derselben Fondsgesellschaft betrafen, entschieden, dass der Emissionsprospekt im Hinblick auf die im Abschnitt „Risiken der Beteiligung” angeführte, als „worst-case-Szenario” bezeichnete „Restrisiko-Betrachtung” den Anleger nicht deutlich genug darauf hinweist, dass seine Beteiligung dem Risiko eines Totalverlustes und nicht lediglich eines begrenzten Verlustes unterliegt, und hat darin einen Prospektmangel gesehen (III ZR 300/05 – NJW-RR 2007, 1329, 1331 Rn. 13 f; III ZR 125/06 – WM 2007, 1503, 1504 f Rn. 14 f). Hiervon geht auch das Berufungsgericht aus. Prospekthaftungsansprüche sieht es indes als verjährt an. Das ist unter Zugrundelegung der Rechtsprechung, dass Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinn bei einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung in analoger Anwendung der in den gesetzlich geregelten Fällen der Prospekthaftung bestimmten kurzen Verjährung (§ 20 Abs. 5 KAGG, § 12 Abs. 5 AuslInvestmG, jeweils in der bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung) in – seinerzeit – sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektmangels, spätestens jedoch in drei Jahren nach dem Beitritt verjähren (vgl. Senatsurteil vom 6. März 2008 – III ZR 298/05 – NJW-RR 2008, 1365, 1366 f Rn. 12 m.w.N.), nicht zu beanstanden. Auch die Beschwerde nimmt dies hin.
Rz. 6
2. a) Prospekthaftungsansprüche im weiteren Sinn verneint das Berufungsgericht mit näherer Begründung, weil es insoweit an einem schlüssigen Vortrag zur Inanspruchnahme von konkretem Vertrauen fehle. Weder habe die Beklagte die Stellung eines künftigen Vertragspartners gehabt noch ergebe sich aus ihrer Funktion als Vertriebskoordinatorin und Einzahlungstreuhänderin ein Vertrauenstatbestand. Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 22. Januar 2008 ihren Anspruch auf Verletzung eines Auskunftsvertrages gestützt habe, sei das Vorbringen nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen; es sei nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin nicht bereits in erster Instanz vorgetragen habe, die Beklagte habe gegenüber einem überschaubaren Kreis von Interessenten ein Angebot auf Abschluss eines Auskunftsvertrages abgegeben und von der Weitergabe von Informationen durch Dritte an die Anleger gewusst. Die Beschwerde führt hiergegen an, sämtliche Umstände, die die Klägerin für die Annahme eines Auskunftsvertrages von Bedeutung gehalten habe, seien Gegenstand des erstinstanzlichen Vorbringens gewesen und hätten sich aus dem vorgelegten Zeichnungsschein und dem überreichten Verkaufsprospekt ergeben. Aus diesen Umständen folge zudem eine Haftung nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne.
Rz. 7
b) Die damit angesprochenen Fragen sind höchstrichterlich geklärt. Hiernach scheidet eine vertragliche Haftung der Beklagten aus.
Rz. 8
aa) Dass die Beklagte nach den Senatsurteilen vom 14. Juni 2007 als prospektverantwortliche Mitinitiatorin oder Hintermann in Betracht kommt (III ZR 185/05 – NJW-RR 2007, 1479 f Rn. 9-13; III ZR 125/06 aaO S. 1505 f Rn. 17-22), bedeutet nicht, dass sie ohne weitere Voraussetzungen auch nach
