Leitsatz (amtlich)
Die Verlängerung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels durch den Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts ist nicht wirksam, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Verlängerungsantrags die Frist zur Rechtsmittelbegründung bereits abgelaufen war (im Anschluss an BGH v. 9.11.2005 - XII ZB 140/05, FamRZ 2006, 190; v. 24.1.1996 - XII ZB 184/95, FamRZ 1996, 543; BGHZ 116, 377 = NJW 1992, 842 und BGH Beschl. v. 12.2.2009 - VII ZB 76/07, NJW 2009, 1149).
Normenkette
FamFG § 117 Abs. 1; ZPO § 520 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Beschluss vom 23.08.2016; Aktenzeichen 7 UF 136/16) |
AG Bad Kissingen (Beschluss vom 03.05.2016; Aktenzeichen 1 F 618/15) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats - Familiensenat - des OLG Bamberg vom 23.8.2016 wird auf Kosten des Antragstellers verworfen.
Wert: bis 95.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Ehe der Beteiligten wurde im Dezember 2003 rechtskräftig geschieden. Eine Hausratsteilung fand weder bei Trennung noch bei Scheidung statt. Im Jahre 2013 hat der Antragsteller von der Antragsgegnerin die Herausgabe verschiedener Gegenstände des früheren gemeinsamen Hausstands begehrt, deren Gesamtwert er mit 84.265 EUR beziffert hat. Für den Fall der Unmöglichkeit der Herausgabe hat er Auskunft über den Verbleib der Gegenstände und Schadensersatz verlangt.
Rz. 2
Das AG hat die Anträge abgewiesen. Gegen diesen ihm am 6.5.2016 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller fristgerecht Beschwerde eingelegt. Mit beim OLG am 6.7.2016 (einem Mittwoch) eingegangenem Schreiben hat die Rechtsfachwirtin G. für den Antragsteller gebeten, die Begründungsfrist für die Beschwerde bis zum 27.7.2016 zu verlängern. Der Senatsvorsitzende des OLG hat dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers unter dem 7.7.2016 mitgeteilt, das Fristverlängerungsgesuch sei unwirksam, weil es nicht von einem Rechtsanwalt eingereicht worden sei und auch insoweit Anwaltszwang bestehe.
Rz. 3
Am 8.7.2016 ist beim OLG ein vom Antragstellervertreter unterzeichneter Antrag auf Fristverlängerung eingegangen. Mit Verfügung vom 11.7.2016 hat der stellvertretende Senatsvorsitzende die "Fristverlängerung antragsgemäß bis 27.7.2016 genehmigt". Auf einen weiteren Fristverlängerungsantrag des Antragstellervertreters vom 25.7.2016, die Begründungsfrist nochmals bis 10.8.2016 zu verlängern, hat das OLG darauf hingewiesen, dass die Beschwerdebegründungsfrist nicht eingehalten worden sei. Mit Beschluss vom 23.8.2016 hat es die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 4
Die gem. § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des BGH geklärt und der Antragsteller vermag auch nicht aufzuzeigen, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.
Rz. 5
1. Das OLG hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Rz. 6
Die Frist zur Begründung der Beschwerde habe am 6.7.2016 geendet, weil das an diesem Tag eingegangene Gesuch auf Fristverlängerung nicht von einem Rechtsanwalt unterschrieben gewesen und das von einem Rechtsanwalt unterschriebene Gesuch erst am 8.7.2016 und damit nach Fristablauf beim OLG eingegangen sei. Dass die Fristverlängerung mit Verfügung vom 11.7.2016 gleichwohl gewährt worden sei, bleibe rechtlich ohne Bedeutung, weil eine abgelaufene Frist grundsätzlich nicht verlängert werden könne. Die gewährte Fristverlängerung sei deswegen unwirksam. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung sei trotz der gerichtlichen Hinweise nicht gestellt worden.
Rz. 7
2. Die Ausführungen des OLG halten sich im Rahmen der Rechtsprechung des BGH. Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Frist zur Begründung der Beschwerde am 6.7.2016 endete und durch die Verfügung vom 11.7.2016 nicht wirksam verlängert wurde, weil der maßgebliche Verlängerungsantrag erst nach Fristablauf eingegangen ist.
Rz. 8
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ist bei der Prüfung, ob eine fehlerhafte Fristverlängerung wirksam ist, in erster Linie auf den allgemeinen Grundsatz der Wirksamkeit verfahrensfehlerhafter gerichtlicher Entscheidungen sowie insb. auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes abzustellen. Danach darf der Verfahrensbeteiligte, dem eine beantragte Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist gewährt worden ist, grundsätzlich darauf vertrauen, dass die betreffende richterliche Verfügung wirksam ist. Grenzen ergeben sich allerdings aus dem Gebot der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit (vgl. BGH Beschl. v. 19.7.2016 - II ZB 3/16, NJW-RR 2016, 1529 Rz. 14 m.w.N.). Verlängert der Vorsitzende die Rechtsmittelbegründungsfrist aufgrund eines vor deren Ablauf gestellten Antrags, ist seine Verfügung auch dann wirksam, wenn der Verlängerungsantrag verfahrensrechtlich nicht wirksam gestellt worden ist (vgl. etwa BGH Beschlüsse v. 18.11.2003 - VIII ZB 37/03, NJW 2004, 1460 f. m.w.N.; v. 8.10.1998 - VII ZB 21/98, NJW-RR 1999, 286, 287; BFH DB 2015, 2553 Rz. 17 m.w.N.). Demgegenüber ist die Verlängerung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels durch den Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts nicht wirksam, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Verlängerungsantrags die Frist zur Rechtsmittelbegründung bereits abgelaufen war (vgl. BGH v. 9.11.2005 - XII ZB 140/05, FamRZ 2006, 190, 191; v. 24.1.1996 - XII ZB 184/95, FamRZ 1996, 543, 544; BGHZ 116, 377 = NJW 1992, 842 und BGH Beschl. v. 12.2.2009 - VII ZB 76/07 - NJW 2009, 1149 Rz. 13; Keidel/Weber FamFG 19. Aufl., § 117 Rz. 36).
Rz. 9
b) Nach diesen Grundsätzen war die dem Antragsteller gewährte Fristverlängerung nicht wirksam, weil sie erst auf den nach Fristablauf eingegangenen, entsprechend § 114 Abs. 1 FamFG vom Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers unterzeichneten Antrag hin erfolgt ist. Auf den am 6.7.2016, dem letzten Tag der Frist, beim OLG eingegangenen, von der nicht postulationsfähigen Rechtsfachwirtin unterschriebenen Verlängerungsantrag ist die Beschwerdebegründungsfrist hingegen nicht verlängert worden. Vielmehr hat das OLG den Antragsteller ausdrücklich auf die Unwirksamkeit dieses Gesuchs hingewiesen und die Fristverlängerung erst auf den - verspäteten - Antrag des Rechtsanwalts gewährt.
Rz. 10
Entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung kommt es nicht darauf an, wann der Antragstellervertreter Kenntnis von dem Hinweis erhalten hat. Denn die verstrichene Beschwerdebegründungsfrist war unabhängig von Vertrauensgesichtspunkten keiner Verlängerung zugänglich. Bedeutung könnten solche allenfalls im Rahmen einer Wiedereinsetzung erlangen, die der Antragsteller aber nicht beantragt hat und deren amtswegige Gewährung schon mangels Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung nicht in Betracht kam (§§ 112 Nr. 3, 117 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG, § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO). Aus dem Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 28.7.2016 an das OLG ergibt sich zudem, dass ihm die Verfügung des Gerichts vom 7.7.2016 bei der eigenhändigen Unterzeichnung des Verlängerungsantrags vom 8.7.2016 bekannt war.
Rz. 11
3. Im Übrigen gibt die erfolgte Beschwerdeverwerfung auch unabhängig davon, ob die hierfür gegebene Begründung des OLG zutrifft, keinen Anlass zu rechtlichen Bedenken. Die Rechtsbeschwerde macht zwar geltend, durch die Verfügung vom 11.7.2016 sei die Begründungsfrist wirksam verlängert worden und das OLG hätte auch dem weiteren Fristverlängerungsantrag bis zum 10.8.2016 stattgeben müssen. Selbst wenn dies aber zutreffend wäre, hat der Antragsteller weder binnen dieser erbetenen Frist noch bis zur knapp zwei Wochen später ergangenen Entscheidung des OLG seine Beschwerde begründet, so dass sein Rechtsmittel jedenfalls mangels Beschwerdebegründung gem. § 117 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu verwerfen war.
Fundstellen
FamRZ 2017, 1068 |
FuR 2017, 380 |
NJW-RR 2017, 577 |
FA 2017, 180 |
IBR 2017, 354 |
JurBüro 2017, 446 |
AnwBl 2017, 785 |
JZ 2017, 388 |
MDR 2017, 783 |
FF 2017, 264 |
FamRB 2017, 219 |
Mitt. 2017, 374 |
NZFam 2017, 721 |
RENO 2017, 16 |