den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne haften würde (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1984 – II ZR 83/84 – WM 1984, 889). Während die eigentliche Prospekthaftung an typisiertes Vertrauen anknüpft, kommt es für die Prospekthaftung im weiteren Sinne darauf an, dass nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo persönliches Vertrauen in Anspruch genommen worden ist. Aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen haftet daher insoweit, wer Vertragspartner ist oder werden soll oder – was hier allerdings von vornherein nicht in Betracht kommt – als ein für ihn auftretender Vertreter oder Beauftragter (Sachwalter) aufgetreten ist und dabei für seine Person Vertrauen in Anspruch genommen und die Vertragsverhandlungen beeinflusst hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 1981 – II ZR 193/80 – WM 1981, 1021, 1022). Die Beklagte hatte mit dem Zedenten der Klägerin keinen persönlichen Kontakt. Sie hatte auch – anders als in dem dem Senatsurteil vom 13. Juli 2006 (III ZR 361/04 – NJW-RR 2007, 406, 407 Rn. 9) zugrunde liegenden Fall, auf den sich die Beschwerde bezieht – keine Stellung, nach der sie in eine Vertragsbeziehung zum Anleger trat oder dessen Beitritt sie im Namen der Fondsgesellschaft zu bewirken hatte. Der Zedent der Klägerin war, wie sich aus dem vorgelegten Zeichnungsschein ergibt, kein Direktkommanditist (zu einer solchen Fallkonstellation vgl. Senatsbeschluss vom 29. Januar 2009 – III ZR 74/08 – zur Veröffentlichung vorgesehen), sondern trat der Gesellschaft als Treugeber über die D. GmbH bei, mit der er durch einen Treuhandvertrag verbunden war und die nach § 4 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags berechtigt war, ihr Recht zur Einlagenerhöhung durch einseitige Erklärung gegenüber der persönlich haftenden Gesellschafterin auszuüben. Die Beklagte war zwar eingeschaltet, um den Zeichnungsschein in Empfang zu nehmen und die Einlage sowie das Agio „auf Bitte” des Anlegers per Lastschrift im Abbuchungsverfahren einzuziehen und an die Fondsgesellschaft weiterzuleiten. Die Stellung als Einzahlungstreuhänderin hatte die Beklagte indes auf der Grundlage ihres mit der Fondsgesellschaft geschlossenen Vertrages über die Eigenkapitalvermittlung. Dass der Anleger nach dem Inhalt des Zeichnungsscheins und des Gesellschaftsvertrags unter diesen Voraussetzungen der Fondsgesellschaft beitrat, begründet im Verhältnis der Parteien zueinander keine nähere vertragliche Beziehung, aus der sich für die Beklagte Aufklärungspflichten ergeben konnten. Auch die weiteren im Senatsurteil vom 14. Juni 2007 aufgeführten Umstände, auf die sich die Beschwerde bezieht (vgl. III ZR 125/06 aaO S. 1505 Rn. 20), betreffen nur die Frage, ob und inwieweit die Beklagte als Prospektverantwortliche angesehen werden kann, und besagen nichts dazu, in welcher qualifizierten, persönliches Vertrauen begründenden Weise sie den Anlegern gegenüber getreten ist.
Rz. 9
bb) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem vom Berufungsgericht nicht näher behandelten Gesichtspunkt des (stillschweigenden) Abschlusses eines Auskunftsvertrages. Die Beklagte war zwar von der Fondsgesellschaft allgemein mit der Koordination des Eigenkapitalvertriebs betraut worden, hat den Zedenten der Klägerin aber nicht selbst vermittelt. Sie hat ihn daher nicht über die für seinen Anlageentschluss bedeutsamen Umstände informiert, was üblicherweise Anknüpfungspunkt für eine Haftung des Vermittlers aus einem Auskunftsvertrag sein kann. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Berater der Beklagten zu 3 für die Beklagte Erklärungen abgegeben hätte und hierzu von ihr bevollmächtigt gewesen wäre. Dementsprechend knüpft die Beschwerde an den Vortrag der Klägerin an, die für den Anlageentschluss ihres Ehemannes erheblichen Informationen hätten sich unmittelbar aus dem Prospekt ergeben; die Beklagte sei insoweit sachkundig gewesen und habe an der Einwerbung von Kommanditanteilen ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse gehabt. Angesichts einer Mindestanlagesumme von 100.000 DM habe sich der Verkaufsprospekt nur an einen überschaubaren Interessentenkreis gewendet.
Rz. 10
Für die Annahme eines Auskunftsvertrages ist regelmäßig – wie bei der Haftung wegen eines Verhandlungsverschuldens, aber anders als bei der Prospekthaftung im engeren Sinne – ein Kontakt zwischen den Parteien erforderlich, der im Hinblick auf die intendierte rechtsgeschäftliche Haftung dahin gehen muss, dass eine als verbindliche Willenserklärung anzusehende Auskunft gegenüber einem Interessenten erteilt wird, der sie zur Grundlage seiner Entschließung machen möchte. Allerdings sind in der Rechtsprechung auch Konstellationen behandelt worden, in denen geprüft worden ist, ob der Auskunftsgeber auch ohne eine dahingehende Anfrage und Kontaktaufnahme gegenüber einem überschaubaren Kreis von Interessenten ein Angebot auf Abschluss eines Auskunftsvertrages abgibt (vgl. BGH, Urteile vom 12. Februar 1979 – II ZR 177/77 – NJW 1979, 1595 f; vom 22. September 1982 – IVa ZR 322/80 – NJW 1983, 276 und IVa ZR 323/80 – VersR 1982, 1143 f; vom 25. September 1985 – IVa ZR 237/83 – VersR 1986, 35 f). Dies ist etwa für die Kreditauskunft einer Bank und die Bestätigung eines Lebensversicherungsunternehmens angenommen worden, die sich an noch unbekannte Personen richteten, die als Darlehensgeber für ein Projekt in Betracht kamen (vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Juli 1998 – XI ZR 375/97 – NJW-RR 1998, 1343, 1344), hingegen in einem Fall verneint worden, in dem ein Vertriebsbeauftragter Werbeunterlagen verwendet hatte, in denen der in Anspruch genommene Beklagte als erfolgreicher Unternehmer dargestellt wurde. Hier steht einer rechtsgeschäftlichen Verbindung der Parteien – über die zum fehlenden Verhandlungsverschulden bereits angesprochenen Gesichtspunkte hinaus – entgegen, dass die Fülle und die Gesamtheit der im Emissionsprospekt enthaltenen Angaben schon nicht als Auskunft bewertet werden können; es kommt hinzu, dass die Beklagte nach dem Inhalt des Prospekts zwar mit verschiedenen Aufgaben betraut war, aber nicht einmal als Urheberin oder Garantin für bestimmte Prospektaussagen hervorgehoben wird oder sonst hervortritt. Dass im Nachhinein Umstände vorgetragen und erkennbar geworden sind, nach denen die Beklagte als Mitinitiatorin oder Hintermann in Betracht kommt, mag ihre Prospektverantwortlichkeit begründen, rechtfertigt aber nicht die Bewertung, sie habe – ohne dass es zu einer Kontaktaufnahme oder einem Ersuchen des Anlegers gekommen sei – ein Angebot auf Abschluss eines rechtsverbindlichen Auskunftsvertrages abgegeben. Wollte man dies – wie die Beschwerde – anders sehen, wären die Unterschiede zwischen der Prospekthaftung im engeren Sinne und der Vertragshaftung aufgehoben.
Rz. 11
3. Das Berufungsgericht hat schließlich im Anschluss an im Senatsurteil vom 14. Juni 2007 (III ZR 125/06 aaO S. 1506 Rn. 23) wiedergegebene Behauptungen von Anlegern geprüft, ob der Beklagten bei Herausgabe des Prospekts bekannt gewesen sei, dass der Abschluss einer Erlösausfallversicherung entgegen den Prospektangaben erst nach Produktionsbeginn möglich gewesen sei, und deshalb eine Haftung nach §§ 31, 826, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a StGB in Betracht komme. Es hat die Frage im Ergebnis verneint und insoweit befunden, entscheidend sei nicht, ob und wann es für bestimmte Filmproduktionen Einzelpolicen gegeben habe, sondern wann eine Absicherung durch eine Erlösausfallversicherung vorgelegen hätte. Die erhobenen Beweise hat es dahingehend gewürdigt, der Geschäftsführer der Komplementärin sei davon ausgegangen, dass durch den Abschluss von Rahmenverträgen die Produktionen vor deren Aufnahme gesichert gewesen seien. Er habe die Frage, ob „Cover Notes” den Versicherer verpflichteten, umfassend anwaltlich prüfen lassen. Aus der Sicht der Beklagten habe daher von einer Absicherung ausgegangen werden dürfen, selbst wenn es beim Schwesterfonds, der V. KG, dazu gekommen sei, dass Einzelpolicen erst nach Beginn der Produktionen ausgefertigt worden seien. Dass der Versicherer der V. KG ausgewechselt worden sei, stelle nur ein Indiz dafür dar, dass ein leistungsfähiger Versicherer habe eingeschaltet werden sollen.
Rz. 12
Diese Beurteilung lässt zulassungsrelevante Fehler nicht erkennen. Die Beschwerde verweist zwar darauf, dass die „Cover Note” unter verschiedenen Vorbehalten gestanden habe, unter anderem demjenigen eines vollständigen Risikomanagementberichts, der erst rund ein Jahr später vorgelegen habe. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte um den näheren Inhalt dieser „Cover Note” kümmern musste oder ihr gar bekannt war, dass sich aus ihr keine zureichende Absicherung ergab. Dass die Beklagte davon Kenntnis hatte, dass bei der V. KG mit Produktionen begonnen wurde, ehe zu ihnen jeweils Einzelpolicen ausgefertigt wurden, hat das Berufungsgericht durchaus gesehen. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn es für den hier in Rede stehenden Fonds nicht die Überzeugung für das für eine deliktsrechtliche Verantwortlichkeit erforderliche qualifizierte Verschulden der Beklagten gewinnen konnte.
Unterschriften
Schlick, Dörr, Wöstmann, Harsdorf-Gebhardt, Seiters
Fundstellen